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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795.

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te, an ihren Liebling, und man frage, ob er
sich glücklich, ob er sich selig fühlte?

Er entdeckte ihr was vorgegangen war,
und ließ ihr im allgemeinen seinen Plan,
seine Wünsche sehen. Er wolle unter zu
kommen suchen, sie alsdann abhohlen, er
hoffe, sie werde ihm ihre Hand nicht versa¬
gen. Das arme Mädchen aber schwieg, ver¬
barg ihre Thränen und drückte den Freund
an ihre Brust, der, ob er gleich ihr Verstum¬
men auf das günstigste auslegte, doch eine
Antwort gewünscht hätte, besonders da er sie
zuletzt auf das bescheidenste, auf das freund¬
lichste fragte: ob er sich denn nicht Vater
glauben dürfe? Aber auch darauf antwortete
sie nur mit einem Seufzer, einem Kusse.


te, an ihren Liebling, und man frage, ob er
ſich glücklich, ob er ſich ſelig fühlte?

Er entdeckte ihr was vorgegangen war,
und ließ ihr im allgemeinen ſeinen Plan,
ſeine Wünſche ſehen. Er wolle unter zu
kommen ſuchen, ſie alsdann abhohlen, er
hoffe, ſie werde ihm ihre Hand nicht verſa¬
gen. Das arme Mädchen aber ſchwieg, ver¬
barg ihre Thränen und drückte den Freund
an ihre Bruſt, der, ob er gleich ihr Verſtum¬
men auf das günſtigſte auslegte, doch eine
Antwort gewünſcht hätte, beſonders da er ſie
zuletzt auf das beſcheidenſte, auf das freund¬
lichſte fragte: ob er ſich denn nicht Vater
glauben dürfe? Aber auch darauf antwortete
ſie nur mit einem Seufzer, einem Kuſſe.


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[98/0106] te, an ihren Liebling, und man frage, ob er ſich glücklich, ob er ſich ſelig fühlte? Er entdeckte ihr was vorgegangen war, und ließ ihr im allgemeinen ſeinen Plan, ſeine Wünſche ſehen. Er wolle unter zu kommen ſuchen, ſie alsdann abhohlen, er hoffe, ſie werde ihm ihre Hand nicht verſa¬ gen. Das arme Mädchen aber ſchwieg, ver¬ barg ihre Thränen und drückte den Freund an ihre Bruſt, der, ob er gleich ihr Verſtum¬ men auf das günſtigſte auslegte, doch eine Antwort gewünſcht hätte, beſonders da er ſie zuletzt auf das beſcheidenſte, auf das freund¬ lichſte fragte: ob er ſich denn nicht Vater glauben dürfe? Aber auch darauf antwortete ſie nur mit einem Seufzer, einem Kuſſe.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/106>, abgerufen am 28.03.2024.