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Goethe, Johann Wolfgang von: Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklären. Gotha, 1790.

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§. 114.

Schon dadurch dass wir das Sprossen eine
successive, den Blüthen- und Fruchtstand aber eine
simultane Fortpflanzung genannt haben, ist auch
die Art wie sich beyde äussern, bezeichnet
worden. Eine Pflanze welche sprosst, dehnt
sich mehr oder weniger aus, sie entwickelt einen
Stiel oder Stengel, die Zwischenräume von
Knoten zu Knoten sind meist bemerkbar, und
ihre Blätter breiten sich von dem Stengel nach
allen Seiten zu aus. Eine Pflanze dagegen
welche blüht, hat sich in allen ihren Theilen
zusammengezogen, Länge und Breite sind gleich-
sam aufgehoben und alle ihre Organe sind in
einem höchst concentrirten Zustande, zunächst
an einander entwickelt.

§. 115.

Es mag nun die Pflanze sprossen, blühen oder
Früchte bringen, so sind es doch nur immer
dieselbigen Organe welche in vielfältigen Bestim-
mungen und unter oft veränderten Gestalten

F

§. 114.

Schon dadurch daſs wir das Sproſsen eine
ſucceſsive, den Blüthen- und Fruchtſtand aber eine
ſimultane Fortpflanzung genannt haben, iſt auch
die Art wie ſich beyde äuſsern, bezeichnet
worden. Eine Pflanze welche ſproſst, dehnt
ſich mehr oder weniger aus, ſie entwickelt einen
Stiel oder Stengel, die Zwiſchenräume von
Knoten zu Knoten ſind meiſt bemerkbar, und
ihre Blätter breiten ſich von dem Stengel nach
allen Seiten zu aus. Eine Pflanze dagegen
welche blüht, hat ſich in allen ihren Theilen
zuſammengezogen, Länge und Breite ſind gleich-
ſam aufgehoben und alle ihre Organe ſind in
einem höchſt concentrirten Zuſtande, zunächſt
an einander entwickelt.

§. 115.

Es mag nun die Pflanze ſproſsen, blühen oder
Früchte bringen, ſo ſind es doch nur immer
dieſelbigen Organe welche in vielfältigen Beſtim-
mungen und unter oft veränderten Geſtalten

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[81/0096] §. 114. Schon dadurch daſs wir das Sproſsen eine ſucceſsive, den Blüthen- und Fruchtſtand aber eine ſimultane Fortpflanzung genannt haben, iſt auch die Art wie ſich beyde äuſsern, bezeichnet worden. Eine Pflanze welche ſproſst, dehnt ſich mehr oder weniger aus, ſie entwickelt einen Stiel oder Stengel, die Zwiſchenräume von Knoten zu Knoten ſind meiſt bemerkbar, und ihre Blätter breiten ſich von dem Stengel nach allen Seiten zu aus. Eine Pflanze dagegen welche blüht, hat ſich in allen ihren Theilen zuſammengezogen, Länge und Breite ſind gleich- ſam aufgehoben und alle ihre Organe ſind in einem höchſt concentrirten Zuſtande, zunächſt an einander entwickelt. §. 115. Es mag nun die Pflanze ſproſsen, blühen oder Früchte bringen, ſo ſind es doch nur immer dieſelbigen Organe welche in vielfältigen Beſtim- mungen und unter oft veränderten Geſtalten F

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklären. Gotha, 1790, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_metamorphose_1790/96>, abgerufen am 24.04.2024.