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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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der Farbe des Spiegels, und wir können vermuthen,
daß es in der Luft auch also geschehe.

36.

Wir finden also, daß alle gemischte Farben aus
drey Ursprüngen erzeugt werden, aus dem Licht, durch
das Mittel, wodurch das Licht erscheint, als Wasser oder
Luft, und sodann von den untergelegten Farben, von
denen das Licht zurück geworfen wird.

37.

Das Weiße und Durchscheinende, wenn es sehr
dünn ist, erscheint luftfärbig, an allem Dichten aber
erscheint eine gewisse Trübe, z. B. am Wasser, am Glas,
an dunstiger Luft; denn wegen der Dichte nehmen die
Strahlen überall ab, und wir können das, was in die-
sen Mitteln ist, nicht deutlich erkennen. Die Luft,
wenn wir sie nahe sehen, scheint keine Farbe zu haben,
denn sie wird, weil sie dünn ist, von den Strahlen
überwunden und getheilt, indem diese mächtiger sind und
durch sie hindurch scheinen. Wenn man aber die Luft in
einiger Tiefe sieht, so erscheint sie, wenn sie noch dünn
genug ist, blau; denn wo das Licht abnimmt, wird
die Luft von der Finsterniß aufgefaßt und erscheint
blau; verdichtet aber ist sie, wie das Wasser, ganz weiß.



3 *

der Farbe des Spiegels, und wir koͤnnen vermuthen,
daß es in der Luft auch alſo geſchehe.

36.

Wir finden alſo, daß alle gemiſchte Farben aus
drey Urſpruͤngen erzeugt werden, aus dem Licht, durch
das Mittel, wodurch das Licht erſcheint, als Waſſer oder
Luft, und ſodann von den untergelegten Farben, von
denen das Licht zuruͤck geworfen wird.

37.

Das Weiße und Durchſcheinende, wenn es ſehr
duͤnn iſt, erſcheint luftfaͤrbig, an allem Dichten aber
erſcheint eine gewiſſe Truͤbe, z. B. am Waſſer, am Glas,
an dunſtiger Luft; denn wegen der Dichte nehmen die
Strahlen uͤberall ab, und wir koͤnnen das, was in die-
ſen Mitteln iſt, nicht deutlich erkennen. Die Luft,
wenn wir ſie nahe ſehen, ſcheint keine Farbe zu haben,
denn ſie wird, weil ſie duͤnn iſt, von den Strahlen
uͤberwunden und getheilt, indem dieſe maͤchtiger ſind und
durch ſie hindurch ſcheinen. Wenn man aber die Luft in
einiger Tiefe ſieht, ſo erſcheint ſie, wenn ſie noch duͤnn
genug iſt, blau; denn wo das Licht abnimmt, wird
die Luft von der Finſterniß aufgefaßt und erſcheint
blau; verdichtet aber iſt ſie, wie das Waſſer, ganz weiß.



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[35/0069] der Farbe des Spiegels, und wir koͤnnen vermuthen, daß es in der Luft auch alſo geſchehe. 36. Wir finden alſo, daß alle gemiſchte Farben aus drey Urſpruͤngen erzeugt werden, aus dem Licht, durch das Mittel, wodurch das Licht erſcheint, als Waſſer oder Luft, und ſodann von den untergelegten Farben, von denen das Licht zuruͤck geworfen wird. 37. Das Weiße und Durchſcheinende, wenn es ſehr duͤnn iſt, erſcheint luftfaͤrbig, an allem Dichten aber erſcheint eine gewiſſe Truͤbe, z. B. am Waſſer, am Glas, an dunſtiger Luft; denn wegen der Dichte nehmen die Strahlen uͤberall ab, und wir koͤnnen das, was in die- ſen Mitteln iſt, nicht deutlich erkennen. Die Luft, wenn wir ſie nahe ſehen, ſcheint keine Farbe zu haben, denn ſie wird, weil ſie duͤnn iſt, von den Strahlen uͤberwunden und getheilt, indem dieſe maͤchtiger ſind und durch ſie hindurch ſcheinen. Wenn man aber die Luft in einiger Tiefe ſieht, ſo erſcheint ſie, wenn ſie noch duͤnn genug iſt, blau; denn wo das Licht abnimmt, wird die Luft von der Finſterniß aufgefaßt und erſcheint blau; verdichtet aber iſt ſie, wie das Waſſer, ganz weiß. 3 *

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/69>, abgerufen am 19.04.2024.