Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Eine Tragödie. Tübingen, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite
Marthe.
Drum, werther Herr, berathet euch in Zeiten.
Gehn vorüber.
Margarete.
Ja, aus den Augen aus dem Sinn!
Die Höflichkeit ist euch geläufig;
Allein ihr habt der Freunde häufig,
Sie sind verständiger als ich bin.
Faust.
O Beste! glaube, was man so verständig nennt,
Ist oft mehr Eitelkeit und Kurzsinn.
Margarete.
Wie?
Faust.
Ach, daß die Einfalt, daß die Unschuld nie
Sich selbst und ihren heil'gen Werth erkennt!
Daß Demuth, Niedrigkeit, die höchsten Gaben
Der liebevoll austheilenden Natur --
Margarete.
Denkt ihr an mich ein Augenblickchen nur,
Ich werde Zeit genug an euch zu denken haben.

Marthe.
Drum, werther Herr, berathet euch in Zeiten.
Gehn vorüber.
Margarete.
Ja, aus den Augen aus dem Sinn!
Die Hoͤflichkeit iſt euch gelaͤufig;
Allein ihr habt der Freunde haͤufig,
Sie ſind verſtaͤndiger als ich bin.
Fauſt.
O Beſte! glaube, was man ſo verſtaͤndig nennt,
Iſt oft mehr Eitelkeit und Kurzſinn.
Margarete.
Wie?
Fauſt.
Ach, daß die Einfalt, daß die Unſchuld nie
Sich ſelbſt und ihren heil’gen Werth erkennt!
Daß Demuth, Niedrigkeit, die hoͤchſten Gaben
Der liebevoll austheilenden Natur —
Margarete.
Denkt ihr an mich ein Augenblickchen nur,
Ich werde Zeit genug an euch zu denken haben.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0208" n="202"/>
          <sp who="#MARTHE">
            <speaker><hi rendition="#g">Marthe</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Drum, werther Herr, berathet euch in Zeiten.</p><lb/>
            <stage>Gehn vorüber.</stage>
          </sp><lb/>
          <sp who="#MARGA">
            <speaker><hi rendition="#g">Margarete</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Ja, aus den Augen aus dem Sinn!<lb/>
Die Ho&#x0364;flichkeit i&#x017F;t euch gela&#x0364;ufig;<lb/>
Allein ihr habt der Freunde ha&#x0364;ufig,<lb/>
Sie &#x017F;ind ver&#x017F;ta&#x0364;ndiger als ich bin.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#FAU">
            <speaker><hi rendition="#g">Fau&#x017F;t</hi>.</speaker><lb/>
            <p>O Be&#x017F;te! glaube, was man &#x017F;o ver&#x017F;ta&#x0364;ndig nennt,<lb/>
I&#x017F;t oft mehr Eitelkeit und Kurz&#x017F;inn.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#MARGA">
            <speaker><hi rendition="#g">Margarete</hi>.</speaker><lb/>
            <p> <hi rendition="#et">Wie?</hi> </p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#FAU">
            <speaker><hi rendition="#g">Fau&#x017F;t</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Ach, daß die Einfalt, daß die Un&#x017F;chuld nie<lb/>
Sich &#x017F;elb&#x017F;t und ihren heil&#x2019;gen Werth erkennt!<lb/>
Daß Demuth, Niedrigkeit, die ho&#x0364;ch&#x017F;ten Gaben<lb/>
Der liebevoll austheilenden Natur &#x2014;</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#MARGA">
            <speaker><hi rendition="#g">Margarete</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Denkt ihr an mich ein Augenblickchen nur,<lb/>
Ich werde Zeit genug an euch zu denken haben.</p>
          </sp><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[202/0208] Marthe. Drum, werther Herr, berathet euch in Zeiten. Gehn vorüber. Margarete. Ja, aus den Augen aus dem Sinn! Die Hoͤflichkeit iſt euch gelaͤufig; Allein ihr habt der Freunde haͤufig, Sie ſind verſtaͤndiger als ich bin. Fauſt. O Beſte! glaube, was man ſo verſtaͤndig nennt, Iſt oft mehr Eitelkeit und Kurzſinn. Margarete. Wie? Fauſt. Ach, daß die Einfalt, daß die Unſchuld nie Sich ſelbſt und ihren heil’gen Werth erkennt! Daß Demuth, Niedrigkeit, die hoͤchſten Gaben Der liebevoll austheilenden Natur — Margarete. Denkt ihr an mich ein Augenblickchen nur, Ich werde Zeit genug an euch zu denken haben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust01_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust01_1808/208
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Eine Tragödie. Tübingen, 1808, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust01_1808/208>, abgerufen am 19.04.2024.