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Goethe, Johann Wolfgang von: Iphigenie auf Tauris. Leipzig, 1787.

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Ein Schauspiel.
Der Quelle des Vergessens hingegeben,
Zu euch, ihr Schatten, in die ew'gen Nebel.
Gefällig laßt in eurer Ruhe sich
Den umgetriebnen Sohn der Erde laben! --
Welch ein Gelispel hör' ich in den Zweigen,
Welch ein Geräusch aus jener Dämmrung säu-
seln?
Sie kommen schon den neuen Gast zu sehn!
Wer ist die Schaar, die herrlich mit einander
Wie ein versammelt Fürstenhaus sich freut?
Sie gehen friedlich, Alt' und Junge, Männer
Mit Weibern; göttergleich und ähnlich scheinen
Die wandelnden Gestalten. Ja, sie sind's,
Die Ahnherrn meines Hauses! -- Mit Thyesten
Geht Atreus in vertraulichen Gesprächen,
Die Knaben schlüpfen scherzend um sie her.
Ist keine Feindschaft hier mehr unter euch?
Verlosch die Rache wie das Licht der Sonne?
So bin auch ich willkommen, und ich darf
In euern feierlichen Zug mich mischen.
Willkommen, Väter! euch grüßt Orest,
Von euerm Stamm der letzte Mann;
Was ihr gesa't, hat er geärntet:
Ein Schauſpiel.
Der Quelle des Vergeſſens hingegeben,
Zu euch, ihr Schatten, in die ew’gen Nebel.
Gefällig laßt in eurer Ruhe ſich
Den umgetriebnen Sohn der Erde laben! —
Welch ein Geliſpel hör’ ich in den Zweigen,
Welch ein Geräuſch aus jener Dämmrung ſäu-
ſeln?
Sie kommen ſchon den neuen Gaſt zu ſehn!
Wer iſt die Schaar, die herrlich mit einander
Wie ein verſammelt Fürſtenhaus ſich freut?
Sie gehen friedlich, Alt’ und Junge, Männer
Mit Weibern; göttergleich und ähnlich ſcheinen
Die wandelnden Geſtalten. Ja, ſie ſind’s,
Die Ahnherrn meines Hauſes! — Mit Thyeſten
Geht Atreus in vertraulichen Geſprächen,
Die Knaben ſchlüpfen ſcherzend um ſie her.
Iſt keine Feindſchaft hier mehr unter euch?
Verloſch die Rache wie das Licht der Sonne?
So bin auch ich willkommen, und ich darf
In euern feierlichen Zug mich miſchen.
Willkommen, Väter! euch grüßt Oreſt,
Von euerm Stamm der letzte Mann;
Was ihr geſa’t, hat er geärntet:
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[77/0086] Ein Schauſpiel. Der Quelle des Vergeſſens hingegeben, Zu euch, ihr Schatten, in die ew’gen Nebel. Gefällig laßt in eurer Ruhe ſich Den umgetriebnen Sohn der Erde laben! — Welch ein Geliſpel hör’ ich in den Zweigen, Welch ein Geräuſch aus jener Dämmrung ſäu- ſeln? Sie kommen ſchon den neuen Gaſt zu ſehn! Wer iſt die Schaar, die herrlich mit einander Wie ein verſammelt Fürſtenhaus ſich freut? Sie gehen friedlich, Alt’ und Junge, Männer Mit Weibern; göttergleich und ähnlich ſcheinen Die wandelnden Geſtalten. Ja, ſie ſind’s, Die Ahnherrn meines Hauſes! — Mit Thyeſten Geht Atreus in vertraulichen Geſprächen, Die Knaben ſchlüpfen ſcherzend um ſie her. Iſt keine Feindſchaft hier mehr unter euch? Verloſch die Rache wie das Licht der Sonne? So bin auch ich willkommen, und ich darf In euern feierlichen Zug mich miſchen. Willkommen, Väter! euch grüßt Oreſt, Von euerm Stamm der letzte Mann; Was ihr geſa’t, hat er geärntet:

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Iphigenie auf Tauris. Leipzig, 1787, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_iphigenie_1787/86>, abgerufen am 19.04.2024.