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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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sey. Diese letzte Meynung drang durch und
das Haus war gefüllt. Die Schauspieler
spielten mit seltenem Feuer und mit mehr
leidenschaftlicher Freyheit als das erstemal.
Die Zuschauer, deren Gefühl durch die schreck¬
liche nächtliche Scene erhöht, und durch die
Langeweile eines zerstreuten und verdorbenen
Tages noch mehr auf eine interessante Un¬
terhaltung gespannt war, hatten mehr Em¬
pfänglichkeit für das Außerordentliche. Der
größte Theil waren neue, durch den Ruf des
Stücks herbeygezogene Zuschauer, die keine
Vergleichung mit dem ersten Abend anstellen
konnten. Der Polterer spielte ganz im Sin¬
ne des unbekannten Geistes, und der Pedant
hatte seinem Vorgänger gleichfalls gut auf¬
gepaßt, darneben kam ihm seine Erbärmlich¬
keit sehr zu statten, daß ihm Hamlet wirk¬
lich nicht Unrecht that, wenn er ihn, trotz
seines Purpurmantels und Hermelinkragens,

ſey. Dieſe letzte Meynung drang durch und
das Haus war gefüllt. Die Schauſpieler
ſpielten mit ſeltenem Feuer und mit mehr
leidenſchaftlicher Freyheit als das erſtemal.
Die Zuſchauer, deren Gefühl durch die ſchreck¬
liche nächtliche Scene erhöht, und durch die
Langeweile eines zerſtreuten und verdorbenen
Tages noch mehr auf eine intereſſante Un¬
terhaltung geſpannt war, hatten mehr Em¬
pfänglichkeit für das Außerordentliche. Der
größte Theil waren neue, durch den Ruf des
Stücks herbeygezogene Zuſchauer, die keine
Vergleichung mit dem erſten Abend anſtellen
konnten. Der Polterer ſpielte ganz im Sin¬
ne des unbekannten Geiſtes, und der Pedant
hatte ſeinem Vorgänger gleichfalls gut auf¬
gepaßt, darneben kam ihm ſeine Erbärmlich¬
keit ſehr zu ſtatten, daß ihm Hamlet wirk¬
lich nicht Unrecht that, wenn er ihn, trotz
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[141/0147] ſey. Dieſe letzte Meynung drang durch und das Haus war gefüllt. Die Schauſpieler ſpielten mit ſeltenem Feuer und mit mehr leidenſchaftlicher Freyheit als das erſtemal. Die Zuſchauer, deren Gefühl durch die ſchreck¬ liche nächtliche Scene erhöht, und durch die Langeweile eines zerſtreuten und verdorbenen Tages noch mehr auf eine intereſſante Un¬ terhaltung geſpannt war, hatten mehr Em¬ pfänglichkeit für das Außerordentliche. Der größte Theil waren neue, durch den Ruf des Stücks herbeygezogene Zuſchauer, die keine Vergleichung mit dem erſten Abend anſtellen konnten. Der Polterer ſpielte ganz im Sin¬ ne des unbekannten Geiſtes, und der Pedant hatte ſeinem Vorgänger gleichfalls gut auf¬ gepaßt, darneben kam ihm ſeine Erbärmlich¬ keit ſehr zu ſtatten, daß ihm Hamlet wirk¬ lich nicht Unrecht that, wenn er ihn, trotz ſeines Purpurmantels und Hermelinkragens,

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/147>, abgerufen am 19.04.2024.