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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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natürlichen Körpern nicht verändert werden, da er doch
auf der vorhergehenden Seite zugiebt, daß das ro-
the Licht ganz anders vom Zinnober als vom Ultrama-
rin, das blaue Licht ganz anders vom Ultramarin als
vom Zinnober zurückgeworfen werde. Nun sieht man
aber wohl, warum er dort seine Redensarten so künstlich
stellt, warum er nur vom Glanz und Hellen oder vom
Matten und Dunklen der Farbe, keineswegs aber von
ihrem andern Bedingtwerden durch Mischung reden
mag. Es ist unmöglich ein so deutliches und einfaches
Phänomen schiefer und unredlicher zu behandlen; aber
freylich wenn er Recht haben wollte, so mußte er sich,
ganz oder halb bewußt, mit Reineke Fuchs zurufen:

Aber ich sehe wohl, Lügen bedarf's, und über die
Maßen!

Denn nachdem er oben die Veränderung der pris-
matischen Farben auf den verschiedenen Körpern aus-
drücklich zugestanden, so fährt er hier fort:

646.

Denn wenn Körper durch Reflexion auch nicht im minde-
sten die Farbe irgend einer Art von Strahlen verändern
können; so können sie nicht auf andre Weise gefärbt erschei-
nen, als indem sie diejenigen zurückwerfen, welche entweder
von ihrer eigenen Farbe sind, oder die durch Mischung sie
hervorbringen können.

647.

Hier tritt auf einmal die Mischung hervor und

natuͤrlichen Koͤrpern nicht veraͤndert werden, da er doch
auf der vorhergehenden Seite zugiebt, daß das ro-
the Licht ganz anders vom Zinnober als vom Ultrama-
rin, das blaue Licht ganz anders vom Ultramarin als
vom Zinnober zuruͤckgeworfen werde. Nun ſieht man
aber wohl, warum er dort ſeine Redensarten ſo kuͤnſtlich
ſtellt, warum er nur vom Glanz und Hellen oder vom
Matten und Dunklen der Farbe, keineswegs aber von
ihrem andern Bedingtwerden durch Miſchung reden
mag. Es iſt unmoͤglich ein ſo deutliches und einfaches
Phaͤnomen ſchiefer und unredlicher zu behandlen; aber
freylich wenn er Recht haben wollte, ſo mußte er ſich,
ganz oder halb bewußt, mit Reineke Fuchs zurufen:

Aber ich ſehe wohl, Luͤgen bedarf’s, und uͤber die
Maßen!

Denn nachdem er oben die Veraͤnderung der pris-
matiſchen Farben auf den verſchiedenen Koͤrpern aus-
druͤcklich zugeſtanden, ſo faͤhrt er hier fort:

646.

Denn wenn Koͤrper durch Reflexion auch nicht im minde-
ſten die Farbe irgend einer Art von Strahlen veraͤndern
koͤnnen; ſo koͤnnen ſie nicht auf andre Weiſe gefaͤrbt erſchei-
nen, als indem ſie diejenigen zuruͤckwerfen, welche entweder
von ihrer eigenen Farbe ſind, oder die durch Miſchung ſie
hervorbringen koͤnnen.

647.

Hier tritt auf einmal die Miſchung hervor und

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[632/0686] natuͤrlichen Koͤrpern nicht veraͤndert werden, da er doch auf der vorhergehenden Seite zugiebt, daß das ro- the Licht ganz anders vom Zinnober als vom Ultrama- rin, das blaue Licht ganz anders vom Ultramarin als vom Zinnober zuruͤckgeworfen werde. Nun ſieht man aber wohl, warum er dort ſeine Redensarten ſo kuͤnſtlich ſtellt, warum er nur vom Glanz und Hellen oder vom Matten und Dunklen der Farbe, keineswegs aber von ihrem andern Bedingtwerden durch Miſchung reden mag. Es iſt unmoͤglich ein ſo deutliches und einfaches Phaͤnomen ſchiefer und unredlicher zu behandlen; aber freylich wenn er Recht haben wollte, ſo mußte er ſich, ganz oder halb bewußt, mit Reineke Fuchs zurufen: Aber ich ſehe wohl, Luͤgen bedarf’s, und uͤber die Maßen! Denn nachdem er oben die Veraͤnderung der pris- matiſchen Farben auf den verſchiedenen Koͤrpern aus- druͤcklich zugeſtanden, ſo faͤhrt er hier fort: 646. Denn wenn Koͤrper durch Reflexion auch nicht im minde- ſten die Farbe irgend einer Art von Strahlen veraͤndern koͤnnen; ſo koͤnnen ſie nicht auf andre Weiſe gefaͤrbt erſchei- nen, als indem ſie diejenigen zuruͤckwerfen, welche entweder von ihrer eigenen Farbe ſind, oder die durch Miſchung ſie hervorbringen koͤnnen. 647. Hier tritt auf einmal die Miſchung hervor und

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 632. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/686>, abgerufen am 23.04.2024.