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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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56.

Manche Körper haben mehrere Farben in sich, wie
der Saft des Mohns und die Neige des ausgepreßten
Olivenöls; auch diese sind anfangs weiß, wie der
Granatapfel, sodann gehen sie ins Hochrothe über, zu-
letzt aber, wenn viel Schwarzes dazu kommt, wird die
Farbe blau, deswegen auch die Blätter des Mohns
oberhalb roth sind, weil die Kochung in ihnen sehr
schnell vorgeht, gegen den Ansatz aber schwarz, da be-
reits diese Farbe in ihnen die Oberhand hat, wie
auch bey der Frucht, die zuletzt schwarz wird.

57.

Bey solchen Pflanzen aber, in welchen nur Eine
Farbe herrscht, etwa die weiße, schwarze, hochrothe,
oder violette, behalten auch die Früchte diejenige
Farbe, in welche sie sich einmal aus dem Grünen verän-
dert haben.

58.

Auch findet man bey einigen, daß Blüthe und
Frucht gleiche Farbe hat, wie z. B. am Granatapfel;
denn hier ist die Frucht so wie die Blüthe roth. Bey
andern aber ist die Farbe beyder sehr verschieden, wie
beym Lorber und Epheu; denn an diesen sehen wir
die Blüthe ganz gelb und die Frucht schwarz. Die
Blüthe des Apfels neigt sich aus dem Weißen ins Pur-
purfarbne, die Frucht hingegen ist gelb. Die Blume
des Mohns ist roth, aber die Frucht bald weiß, bald
schwarz; weil die Kochung der einwohnenden Säfte zu
verschiedenen Zeiten geschieht.

56.

Manche Koͤrper haben mehrere Farben in ſich, wie
der Saft des Mohns und die Neige des ausgepreßten
Olivenoͤls; auch dieſe ſind anfangs weiß, wie der
Granatapfel, ſodann gehen ſie ins Hochrothe uͤber, zu-
letzt aber, wenn viel Schwarzes dazu kommt, wird die
Farbe blau, deswegen auch die Blaͤtter des Mohns
oberhalb roth ſind, weil die Kochung in ihnen ſehr
ſchnell vorgeht, gegen den Anſatz aber ſchwarz, da be-
reits dieſe Farbe in ihnen die Oberhand hat, wie
auch bey der Frucht, die zuletzt ſchwarz wird.

57.

Bey ſolchen Pflanzen aber, in welchen nur Eine
Farbe herrſcht, etwa die weiße, ſchwarze, hochrothe,
oder violette, behalten auch die Fruͤchte diejenige
Farbe, in welche ſie ſich einmal aus dem Gruͤnen veraͤn-
dert haben.

58.

Auch findet man bey einigen, daß Bluͤthe und
Frucht gleiche Farbe hat, wie z. B. am Granatapfel;
denn hier iſt die Frucht ſo wie die Bluͤthe roth. Bey
andern aber iſt die Farbe beyder ſehr verſchieden, wie
beym Lorber und Epheu; denn an dieſen ſehen wir
die Bluͤthe ganz gelb und die Frucht ſchwarz. Die
Bluͤthe des Apfels neigt ſich aus dem Weißen ins Pur-
purfarbne, die Frucht hingegen iſt gelb. Die Blume
des Mohns iſt roth, aber die Frucht bald weiß, bald
ſchwarz; weil die Kochung der einwohnenden Saͤfte zu
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[43/0077] 56. Manche Koͤrper haben mehrere Farben in ſich, wie der Saft des Mohns und die Neige des ausgepreßten Olivenoͤls; auch dieſe ſind anfangs weiß, wie der Granatapfel, ſodann gehen ſie ins Hochrothe uͤber, zu- letzt aber, wenn viel Schwarzes dazu kommt, wird die Farbe blau, deswegen auch die Blaͤtter des Mohns oberhalb roth ſind, weil die Kochung in ihnen ſehr ſchnell vorgeht, gegen den Anſatz aber ſchwarz, da be- reits dieſe Farbe in ihnen die Oberhand hat, wie auch bey der Frucht, die zuletzt ſchwarz wird. 57. Bey ſolchen Pflanzen aber, in welchen nur Eine Farbe herrſcht, etwa die weiße, ſchwarze, hochrothe, oder violette, behalten auch die Fruͤchte diejenige Farbe, in welche ſie ſich einmal aus dem Gruͤnen veraͤn- dert haben. 58. Auch findet man bey einigen, daß Bluͤthe und Frucht gleiche Farbe hat, wie z. B. am Granatapfel; denn hier iſt die Frucht ſo wie die Bluͤthe roth. Bey andern aber iſt die Farbe beyder ſehr verſchieden, wie beym Lorber und Epheu; denn an dieſen ſehen wir die Bluͤthe ganz gelb und die Frucht ſchwarz. Die Bluͤthe des Apfels neigt ſich aus dem Weißen ins Pur- purfarbne, die Frucht hingegen iſt gelb. Die Blume des Mohns iſt roth, aber die Frucht bald weiß, bald ſchwarz; weil die Kochung der einwohnenden Saͤfte zu verſchiedenen Zeiten geſchieht.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/77>, abgerufen am 29.03.2024.