Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite

sich nichts darin; inwiefern er das Rechte geahndet,
werden diejenigen, welche unsern Entwurf der Farben-
lehre wohl inne haben, künftig, wenn es sie interessirt,
ohne große Mühe entwickeln.

Schließlich haben wir zu bemerken, daß bey Car-
dan eine naivere Art, die Wissenschaften zu behandeln,
hervortritt. Er betrachtet sie überall in Verbindung
mit sich selbst, seiner Persönlichkeit, seinem Lebensgan-
ge, und so spricht aus seinen Werken eine Natürlich-
keit und Lebendigkeit, die uns anzieht, anregt, erfrischt
und in Thätigkeit setzt. Es ist nicht der Doctor im
langen Kleide, der uns vom Catheder herab belehrt;
es ist der Mensch, der umherwandelt, aufmerkt, erstaunt,
von Freude und Schmerz ergriffen wird und uns da-
von eine leidenschaftliche Mittheilung aufdringt. Nennt
man ihn vorzüglich unter den Erneuerern der Wissen-
schaften, so hat ihm dieser sein angedeuteter Charakter
so sehr als seine Bemühungen zu dieser Ehrenstelle ver-
holfen.


Johann Baptist Porta.

Wenn gleich Porta für unser Fach wenig geleistet,
so können wir ihn doch, wenn wir im Zusammenhan-
ge der Naturwissenschaften einigermaßen bleiben wollen,
nicht übergehen. Wir haben vielmehr Ursache, uns län-
ger bey ihm aufzuhalten, weil er uns Gelegenheit gibt,

ſich nichts darin; inwiefern er das Rechte geahndet,
werden diejenigen, welche unſern Entwurf der Farben-
lehre wohl inne haben, kuͤnftig, wenn es ſie intereſſirt,
ohne große Muͤhe entwickeln.

Schließlich haben wir zu bemerken, daß bey Car-
dan eine naivere Art, die Wiſſenſchaften zu behandeln,
hervortritt. Er betrachtet ſie uͤberall in Verbindung
mit ſich ſelbſt, ſeiner Perſoͤnlichkeit, ſeinem Lebensgan-
ge, und ſo ſpricht aus ſeinen Werken eine Natuͤrlich-
keit und Lebendigkeit, die uns anzieht, anregt, erfriſcht
und in Thaͤtigkeit ſetzt. Es iſt nicht der Doctor im
langen Kleide, der uns vom Catheder herab belehrt;
es iſt der Menſch, der umherwandelt, aufmerkt, erſtaunt,
von Freude und Schmerz ergriffen wird und uns da-
von eine leidenſchaftliche Mittheilung aufdringt. Nennt
man ihn vorzuͤglich unter den Erneuerern der Wiſſen-
ſchaften, ſo hat ihm dieſer ſein angedeuteter Charakter
ſo ſehr als ſeine Bemuͤhungen zu dieſer Ehrenſtelle ver-
holfen.


Johann Baptiſt Porta.

