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Goethe, Johann Wolfgang von: Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklären. Gotha, 1790.

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§. 97.

So wie nun von Knoten zu Knoten sich,
dergleichen Blüthen entwickeln, so bemerken wir
gleichfalls jene Veränderung der Stengelblätter,
die wir oben bey dem langsamen Uebergange zum
Kelch beobachtet haben. Sie ziehen sich immer
mehr und mehr zusammen, und verschwinden
endlich beynahe ganz. Man nennt sie alsdann
Bracteas, indem sie sich von der Blattgestalt
mehr oder weniger entfernen. In eben diesem
Masse wird der Stiel verdünnt, die Knoten rücken
mehr zusammen, und alle oben bemerkte Erschein-
ungen gehen vor, nur dass am Ende des Stengels
kein entschiedener Blüthenstand folgt, weil die
Natur ihr Recht schon von Auge zu Auge aus-
geübt hat.

§. 98.

Haben wir nun einen solchen an jedem Knoten
mit einer Blume gezierten Stengel wohl betrachtet;
so werden wir uns gar bald einen gemeinschaftlichen
Blüthenstand
erklären können: wenn wir das was
oben von Entstehung des Kelches gesagt ist mit
zu Hülfe nehmen.


E

§. 97.

So wie nun von Knoten zu Knoten ſich,
dergleichen Blüthen entwickeln, ſo bemerken wir
gleichfalls jene Veränderung der Stengelblätter,
die wir oben bey dem langſamen Uebergange zum
Kelch beobachtet haben. Sie ziehen ſich immer
mehr und mehr zuſammen, und verſchwinden
endlich beynahe ganz. Man nennt ſie alsdann
Bracteas, indem ſie ſich von der Blattgeſtalt
mehr oder weniger entfernen. In eben dieſem
Maſse wird der Stiel verdünnt, die Knoten rücken
mehr zuſammen, und alle oben bemerkte Erſchein-
ungen gehen vor, nur daſs am Ende des Stengels
kein entſchiedener Blüthenſtand folgt, weil die
Natur ihr Recht ſchon von Auge zu Auge aus-
geübt hat.

§. 98.

Haben wir nun einen ſolchen an jedem Knoten
mit einer Blume gezierten Stengel wohl betrachtet;
ſo werden wir uns gar bald einen gemeinſchaftlichen
Blüthenſtand
erklären können: wenn wir das was
oben von Entſtehung des Kelches geſagt iſt mit
zu Hülfe nehmen.


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[65/0080] §. 97. So wie nun von Knoten zu Knoten ſich, dergleichen Blüthen entwickeln, ſo bemerken wir gleichfalls jene Veränderung der Stengelblätter, die wir oben bey dem langſamen Uebergange zum Kelch beobachtet haben. Sie ziehen ſich immer mehr und mehr zuſammen, und verſchwinden endlich beynahe ganz. Man nennt ſie alsdann Bracteas, indem ſie ſich von der Blattgeſtalt mehr oder weniger entfernen. In eben dieſem Maſse wird der Stiel verdünnt, die Knoten rücken mehr zuſammen, und alle oben bemerkte Erſchein- ungen gehen vor, nur daſs am Ende des Stengels kein entſchiedener Blüthenſtand folgt, weil die Natur ihr Recht ſchon von Auge zu Auge aus- geübt hat. §. 98. Haben wir nun einen ſolchen an jedem Knoten mit einer Blume gezierten Stengel wohl betrachtet; ſo werden wir uns gar bald einen gemeinſchaftlichen Blüthenſtand erklären können: wenn wir das was oben von Entſtehung des Kelches geſagt iſt mit zu Hülfe nehmen. E

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklären. Gotha, 1790, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_metamorphose_1790/80>, abgerufen am 28.03.2024.