Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Eine Tragödie. Tübingen, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite
Und sehe, daß wir nichts wissen können!
Das will mir schier das Herz verbrennen.
Zwar bin ich gescheidter als alle die Laffen,
Doctoren, Magister, Schreiber und Pfaffen;
Mich plagen keine Scrupel noch Zweifel,
Fürchte mich weder vor Hölle noch Teufel --
Dafür ist mir auch alle Freud' entrissen,
Bilde mir nicht ein was rechts zu wissen,
Bilde mir nicht ein, ich könnte was lehren,
Die Menschen zu bessern und zu bekehren.
Auch hab' ich weder Gut noch Geld,
Noch Ehr' und Herrlichkeit der Welt.
Es möchte kein Hund so länger leben!
Drum hab' ich mich der Magie ergeben,
Ob mir durch Geistes Kraft und Mund
Nicht manch Geheimniß würde kund;
Daß ich nicht mehr mit sauerm Schweiß,
Zu sagen brauche, was ich nicht weiß;
Daß ich erkenne, was die Welt
Im Innersten zusammenhält,
Schau' alle Wirkenskraft und Samen,
Und thu' nicht mehr in Worten kramen.

Und ſehe, daß wir nichts wiſſen koͤnnen!
Das will mir ſchier das Herz verbrennen.
Zwar bin ich geſcheidter als alle die Laffen,
Doctoren, Magiſter, Schreiber und Pfaffen;
Mich plagen keine Scrupel noch Zweifel,
Fuͤrchte mich weder vor Hoͤlle noch Teufel —
Dafuͤr iſt mir auch alle Freud’ entriſſen,
Bilde mir nicht ein was rechts zu wiſſen,
Bilde mir nicht ein, ich koͤnnte was lehren,
Die Menſchen zu beſſern und zu bekehren.
Auch hab’ ich weder Gut noch Geld,
Noch Ehr’ und Herrlichkeit der Welt.
Es moͤchte kein Hund ſo laͤnger leben!
Drum hab’ ich mich der Magie ergeben,
Ob mir durch Geiſtes Kraft und Mund
Nicht manch Geheimniß wuͤrde kund;
Daß ich nicht mehr mit ſauerm Schweiß,
Zu ſagen brauche, was ich nicht weiß;
Daß ich erkenne, was die Welt
Im Innerſten zuſammenhaͤlt,
Schau’ alle Wirkenskraft und Samen,
Und thu’ nicht mehr in Worten kramen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#FAU">
            <p><pb facs="#f0040" n="34"/>
Und &#x017F;ehe, daß wir nichts wi&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nnen!<lb/>
Das will mir &#x017F;chier das Herz verbrennen.<lb/>
Zwar bin ich ge&#x017F;cheidter als alle die Laffen,<lb/>
Doctoren, Magi&#x017F;ter, Schreiber und Pfaffen;<lb/>
Mich plagen keine Scrupel noch Zweifel,<lb/>
Fu&#x0364;rchte mich weder vor Ho&#x0364;lle noch Teufel &#x2014;<lb/>
Dafu&#x0364;r i&#x017F;t mir auch alle Freud&#x2019; entri&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
Bilde mir nicht ein was rechts zu wi&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
Bilde mir nicht ein, ich ko&#x0364;nnte was lehren,<lb/>
Die Men&#x017F;chen zu be&#x017F;&#x017F;ern und zu bekehren.<lb/>
Auch hab&#x2019; ich weder Gut noch Geld,<lb/>
Noch Ehr&#x2019; und Herrlichkeit der Welt.<lb/>
Es mo&#x0364;chte kein Hund &#x017F;o la&#x0364;nger leben!<lb/>
Drum hab&#x2019; ich mich der Magie ergeben,<lb/>
Ob mir durch Gei&#x017F;tes Kraft und Mund<lb/>
Nicht manch Geheimniß wu&#x0364;rde kund;<lb/>
Daß ich nicht mehr mit &#x017F;auerm Schweiß,<lb/>
Zu &#x017F;agen brauche, was ich nicht weiß;<lb/>
Daß ich erkenne, was die Welt<lb/>
Im Inner&#x017F;ten zu&#x017F;ammenha&#x0364;lt,<lb/>
Schau&#x2019; alle Wirkenskraft und Samen,<lb/>
Und thu&#x2019; nicht mehr in Worten kramen.</p><lb/>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[34/0040] Und ſehe, daß wir nichts wiſſen koͤnnen! Das will mir ſchier das Herz verbrennen. Zwar bin ich geſcheidter als alle die Laffen, Doctoren, Magiſter, Schreiber und Pfaffen; Mich plagen keine Scrupel noch Zweifel, Fuͤrchte mich weder vor Hoͤlle noch Teufel — Dafuͤr iſt mir auch alle Freud’ entriſſen, Bilde mir nicht ein was rechts zu wiſſen, Bilde mir nicht ein, ich koͤnnte was lehren, Die Menſchen zu beſſern und zu bekehren. Auch hab’ ich weder Gut noch Geld, Noch Ehr’ und Herrlichkeit der Welt. Es moͤchte kein Hund ſo laͤnger leben! Drum hab’ ich mich der Magie ergeben, Ob mir durch Geiſtes Kraft und Mund Nicht manch Geheimniß wuͤrde kund; Daß ich nicht mehr mit ſauerm Schweiß, Zu ſagen brauche, was ich nicht weiß; Daß ich erkenne, was die Welt Im Innerſten zuſammenhaͤlt, Schau’ alle Wirkenskraft und Samen, Und thu’ nicht mehr in Worten kramen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust01_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust01_1808/40
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Eine Tragödie. Tübingen, 1808, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust01_1808/40>, abgerufen am 24.04.2024.