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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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60.

Diese Phänomene sind von der größten Wichtig-
keit, indem sie uns auf die Gesetze des Sehens hindeu-
ten, und zu künftiger Betrachtung der Farben eine
nothwendige Vorbereitung sind. Das Auge verlangt
dabey ganz eigentlich Totalität und schließt in sich selbst
den Farbenkreis ab. In dem vom Gelben geforderten
Violetten liegt das Rothe und Blaue; im Orange das
Gelbe und Rothe, dem das Blaue entspricht; das Grü-
ne vereinigt Blau und Gelb und fordert das Rothe,
und so in allen Abstufungen der verschiedensten Mi-
schungen. Daß man in diesem Falle genöthigt werde,
drey Hauptfarben anzunehmen, ist schon früher von den
Beobachtern bemerkt worden.

61.

Wenn in der Totalität die Elemente, woraus sie
zusammenwächst, noch bemerklich sind, nennen wir sie
billig Harmonie, und wie die Lehre von der Harmonie
der Farben sich aus diesen Phänomenen herleite, wie
nur durch diese Eigenschaften die Farbe fähig sey, zu
ästhetischem Gebrauch angewendet zu werden, muß sich
in der Folge zeigen, wenn wir den ganzen Kreis der
Beobachtungen durchlaufen haben und auf den Punct,
wovon wir ausgegangen sind, zurückkehren.


60.

Dieſe Phaͤnomene ſind von der groͤßten Wichtig-
keit, indem ſie uns auf die Geſetze des Sehens hindeu-
ten, und zu kuͤnftiger Betrachtung der Farben eine
nothwendige Vorbereitung ſind. Das Auge verlangt
dabey ganz eigentlich Totalitaͤt und ſchließt in ſich ſelbſt
den Farbenkreis ab. In dem vom Gelben geforderten
Violetten liegt das Rothe und Blaue; im Orange das
Gelbe und Rothe, dem das Blaue entſpricht; das Gruͤ-
ne vereinigt Blau und Gelb und fordert das Rothe,
und ſo in allen Abſtufungen der verſchiedenſten Mi-
ſchungen. Daß man in dieſem Falle genoͤthigt werde,
drey Hauptfarben anzunehmen, iſt ſchon fruͤher von den
Beobachtern bemerkt worden.

61.

Wenn in der Totalitaͤt die Elemente, woraus ſie
zuſammenwaͤchſt, noch bemerklich ſind, nennen wir ſie
billig Harmonie, und wie die Lehre von der Harmonie
der Farben ſich aus dieſen Phaͤnomenen herleite, wie
nur durch dieſe Eigenſchaften die Farbe faͤhig ſey, zu
aͤſthetiſchem Gebrauch angewendet zu werden, muß ſich
in der Folge zeigen, wenn wir den ganzen Kreis der
Beobachtungen durchlaufen haben und auf den Punct,
wovon wir ausgegangen ſind, zuruͤckkehren.


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[26/0080] 60. Dieſe Phaͤnomene ſind von der groͤßten Wichtig- keit, indem ſie uns auf die Geſetze des Sehens hindeu- ten, und zu kuͤnftiger Betrachtung der Farben eine nothwendige Vorbereitung ſind. Das Auge verlangt dabey ganz eigentlich Totalitaͤt und ſchließt in ſich ſelbſt den Farbenkreis ab. In dem vom Gelben geforderten Violetten liegt das Rothe und Blaue; im Orange das Gelbe und Rothe, dem das Blaue entſpricht; das Gruͤ- ne vereinigt Blau und Gelb und fordert das Rothe, und ſo in allen Abſtufungen der verſchiedenſten Mi- ſchungen. Daß man in dieſem Falle genoͤthigt werde, drey Hauptfarben anzunehmen, iſt ſchon fruͤher von den Beobachtern bemerkt worden. 61. Wenn in der Totalitaͤt die Elemente, woraus ſie zuſammenwaͤchſt, noch bemerklich ſind, nennen wir ſie billig Harmonie, und wie die Lehre von der Harmonie der Farben ſich aus dieſen Phaͤnomenen herleite, wie nur durch dieſe Eigenſchaften die Farbe faͤhig ſey, zu aͤſthetiſchem Gebrauch angewendet zu werden, muß ſich in der Folge zeigen, wenn wir den ganzen Kreis der Beobachtungen durchlaufen haben und auf den Punct, wovon wir ausgegangen ſind, zuruͤckkehren.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/80>, abgerufen am 29.03.2024.