Serlo gab noch zum Abschied ein Feuer¬ werk, indem er mit dem Munde, auf eine fast unbegreifliche Weise, den Ton der Ra¬ keten, Schwärmer und Feuerräder nachzuah¬ men wußte. Man durfte die Augen nur zumachen, so war die Täuschung vollkom¬ men. Indessen war jedermann aufgestanden, und man reichte den Frauenzimmern den Arm sie nach Hause zu führen. Wilhelm ging zuletzt mit Aurelien. Auf der Treppe begegnete ihnen der Theatermeister, und sag¬ te: hier ist der Schleyer, worin der Geist verschwand. Er ist an der Versenkung hän¬ gen geblieben und wir haben ihn eben ge¬ funden. Eine wunderbare Reliquie! rief Wilhelm, und nahm ihn ab.
In dem Augenblicke fühlte er sich am linken Arme ergriffen und zugleich einen sehr heftigen Schmerz. Mignon hatte sich versteckt gehabt, hatte ihn angefaßt und ihn
Serlo gab noch zum Abſchied ein Feuer¬ werk, indem er mit dem Munde, auf eine faſt unbegreifliche Weiſe, den Ton der Ra¬ keten, Schwärmer und Feuerräder nachzuah¬ men wußte. Man durfte die Augen nur zumachen, ſo war die Täuſchung vollkom¬ men. Indeſſen war jedermann aufgeſtanden, und man reichte den Frauenzimmern den Arm ſie nach Hauſe zu führen. Wilhelm ging zuletzt mit Aurelien. Auf der Treppe begegnete ihnen der Theatermeiſter, und ſag¬ te: hier iſt der Schleyer, worin der Geiſt verſchwand. Er iſt an der Verſenkung hän¬ gen geblieben und wir haben ihn eben ge¬ funden. Eine wunderbare Reliquie! rief Wilhelm, und nahm ihn ab.
In dem Augenblicke fühlte er ſich am linken Arme ergriffen und zugleich einen ſehr heftigen Schmerz. Mignon hatte ſich verſteckt gehabt, hatte ihn angefaßt und ihn
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0132"n="126"/><p>Serlo gab noch zum Abſchied ein Feuer¬<lb/>
werk, indem er mit dem Munde, auf eine<lb/>
faſt unbegreifliche Weiſe, den Ton der Ra¬<lb/>
keten, Schwärmer und Feuerräder nachzuah¬<lb/>
men wußte. Man durfte die Augen nur<lb/>
zumachen, ſo war die Täuſchung vollkom¬<lb/>
men. Indeſſen war jedermann aufgeſtanden,<lb/>
und man reichte den Frauenzimmern den<lb/>
Arm ſie nach Hauſe zu führen. Wilhelm<lb/>
ging zuletzt mit Aurelien. Auf der Treppe<lb/>
begegnete ihnen der Theatermeiſter, und ſag¬<lb/>
te: hier iſt der Schleyer, worin der Geiſt<lb/>
verſchwand. Er iſt an der Verſenkung hän¬<lb/>
gen geblieben und wir haben ihn eben ge¬<lb/>
funden. Eine wunderbare Reliquie! rief<lb/>
Wilhelm, und nahm ihn ab.</p><lb/><p>In dem Augenblicke fühlte er ſich am<lb/>
linken Arme ergriffen und zugleich einen<lb/>ſehr heftigen Schmerz. Mignon hatte ſich<lb/>
verſteckt gehabt, hatte ihn angefaßt und ihn<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[126/0132]
Serlo gab noch zum Abſchied ein Feuer¬
werk, indem er mit dem Munde, auf eine
faſt unbegreifliche Weiſe, den Ton der Ra¬
keten, Schwärmer und Feuerräder nachzuah¬
men wußte. Man durfte die Augen nur
zumachen, ſo war die Täuſchung vollkom¬
men. Indeſſen war jedermann aufgeſtanden,
und man reichte den Frauenzimmern den
Arm ſie nach Hauſe zu führen. Wilhelm
ging zuletzt mit Aurelien. Auf der Treppe
begegnete ihnen der Theatermeiſter, und ſag¬
te: hier iſt der Schleyer, worin der Geiſt
verſchwand. Er iſt an der Verſenkung hän¬
gen geblieben und wir haben ihn eben ge¬
funden. Eine wunderbare Reliquie! rief
Wilhelm, und nahm ihn ab.
In dem Augenblicke fühlte er ſich am
linken Arme ergriffen und zugleich einen
ſehr heftigen Schmerz. Mignon hatte ſich
verſteckt gehabt, hatte ihn angefaßt und ihn
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/132>, abgerufen am 25.04.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.