Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite
Ottilie den Freunden.

Warum soll ich ausdrücklich sagen, meine
Geliebten, was sich von selbst versteht. Ich
bin aus meiner Bahn geschritten und ich soll
nicht wieder hinein. Ein feindseliger Dämon,
der Macht über mich gewonnen, scheint mich
von außen zu hindern, hätte ich mich auch
mit mir selbst wieder zur Einigkeit gefunden.

Ganz rein war mein Vorsatz, Eduarden
zu entsagen, mich von ihm zu entfernen. Ihm
hofft' ich nicht wieder zu begegnen. Es ist
anders geworden; er stand selbst gegen seinen
eigenen Willen vor mir. Mein Versprechen
mich mit ihm in keine Unterredung einzulas¬
sen, habe ich vielleicht zu buchstäblich genom¬
men und gedeutet. Nach Gefühl und Ge¬
wissen des Augenblicks schwieg ich, verstummt'

II. 20
Ottilie den Freunden.

Warum ſoll ich ausdruͤcklich ſagen, meine
Geliebten, was ſich von ſelbſt verſteht. Ich
bin aus meiner Bahn geſchritten und ich ſoll
nicht wieder hinein. Ein feindſeliger Daͤmon,
der Macht uͤber mich gewonnen, ſcheint mich
von außen zu hindern, haͤtte ich mich auch
mit mir ſelbſt wieder zur Einigkeit gefunden.

Ganz rein war mein Vorſatz, Eduarden
zu entſagen, mich von ihm zu entfernen. Ihm
hofft' ich nicht wieder zu begegnen. Es iſt
anders geworden; er ſtand ſelbſt gegen ſeinen
eigenen Willen vor mir. Mein Verſprechen
mich mit ihm in keine Unterredung einzulaſ¬
ſen, habe ich vielleicht zu buchſtaͤblich genom¬
men und gedeutet. Nach Gefuͤhl und Ge¬
wiſſen des Augenblicks ſchwieg ich, verſtummt'

II. 20
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0308" n="305"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#g">Ottilie den Freunden.</hi><lb/>
          </head>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Warum &#x017F;oll ich ausdru&#x0364;cklich &#x017F;agen, meine<lb/>
Geliebten, was &#x017F;ich von &#x017F;elb&#x017F;t ver&#x017F;teht. Ich<lb/>
bin aus meiner Bahn ge&#x017F;chritten und ich &#x017F;oll<lb/>
nicht wieder hinein. Ein feind&#x017F;eliger Da&#x0364;mon,<lb/>
der Macht u&#x0364;ber mich gewonnen, &#x017F;cheint mich<lb/>
von außen zu hindern, ha&#x0364;tte ich mich auch<lb/>
mit mir &#x017F;elb&#x017F;t wieder zur Einigkeit gefunden.</p><lb/>
          <p>Ganz rein war mein Vor&#x017F;atz, Eduarden<lb/>
zu ent&#x017F;agen, mich von ihm zu entfernen. Ihm<lb/>
hofft' ich nicht wieder zu begegnen. Es i&#x017F;t<lb/>
anders geworden; er &#x017F;tand &#x017F;elb&#x017F;t gegen &#x017F;einen<lb/>
eigenen Willen vor mir. Mein Ver&#x017F;prechen<lb/>
mich mit ihm in keine Unterredung einzula&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;en, habe ich vielleicht zu buch&#x017F;ta&#x0364;blich genom¬<lb/>
men und gedeutet. Nach Gefu&#x0364;hl und Ge¬<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en des Augenblicks &#x017F;chwieg ich, ver&#x017F;tummt'<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">II</hi>. 20<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[305/0308] Ottilie den Freunden. Warum ſoll ich ausdruͤcklich ſagen, meine Geliebten, was ſich von ſelbſt verſteht. Ich bin aus meiner Bahn geſchritten und ich ſoll nicht wieder hinein. Ein feindſeliger Daͤmon, der Macht uͤber mich gewonnen, ſcheint mich von außen zu hindern, haͤtte ich mich auch mit mir ſelbſt wieder zur Einigkeit gefunden. Ganz rein war mein Vorſatz, Eduarden zu entſagen, mich von ihm zu entfernen. Ihm hofft' ich nicht wieder zu begegnen. Es iſt anders geworden; er ſtand ſelbſt gegen ſeinen eigenen Willen vor mir. Mein Verſprechen mich mit ihm in keine Unterredung einzulaſ¬ ſen, habe ich vielleicht zu buchſtaͤblich genom¬ men und gedeutet. Nach Gefuͤhl und Ge¬ wiſſen des Augenblicks ſchwieg ich, verſtummt' II. 20

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/308
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/308>, abgerufen am 16.04.2024.