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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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Wie Bernhardinus dieses geleistet und wie er denn
doch zuletzt empfunden, daß sich nicht alle Erscheinun-
gen unter seiner Formel aussprechen lassen, ob sie gleich
überall hindeutet, davon belehrt uns die Geschichte der
Philosophie eines weitern. Was aber für uns höchst
merkwürdig ist, er hat ein Büchelchen de colorum
generatione
geschrieben, das 1570 zu Neapel in Quart
herauskam. Wir haben es leider nie zu sehen Gele-
genheit gehabt und wissen nur so viel, daß er die Far-
ben gleichfalls sämmtlich aus den Principien der Wär-
me und Kälte ableitet. Da auch unsre Ableitung der-
selben auf einem Gegensatz beruht, so würde es inter-
essant seyn zu sehen, wie er sich benommen und in
wiefern sich schon eine Annäherung an das, was wir
für wahr halten, bey ihm zeige. Wir wünschen dieses
um so mehr zu erfahren, als im achtzehnten Jahrhun-
dert Westfeld mit dem Gedanken hervortritt, daß die
Farbe, wenn sie auch nicht der Wärme zuzuschreiben
sey, doch wenigstens mit derselben und ihren Modifica-
tionen in genauer Verwandtschaft stehe.


Hieronymus Cardanus.

geb. 1501. gest. 1576.

Cardan gehört unter diejenigen Menschen, mit de-
nen die Nachwelt nie fertig wird, über die sie sich nicht
leicht im Urtheil vereinigt. Bey großen angebornen
Vorzügen konnte er sich doch nicht zu einer gleichmä-

Wie Bernhardinus dieſes geleiſtet und wie er denn
doch zuletzt empfunden, daß ſich nicht alle Erſcheinun-
gen unter ſeiner Formel ausſprechen laſſen, ob ſie gleich
uͤberall hindeutet, davon belehrt uns die Geſchichte der
Philoſophie eines weitern. Was aber fuͤr uns hoͤchſt
merkwuͤrdig iſt, er hat ein Buͤchelchen de colorum
generatione
geſchrieben, das 1570 zu Neapel in Quart
herauskam. Wir haben es leider nie zu ſehen Gele-
genheit gehabt und wiſſen nur ſo viel, daß er die Far-
ben gleichfalls ſaͤmmtlich aus den Principien der Waͤr-
me und Kaͤlte ableitet. Da auch unſre Ableitung der-
ſelben auf einem Gegenſatz beruht, ſo wuͤrde es inter-
eſſant ſeyn zu ſehen, wie er ſich benommen und in
wiefern ſich ſchon eine Annaͤherung an das, was wir
fuͤr wahr halten, bey ihm zeige. Wir wuͤnſchen dieſes
um ſo mehr zu erfahren, als im achtzehnten Jahrhun-
dert Weſtfeld mit dem Gedanken hervortritt, daß die
Farbe, wenn ſie auch nicht der Waͤrme zuzuſchreiben
ſey, doch wenigſtens mit derſelben und ihren Modifica-
tionen in genauer Verwandtſchaft ſtehe.


Hieronymus Cardanus.

geb. 1501. geſt. 1576.

Cardan gehoͤrt unter diejenigen Menſchen, mit de-
nen die Nachwelt nie fertig wird, uͤber die ſie ſich nicht
leicht im Urtheil vereinigt. Bey großen angebornen
Vorzuͤgen konnte er ſich doch nicht zu einer gleichmaͤ-

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[217/0251] Wie Bernhardinus dieſes geleiſtet und wie er denn doch zuletzt empfunden, daß ſich nicht alle Erſcheinun- gen unter ſeiner Formel ausſprechen laſſen, ob ſie gleich uͤberall hindeutet, davon belehrt uns die Geſchichte der Philoſophie eines weitern. Was aber fuͤr uns hoͤchſt merkwuͤrdig iſt, er hat ein Buͤchelchen de colorum generatione geſchrieben, das 1570 zu Neapel in Quart herauskam. Wir haben es leider nie zu ſehen Gele- genheit gehabt und wiſſen nur ſo viel, daß er die Far- ben gleichfalls ſaͤmmtlich aus den Principien der Waͤr- me und Kaͤlte ableitet. Da auch unſre Ableitung der- ſelben auf einem Gegenſatz beruht, ſo wuͤrde es inter- eſſant ſeyn zu ſehen, wie er ſich benommen und in wiefern ſich ſchon eine Annaͤherung an das, was wir fuͤr wahr halten, bey ihm zeige. Wir wuͤnſchen dieſes um ſo mehr zu erfahren, als im achtzehnten Jahrhun- dert Weſtfeld mit dem Gedanken hervortritt, daß die Farbe, wenn ſie auch nicht der Waͤrme zuzuſchreiben ſey, doch wenigſtens mit derſelben und ihren Modifica- tionen in genauer Verwandtſchaft ſtehe. Hieronymus Cardanus. geb. 1501. geſt. 1576. Cardan gehoͤrt unter diejenigen Menſchen, mit de- nen die Nachwelt nie fertig wird, uͤber die ſie ſich nicht leicht im Urtheil vereinigt. Bey großen angebornen Vorzuͤgen konnte er ſich doch nicht zu einer gleichmaͤ-

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/251>, abgerufen am 19.04.2024.