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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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Fensterladen erst den sogenannten Strahl hereingelassen,
das fertige prismatische Bild an der Wand gezeigt,
mit einem durchlöcherten Bleche die einzelnen Farben
dargestellt, und durch eine zweyte ungleiche Verrückung,
durch das sogenannte Experimentum Crucis, auf der
Stelle die höchsten Herrschaften und den sämmtlichen
Hof überzeugt; so daß Hamberger triumphirend zur
Akademie zurückkehren konnte.


Deutsche
Gelehrte Welt
.

Um die Thätigkeit derselben und was sie in dieser
Sache gewirkt, kennen zu lernen, haben wir uns vor-
züglich auf Akademieen umzusehen. Was und wie es
gelehrt worden, davon geben uns die Compendien am
besten und kürzesten Nachricht.

Jeder der ein Lehrbuch schreibt, das sich auf eine
Erfahrungswissenschaft bezieht, ist im Falle eben so oft
Irrthümer als Wahrheiten aufzuzeichnen: denn er kann
viele Versuche nicht selbst machen, er muß sich auf an-
derer Treu und Glauben verlassen und oft das Wahr-
scheinliche statt des Wahren aufnehmen. Deswegen
sind die Compendien Monumente der Zeit, in welcher
die Data gesammelt wurden. Deswegen müssen sie
auch oft erneuert und umgeschrieben werden. Aber in-
dem sie neue Entdeckungen geschwind aufnehmen und

Fenſterladen erſt den ſogenannten Strahl hereingelaſſen,
das fertige prismatiſche Bild an der Wand gezeigt,
mit einem durchloͤcherten Bleche die einzelnen Farben
dargeſtellt, und durch eine zweyte ungleiche Verruͤckung,
durch das ſogenannte Experimentum Crucis, auf der
Stelle die hoͤchſten Herrſchaften und den ſaͤmmtlichen
Hof uͤberzeugt; ſo daß Hamberger triumphirend zur
Akademie zuruͤckkehren konnte.


Deutſche
Gelehrte Welt
.

Um die Thaͤtigkeit derſelben und was ſie in dieſer
Sache gewirkt, kennen zu lernen, haben wir uns vor-
zuͤglich auf Akademieen umzuſehen. Was und wie es
gelehrt worden, davon geben uns die Compendien am
beſten und kuͤrzeſten Nachricht.

Jeder der ein Lehrbuch ſchreibt, das ſich auf eine
Erfahrungswiſſenſchaft bezieht, iſt im Falle eben ſo oft
Irrthuͤmer als Wahrheiten aufzuzeichnen: denn er kann
viele Verſuche nicht ſelbſt machen, er muß ſich auf an-
derer Treu und Glauben verlaſſen und oft das Wahr-
ſcheinliche ſtatt des Wahren aufnehmen. Deswegen
ſind die Compendien Monumente der Zeit, in welcher
die Data geſammelt wurden. Deswegen muͤſſen ſie
auch oft erneuert und umgeſchrieben werden. Aber in-
dem ſie neue Entdeckungen geſchwind aufnehmen und

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[552/0586] Fenſterladen erſt den ſogenannten Strahl hereingelaſſen, das fertige prismatiſche Bild an der Wand gezeigt, mit einem durchloͤcherten Bleche die einzelnen Farben dargeſtellt, und durch eine zweyte ungleiche Verruͤckung, durch das ſogenannte Experimentum Crucis, auf der Stelle die hoͤchſten Herrſchaften und den ſaͤmmtlichen Hof uͤberzeugt; ſo daß Hamberger triumphirend zur Akademie zuruͤckkehren konnte. Deutſche Gelehrte Welt. Um die Thaͤtigkeit derſelben und was ſie in dieſer Sache gewirkt, kennen zu lernen, haben wir uns vor- zuͤglich auf Akademieen umzuſehen. Was und wie es gelehrt worden, davon geben uns die Compendien am beſten und kuͤrzeſten Nachricht. Jeder der ein Lehrbuch ſchreibt, das ſich auf eine Erfahrungswiſſenſchaft bezieht, iſt im Falle eben ſo oft Irrthuͤmer als Wahrheiten aufzuzeichnen: denn er kann viele Verſuche nicht ſelbſt machen, er muß ſich auf an- derer Treu und Glauben verlaſſen und oft das Wahr- ſcheinliche ſtatt des Wahren aufnehmen. Deswegen ſind die Compendien Monumente der Zeit, in welcher die Data geſammelt wurden. Deswegen muͤſſen ſie auch oft erneuert und umgeſchrieben werden. Aber in- dem ſie neue Entdeckungen geſchwind aufnehmen und

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 552. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/586>, abgerufen am 28.03.2024.