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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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Kraft haben alle übrigen zu verschlingen, da man doch,
wenn man den gelben Rahmen hinter den blauen stellt,
nichts sicht als grüne Strahlen, welche vielmehr der
blaue Rahmen verschlingen sollte. Ja man dürfte gar
keine Farbe sehen: denn die einzigen blauen Strahlen,
welche durch den blauen Rahmen durchzugehen im
Stande sind, müßten ja durch den zweyten Rahmen
verschluckt werden, der nur die gelben durchläßt. Die-
selbe Betrachtung kann man bey allen übrigen Farben
machen, welche durch die verschiedenen Stellungen
dieser farbigen Rahmen hervorgebracht werden."

Und so hat auch dieser verständige, im Kleinen
thätige Mann, nach seiner Weise und auf seinem Wege,
die Absurdität des Newtonischen Systems eingesehen
und ausgesprochen: abermals ein Franzos, der gleich-
falls die umsichtige Klugheit und Gewandtheit seiner
Nation beurkundet.


Mauclerc.
Traite des Couleurs et Vernis. a Paris 1773.

Die Farbenkörper haben gegen einander nicht glei-
chen Gehalt, und das Gelbe sey ausgiebiger als das
Blaue, so daß, wenn man ihre Wirkung mit einan-
der ins Gleichgewicht zu einem Grün setzen wolle, man
drey Theile Blau gegen zwey Theile Gelb nehmen

Kraft haben alle uͤbrigen zu verſchlingen, da man doch,
wenn man den gelben Rahmen hinter den blauen ſtellt,
nichts ſicht als gruͤne Strahlen, welche vielmehr der
blaue Rahmen verſchlingen ſollte. Ja man duͤrfte gar
keine Farbe ſehen: denn die einzigen blauen Strahlen,
welche durch den blauen Rahmen durchzugehen im
Stande ſind, muͤßten ja durch den zweyten Rahmen
verſchluckt werden, der nur die gelben durchlaͤßt. Die-
ſelbe Betrachtung kann man bey allen uͤbrigen Farben
machen, welche durch die verſchiedenen Stellungen
dieſer farbigen Rahmen hervorgebracht werden.“

Und ſo hat auch dieſer verſtaͤndige, im Kleinen
thaͤtige Mann, nach ſeiner Weiſe und auf ſeinem Wege,
die Abſurditaͤt des Newtoniſchen Syſtems eingeſehen
und ausgeſprochen: abermals ein Franzos, der gleich-
falls die umſichtige Klugheit und Gewandtheit ſeiner
Nation beurkundet.


Mauclerc.
Traité des Couleurs et Vernis. à Paris 1773.

Die Farbenkoͤrper haben gegen einander nicht glei-
chen Gehalt, und das Gelbe ſey ausgiebiger als das
Blaue, ſo daß, wenn man ihre Wirkung mit einan-
der ins Gleichgewicht zu einem Gruͤn ſetzen wolle, man
drey Theile Blau gegen zwey Theile Gelb nehmen

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[600/0634] Kraft haben alle uͤbrigen zu verſchlingen, da man doch, wenn man den gelben Rahmen hinter den blauen ſtellt, nichts ſicht als gruͤne Strahlen, welche vielmehr der blaue Rahmen verſchlingen ſollte. Ja man duͤrfte gar keine Farbe ſehen: denn die einzigen blauen Strahlen, welche durch den blauen Rahmen durchzugehen im Stande ſind, muͤßten ja durch den zweyten Rahmen verſchluckt werden, der nur die gelben durchlaͤßt. Die- ſelbe Betrachtung kann man bey allen uͤbrigen Farben machen, welche durch die verſchiedenen Stellungen dieſer farbigen Rahmen hervorgebracht werden.“ Und ſo hat auch dieſer verſtaͤndige, im Kleinen thaͤtige Mann, nach ſeiner Weiſe und auf ſeinem Wege, die Abſurditaͤt des Newtoniſchen Syſtems eingeſehen und ausgeſprochen: abermals ein Franzos, der gleich- falls die umſichtige Klugheit und Gewandtheit ſeiner Nation beurkundet. Mauclerc. Traité des Couleurs et Vernis. à Paris 1773. Die Farbenkoͤrper haben gegen einander nicht glei- chen Gehalt, und das Gelbe ſey ausgiebiger als das Blaue, ſo daß, wenn man ihre Wirkung mit einan- der ins Gleichgewicht zu einem Gruͤn ſetzen wolle, man drey Theile Blau gegen zwey Theile Gelb nehmen

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 600. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/634>, abgerufen am 19.04.2024.