Wenn gleich Porta fuͤr unſer Fach wenig geleiſtet,
ſo koͤnnen wir ihn doch, wenn wir im Zuſammenhan-
ge der Naturwiſſenſchaften einigermaßen bleiben wollen,
nicht uͤbergehen. Wir haben vielmehr Urſache, uns laͤn-
ger bey ihm aufzuhalten, weil er uns Gelegenheit gibt,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0254" n="220"/>
&#x017F;ich nichts darin; inwiefern er das Rechte geahndet,<lb/>
werden diejenigen, welche un&#x017F;ern Entwurf der Farben-<lb/>
lehre wohl inne haben, ku&#x0364;nftig, wenn es &#x017F;ie intere&#x017F;&#x017F;irt,<lb/>
ohne große Mu&#x0364;he entwickeln.</p><lb/>
          <p>Schließlich haben wir zu bemerken, daß bey Car-<lb/>
dan eine naivere Art, die Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften zu behandeln,<lb/>
hervortritt. Er betrachtet &#x017F;ie u&#x0364;berall in Verbindung<lb/>
mit &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t, &#x017F;einer Per&#x017F;o&#x0364;nlichkeit, &#x017F;einem Lebensgan-<lb/>
ge, und &#x017F;o &#x017F;pricht aus &#x017F;einen Werken eine Natu&#x0364;rlich-<lb/>
keit und Lebendigkeit, die uns anzieht, anregt, erfri&#x017F;cht<lb/>
und in Tha&#x0364;tigkeit &#x017F;etzt. Es i&#x017F;t nicht der Doctor im<lb/>
langen Kleide, der uns vom Catheder herab belehrt;<lb/>
es i&#x017F;t der Men&#x017F;ch, der umherwandelt, aufmerkt, er&#x017F;taunt,<lb/>
von Freude und Schmerz ergriffen wird und uns da-<lb/>
von eine leiden&#x017F;chaftliche Mittheilung aufdringt. Nennt<lb/>
man ihn vorzu&#x0364;glich unter den Erneuerern der Wi&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
&#x017F;chaften, &#x017F;o hat ihm die&#x017F;er &#x017F;ein angedeuteter Charakter<lb/>
&#x017F;o &#x017F;ehr als &#x017F;eine Bemu&#x0364;hungen zu die&#x017F;er Ehren&#x017F;telle ver-<lb/>
holfen.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Johann Bapti&#x017F;t Porta</hi>.</head><lb/>
          <p>Wenn gleich Porta fu&#x0364;r un&#x017F;er Fach wenig gelei&#x017F;tet,<lb/>
&#x017F;o ko&#x0364;nnen wir ihn doch, wenn wir im Zu&#x017F;ammenhan-<lb/>
ge der Naturwi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften einigermaßen bleiben wollen,<lb/>
nicht u&#x0364;bergehen. Wir haben vielmehr Ur&#x017F;ache, uns la&#x0364;n-<lb/>
ger bey ihm aufzuhalten, weil er uns Gelegenheit gibt,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[220/0254] ſich nichts darin; inwiefern er das Rechte geahndet, werden diejenigen, welche unſern Entwurf der Farben- lehre wohl inne haben, kuͤnftig, wenn es ſie intereſſirt, ohne große Muͤhe entwickeln. Schließlich haben wir zu bemerken, daß bey Car- dan eine naivere Art, die Wiſſenſchaften zu behandeln, hervortritt. Er betrachtet ſie uͤberall in Verbindung mit ſich ſelbſt, ſeiner Perſoͤnlichkeit, ſeinem Lebensgan- ge, und ſo ſpricht aus ſeinen Werken eine Natuͤrlich- keit und Lebendigkeit, die uns anzieht, anregt, erfriſcht und in Thaͤtigkeit ſetzt. Es iſt nicht der Doctor im langen Kleide, der uns vom Catheder herab belehrt; es iſt der Menſch, der umherwandelt, aufmerkt, erſtaunt, von Freude und Schmerz ergriffen wird und uns da- von eine leidenſchaftliche Mittheilung aufdringt. Nennt man ihn vorzuͤglich unter den Erneuerern der Wiſſen- ſchaften, ſo hat ihm dieſer ſein angedeuteter Charakter ſo ſehr als ſeine Bemuͤhungen zu dieſer Ehrenſtelle ver- holfen. Johann Baptiſt Porta. Wenn gleich Porta fuͤr unſer Fach wenig geleiſtet, ſo koͤnnen wir ihn doch, wenn wir im Zuſammenhan- ge der Naturwiſſenſchaften einigermaßen bleiben wollen, nicht uͤbergehen. Wir haben vielmehr Urſache, uns laͤn- ger bey ihm aufzuhalten, weil er uns Gelegenheit gibt,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/254
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/254>, abgerufen am 29.03.2024.