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Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Eine Tragödie. Tübingen, 1808.

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Faust nach einigem Stillschweigen.
Ich bitte dich, laß mich allein!
Mephistopheles herumspürend.
Nicht jedes Mädchen hält so rein.
ab.
Faust rings aufschauend.
Willkommen süßer Dämmerschein!
Der du dieß Heiligthum durchwebst.
Ergreif mein Herz, du süße Liebespein!
Die du vom Thau der Hoffnung schmachtend lebst.
Wie athmet rings Gefühl der Stille,
Der Ordnung, der Zufriedenheit!
In dieser Armuth welche Fülle!
In diesem Kerker welche Seligkeit!

Er wirft sich auf den ledernen Sessel am Bette.
O nimm mich auf! der du die Vorwelt schon
Bey Freud' und Schmerz in offnen Arm empfangen!
Wie oft, ach! hat an diesem Väter-Thron
Schon eine Schaar von Kindern rings gehangen!
Vielleicht hat, dankbar für den heil'gen Christ,
Mein Liebchen hier, mit vollen Kinderwangen,
Dem Ahnherrn fromm die welke Hand geküßt.
Fauſt nach einigem Stillſchweigen.
Ich bitte dich, laß mich allein!
Mephiſtopheles herumſpürend.
Nicht jedes Maͤdchen haͤlt ſo rein.
ab.
Fauſt rings aufſchauend.
Willkommen ſuͤßer Daͤmmerſchein!
Der du dieß Heiligthum durchwebſt.
Ergreif mein Herz, du ſuͤße Liebespein!
Die du vom Thau der Hoffnung ſchmachtend lebſt.
Wie athmet rings Gefuͤhl der Stille,
Der Ordnung, der Zufriedenheit!
In dieſer Armuth welche Fuͤlle!
In dieſem Kerker welche Seligkeit!

Er wirft ſich auf den ledernen Seſſel am Bette.
O nimm mich auf! der du die Vorwelt ſchon
Bey Freud’ und Schmerz in offnen Arm empfangen!
Wie oft, ach! hat an dieſem Vaͤter-Thron
Schon eine Schaar von Kindern rings gehangen!
Vielleicht hat, dankbar fuͤr den heil’gen Chriſt,
Mein Liebchen hier, mit vollen Kinderwangen,
Dem Ahnherrn fromm die welke Hand gekuͤßt.
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[173/0179] Fauſt nach einigem Stillſchweigen. Ich bitte dich, laß mich allein! Mephiſtopheles herumſpürend. Nicht jedes Maͤdchen haͤlt ſo rein. ab. Fauſt rings aufſchauend. Willkommen ſuͤßer Daͤmmerſchein! Der du dieß Heiligthum durchwebſt. Ergreif mein Herz, du ſuͤße Liebespein! Die du vom Thau der Hoffnung ſchmachtend lebſt. Wie athmet rings Gefuͤhl der Stille, Der Ordnung, der Zufriedenheit! In dieſer Armuth welche Fuͤlle! In dieſem Kerker welche Seligkeit! Er wirft ſich auf den ledernen Seſſel am Bette. O nimm mich auf! der du die Vorwelt ſchon Bey Freud’ und Schmerz in offnen Arm empfangen! Wie oft, ach! hat an dieſem Vaͤter-Thron Schon eine Schaar von Kindern rings gehangen! Vielleicht hat, dankbar fuͤr den heil’gen Chriſt, Mein Liebchen hier, mit vollen Kinderwangen, Dem Ahnherrn fromm die welke Hand gekuͤßt.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Eine Tragödie. Tübingen, 1808, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust01_1808/179>, abgerufen am 25.04.2024.