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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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Desaguliers gegen Mariotte.

Die Acta eruditorum hatten 1706 S. 60. Nach-
richt von der Optik Newtons gegeben, durch einen ge-
drängten Auszug, ohne die mindeste Spur von Beyfall
oder Widerspruch.

Im Jahre 1713 S. 447. erwähnen sie, bey Ge-
legenheit von Rohaults Physik, jenes von Mariotte aus-
gesprochenen Einwurfs, und äußern sich darüber fol-
gendermaßen: "Wenn es wahr ist, daß ein aus dem
Spectrum abgesondertes einzelnes farbiges Licht, bey
einer zweyten Brechung, aufs Neue an seinen Theilen
Farben zeigt; so periclitirt die Newtonische Lehre. Noch
entscheidender würde das Mariottische Experiment seyn,
wenn das ganze blaue Licht in eine andere Farbe ver-
wandelt worden wäre."

Man sieht wohl, daß dieser Zweifel sich von einer
Person herschreibt, die mit der Sache zwar genugsam
bekannt ist, sie aber nicht völlig durchdrungen hat.
Denn jedes einfärbige Bild kann so gut als ein schwar-
zes, weißes oder graues, durch die verbreiterten Säu-
me zugedeckt und seine Farbe dadurch aufgehoben, kei-
neswegs aber in eine einzelne andere Farbe verwan-
delt werden. Genug, ein Aufruf dieser Art war
von zu großer Bedeutung für Newton selbst und seine

Desaguliers gegen Mariotte.

Die Acta eruditorum hatten 1706 S. 60. Nach-
richt von der Optik Newtons gegeben, durch einen ge-
draͤngten Auszug, ohne die mindeſte Spur von Beyfall
oder Widerſpruch.

Im Jahre 1713 S. 447. erwaͤhnen ſie, bey Ge-
legenheit von Rohaults Phyſik, jenes von Mariotte aus-
geſprochenen Einwurfs, und aͤußern ſich daruͤber fol-
gendermaßen: „Wenn es wahr iſt, daß ein aus dem
Spectrum abgeſondertes einzelnes farbiges Licht, bey
einer zweyten Brechung, aufs Neue an ſeinen Theilen
Farben zeigt; ſo periclitirt die Newtoniſche Lehre. Noch
entſcheidender wuͤrde das Mariottiſche Experiment ſeyn,
wenn das ganze blaue Licht in eine andere Farbe ver-
wandelt worden waͤre.“

Man ſieht wohl, daß dieſer Zweifel ſich von einer
Perſon herſchreibt, die mit der Sache zwar genugſam
bekannt iſt, ſie aber nicht voͤllig durchdrungen hat.
Denn jedes einfaͤrbige Bild kann ſo gut als ein ſchwar-
zes, weißes oder graues, durch die verbreiterten Saͤu-
me zugedeckt und ſeine Farbe dadurch aufgehoben, kei-
neswegs aber in eine einzelne andere Farbe verwan-
delt werden. Genug, ein Aufruf dieſer Art war
von zu großer Bedeutung fuͤr Newton ſelbſt und ſeine

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[456/0490] Desaguliers gegen Mariotte. Die Acta eruditorum hatten 1706 S. 60. Nach- richt von der Optik Newtons gegeben, durch einen ge- draͤngten Auszug, ohne die mindeſte Spur von Beyfall oder Widerſpruch. Im Jahre 1713 S. 447. erwaͤhnen ſie, bey Ge- legenheit von Rohaults Phyſik, jenes von Mariotte aus- geſprochenen Einwurfs, und aͤußern ſich daruͤber fol- gendermaßen: „Wenn es wahr iſt, daß ein aus dem Spectrum abgeſondertes einzelnes farbiges Licht, bey einer zweyten Brechung, aufs Neue an ſeinen Theilen Farben zeigt; ſo periclitirt die Newtoniſche Lehre. Noch entſcheidender wuͤrde das Mariottiſche Experiment ſeyn, wenn das ganze blaue Licht in eine andere Farbe ver- wandelt worden waͤre.“ Man ſieht wohl, daß dieſer Zweifel ſich von einer Perſon herſchreibt, die mit der Sache zwar genugſam bekannt iſt, ſie aber nicht voͤllig durchdrungen hat. Denn jedes einfaͤrbige Bild kann ſo gut als ein ſchwar- zes, weißes oder graues, durch die verbreiterten Saͤu- me zugedeckt und ſeine Farbe dadurch aufgehoben, kei- neswegs aber in eine einzelne andere Farbe verwan- delt werden. Genug, ein Aufruf dieſer Art war von zu großer Bedeutung fuͤr Newton ſelbſt und ſeine

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 456. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/490>, abgerufen am 16.04.2024.