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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

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Achtes Kapitel.

Es giebt wenig Menschen, die sich mit
dem Nächstvergangenen zu beschäftigen wis¬
sen. Entweder das Gegenwärtige hält uns
mit Gewalt an sich, oder wir verlieren uns
in die Vergangenheit und suchen das völlig
Verlorene, wie es nur möglich seyn will,
wieder hervorzurufen und herzustellen. Selbst
in großen und reichen Familien, die ihren
Vorfahren vieles schuldig sind, pflegt es so zu
gehen, daß man des Großvaters mehr als
des Vaters gedenkt.

Zu solchen Betrachtungen ward unser
Gehülfe aufgefordert, als er an einem der
schönen Tage, an welchen der scheidende

Achtes Kapitel.

Es giebt wenig Menſchen, die ſich mit
dem Naͤchſtvergangenen zu beſchaͤftigen wiſ¬
ſen. Entweder das Gegenwaͤrtige haͤlt uns
mit Gewalt an ſich, oder wir verlieren uns
in die Vergangenheit und ſuchen das voͤllig
Verlorene, wie es nur moͤglich ſeyn will,
wieder hervorzurufen und herzuſtellen. Selbſt
in großen und reichen Familien, die ihren
Vorfahren vieles ſchuldig ſind, pflegt es ſo zu
gehen, daß man des Großvaters mehr als
des Vaters gedenkt.

Zu ſolchen Betrachtungen ward unſer
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[[152]/0155] Achtes Kapitel. Es giebt wenig Menſchen, die ſich mit dem Naͤchſtvergangenen zu beſchaͤftigen wiſ¬ ſen. Entweder das Gegenwaͤrtige haͤlt uns mit Gewalt an ſich, oder wir verlieren uns in die Vergangenheit und ſuchen das voͤllig Verlorene, wie es nur moͤglich ſeyn will, wieder hervorzurufen und herzuſtellen. Selbſt in großen und reichen Familien, die ihren Vorfahren vieles ſchuldig ſind, pflegt es ſo zu gehen, daß man des Großvaters mehr als des Vaters gedenkt. Zu ſolchen Betrachtungen ward unſer Gehuͤlfe aufgefordert, als er an einem der ſchoͤnen Tage, an welchen der ſcheidende

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. [152]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/155>, abgerufen am 18.04.2024.