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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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Serlo gab noch zum Abschied ein Feuer¬
werk, indem er mit dem Munde, auf eine
fast unbegreifliche Weise, den Ton der Ra¬
keten, Schwärmer und Feuerräder nachzuah¬
men wußte. Man durfte die Augen nur
zumachen, so war die Täuschung vollkom¬
men. Indessen war jedermann aufgestanden,
und man reichte den Frauenzimmern den
Arm sie nach Hause zu führen. Wilhelm
ging zuletzt mit Aurelien. Auf der Treppe
begegnete ihnen der Theatermeister, und sag¬
te: hier ist der Schleyer, worin der Geist
verschwand. Er ist an der Versenkung hän¬
gen geblieben und wir haben ihn eben ge¬
funden. Eine wunderbare Reliquie! rief
Wilhelm, und nahm ihn ab.

In dem Augenblicke fühlte er sich am
linken Arme ergriffen und zugleich einen
sehr heftigen Schmerz. Mignon hatte sich
versteckt gehabt, hatte ihn angefaßt und ihn

Serlo gab noch zum Abſchied ein Feuer¬
werk, indem er mit dem Munde, auf eine
faſt unbegreifliche Weiſe, den Ton der Ra¬
keten, Schwärmer und Feuerräder nachzuah¬
men wußte. Man durfte die Augen nur
zumachen, ſo war die Täuſchung vollkom¬
men. Indeſſen war jedermann aufgeſtanden,
und man reichte den Frauenzimmern den
Arm ſie nach Hauſe zu führen. Wilhelm
ging zuletzt mit Aurelien. Auf der Treppe
begegnete ihnen der Theatermeiſter, und ſag¬
te: hier iſt der Schleyer, worin der Geiſt
verſchwand. Er iſt an der Verſenkung hän¬
gen geblieben und wir haben ihn eben ge¬
funden. Eine wunderbare Reliquie! rief
Wilhelm, und nahm ihn ab.

In dem Augenblicke fühlte er ſich am
linken Arme ergriffen und zugleich einen
ſehr heftigen Schmerz. Mignon hatte ſich
verſteckt gehabt, hatte ihn angefaßt und ihn

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[126/0132] Serlo gab noch zum Abſchied ein Feuer¬ werk, indem er mit dem Munde, auf eine faſt unbegreifliche Weiſe, den Ton der Ra¬ keten, Schwärmer und Feuerräder nachzuah¬ men wußte. Man durfte die Augen nur zumachen, ſo war die Täuſchung vollkom¬ men. Indeſſen war jedermann aufgeſtanden, und man reichte den Frauenzimmern den Arm ſie nach Hauſe zu führen. Wilhelm ging zuletzt mit Aurelien. Auf der Treppe begegnete ihnen der Theatermeiſter, und ſag¬ te: hier iſt der Schleyer, worin der Geiſt verſchwand. Er iſt an der Verſenkung hän¬ gen geblieben und wir haben ihn eben ge¬ funden. Eine wunderbare Reliquie! rief Wilhelm, und nahm ihn ab. In dem Augenblicke fühlte er ſich am linken Arme ergriffen und zugleich einen ſehr heftigen Schmerz. Mignon hatte ſich verſteckt gehabt, hatte ihn angefaßt und ihn

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/132>, abgerufen am 25.04.2024.