Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

Bild:
<< vorherige Seite
Dreizehntes Capitel.

Wilhelm fuhr des andern Morgens mit ei¬
ner unbehaglichen Empfindung in die Höhe,
und fand sein Bette leer. Von dem nicht
völlig ausgeschlafenen Rausche war ihm der
Kopf düster, und die Erinnerung an den un¬
bekannten nächtlichen Besuch machte ihn un¬
ruhig. Sein erster Verdacht fiel auf Phili¬
linen, und doch schien der liebliche Körper,
den er in seine Arme geschlossen hatte, nicht
der ihrige gewesen zu seyn. Unter lebhaften
Liebkosungen war unser Freund an der Sei¬
te dieses seltsamen, stummen Besuches einge¬
schlafen und nun war weiter keine Spur
mehr davon zu entdecken. Er sprang auf,
und indem er sich anzog fand er seine Thü¬
re, die er sonst zu verriegeln pflegte, nur
angelehnt, und wußte sich nicht zu erin¬

nern,
Dreizehntes Capitel.

Wilhelm fuhr des andern Morgens mit ei¬
ner unbehaglichen Empfindung in die Höhe,
und fand ſein Bette leer. Von dem nicht
völlig ausgeſchlafenen Rauſche war ihm der
Kopf düſter, und die Erinnerung an den un¬
bekannten nächtlichen Beſuch machte ihn un¬
ruhig. Sein erſter Verdacht fiel auf Phili¬
linen, und doch ſchien der liebliche Körper,
den er in ſeine Arme geſchloſſen hatte, nicht
der ihrige geweſen zu ſeyn. Unter lebhaften
Liebkoſungen war unſer Freund an der Sei¬
te dieſes ſeltſamen, ſtummen Beſuches einge¬
ſchlafen und nun war weiter keine Spur
mehr davon zu entdecken. Er ſprang auf,
und indem er ſich anzog fand er ſeine Thü¬
re, die er ſonſt zu verriegeln pflegte, nur
angelehnt, und wußte ſich nicht zu erin¬

nern,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0134" n="128"/>
          </div>
          <div n="3">
            <head><hi rendition="#g">Dreizehntes Capitel</hi>.<lb/></head>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <p><hi rendition="#in">W</hi>ilhelm fuhr des andern Morgens mit ei¬<lb/>
ner unbehaglichen Empfindung in die Höhe,<lb/>
und fand &#x017F;ein Bette leer. Von dem nicht<lb/>
völlig ausge&#x017F;chlafenen Rau&#x017F;che war ihm der<lb/>
Kopf dü&#x017F;ter, und die Erinnerung an den un¬<lb/>
bekannten nächtlichen Be&#x017F;uch machte ihn un¬<lb/>
ruhig. Sein er&#x017F;ter Verdacht fiel auf Phili¬<lb/>
linen, und doch &#x017F;chien der liebliche Körper,<lb/>
den er in &#x017F;eine Arme ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en hatte, nicht<lb/>
der ihrige gewe&#x017F;en zu &#x017F;eyn. Unter lebhaften<lb/>
Liebko&#x017F;ungen war un&#x017F;er Freund an der Sei¬<lb/>
te die&#x017F;es &#x017F;elt&#x017F;amen, &#x017F;tummen Be&#x017F;uches einge¬<lb/>
&#x017F;chlafen und nun war weiter keine Spur<lb/>
mehr davon zu entdecken. Er &#x017F;prang auf,<lb/>
und indem er &#x017F;ich anzog fand er &#x017F;eine Thü¬<lb/>
re, die er &#x017F;on&#x017F;t zu verriegeln pflegte, nur<lb/>
angelehnt, und wußte &#x017F;ich nicht zu erin¬<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nern,<lb/></fw>
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[128/0134] Dreizehntes Capitel. Wilhelm fuhr des andern Morgens mit ei¬ ner unbehaglichen Empfindung in die Höhe, und fand ſein Bette leer. Von dem nicht völlig ausgeſchlafenen Rauſche war ihm der Kopf düſter, und die Erinnerung an den un¬ bekannten nächtlichen Beſuch machte ihn un¬ ruhig. Sein erſter Verdacht fiel auf Phili¬ linen, und doch ſchien der liebliche Körper, den er in ſeine Arme geſchloſſen hatte, nicht der ihrige geweſen zu ſeyn. Unter lebhaften Liebkoſungen war unſer Freund an der Sei¬ te dieſes ſeltſamen, ſtummen Beſuches einge¬ ſchlafen und nun war weiter keine Spur mehr davon zu entdecken. Er ſprang auf, und indem er ſich anzog fand er ſeine Thü¬ re, die er ſonſt zu verriegeln pflegte, nur angelehnt, und wußte ſich nicht zu erin¬ nern,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/134
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/134>, abgerufen am 19.04.2024.