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Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Eine Tragödie. Tübingen, 1808.

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Die heil'gen Zeichen dir erklärt,
Ihr schwebt, ihr Geister, neben mir,
Antwortet mir, wenn ihr mich hört!

Er schlägt das Buch auf und erblickt das Zeichen des Makrokosmus.
Ha! welche Wonne fließt in diesem Blick
Auf einmal mir durch alle meine Sinnen!
Ich fühle junges, heil'ges Lebensglück
Neuglühend mir durch Nerv' und Adern rinnen.
War es ein Gott, der diese Zeichen schrieb?
Die mir das innre Toben stillen,
Das arme Herz mit Freude füllen,
Und mit geheimnißvollem Trieb,
Die Kräfte der Natur rings um mich her enthüllen.
Bin ich ein Gott? Mir wird so licht!
Ich schau' in diesen reinen Zügen
Die wirkende Natur vor meiner Seele liegen.
Jetzt erst erkenn' ich was der Weise spricht:
"Die Geisterwelt ist nicht verschlossen;
"Dein Sinn ist zu, dein Herz ist todt!
"Auf bade, Schüler, unverdrossen,
"Die ird'sche Brust im Morgenroth!"

Er beschaut das Zeichen.
Die heil’gen Zeichen dir erklaͤrt,
Ihr ſchwebt, ihr Geiſter, neben mir,
Antwortet mir, wenn ihr mich hoͤrt!

Er ſchlägt das Buch auf und erblickt das Zeichen des Makrokosmus.
Ha! welche Wonne fließt in dieſem Blick
Auf einmal mir durch alle meine Sinnen!
Ich fuͤhle junges, heil’ges Lebensgluͤck
Neugluͤhend mir durch Nerv’ und Adern rinnen.
War es ein Gott, der dieſe Zeichen ſchrieb?
Die mir das innre Toben ſtillen,
Das arme Herz mit Freude fuͤllen,
Und mit geheimnißvollem Trieb,
Die Kraͤfte der Natur rings um mich her enthuͤllen.
Bin ich ein Gott? Mir wird ſo licht!
Ich ſchau’ in dieſen reinen Zuͤgen
Die wirkende Natur vor meiner Seele liegen.
Jetzt erſt erkenn’ ich was der Weiſe ſpricht:
“Die Geiſterwelt iſt nicht verſchloſſen;
“Dein Sinn iſt zu, dein Herz iſt todt!
“Auf bade, Schuͤler, unverdroſſen,
“Die ird’ſche Bruſt im Morgenroth!”

Er beſchaut das Zeichen.
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[37/0043] Die heil’gen Zeichen dir erklaͤrt, Ihr ſchwebt, ihr Geiſter, neben mir, Antwortet mir, wenn ihr mich hoͤrt! Er ſchlägt das Buch auf und erblickt das Zeichen des Makrokosmus. Ha! welche Wonne fließt in dieſem Blick Auf einmal mir durch alle meine Sinnen! Ich fuͤhle junges, heil’ges Lebensgluͤck Neugluͤhend mir durch Nerv’ und Adern rinnen. War es ein Gott, der dieſe Zeichen ſchrieb? Die mir das innre Toben ſtillen, Das arme Herz mit Freude fuͤllen, Und mit geheimnißvollem Trieb, Die Kraͤfte der Natur rings um mich her enthuͤllen. Bin ich ein Gott? Mir wird ſo licht! Ich ſchau’ in dieſen reinen Zuͤgen Die wirkende Natur vor meiner Seele liegen. Jetzt erſt erkenn’ ich was der Weiſe ſpricht: “Die Geiſterwelt iſt nicht verſchloſſen; “Dein Sinn iſt zu, dein Herz iſt todt! “Auf bade, Schuͤler, unverdroſſen, “Die ird’ſche Bruſt im Morgenroth!” Er beſchaut das Zeichen.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Eine Tragödie. Tübingen, 1808, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust01_1808/43>, abgerufen am 28.03.2024.