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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 1. Leipzig, 1774.

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net euer Vermögen, und was euch von eurer
Nothdurft übrig bleibt, davon verwehr ich euch
nicht ihr ein Geschenk, nur nicht zu oft, zu ma-
chen. Etwa zu ihrem Geburts- und Namens-
tage etc. -- Folgt der Mensch, so giebts einen brauch-
baren jungen Menschen, und ich will selbst jedem
Fürsten rathen, ihn in ein Collegium zu sezzen,
nur mit seiner Liebe ist's am Ende, und wenn
er ein Künstler ist, mit seiner Kunst. O meine
Freunde! warum der Strom des Genies so sel-
ten ausbricht, so selten in hohen Fluthen herein-
braust, und eure staunende Seele erschüttert. Lie-
ben Freunde, da wohnen die gelaßnen Kerls auf
beyden Seiten des Ufers, denen ihre Gartenhäus-
chen, Tulpenbeete, und Krautfelder zu Grunde ge-
hen würden, und die daher in Zeiten mit däm-
men und ableiten der künstig drohenden Gefahr
abzuwehren wissen.




Jch bin, wie ich sehe, in Verzükkung, Gleichnisse
und Deklamation verfallen, und habe drüber
vergessen, dir auszuerzählen, was mit den Kindern

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net euer Vermoͤgen, und was euch von eurer
Nothdurft uͤbrig bleibt, davon verwehr ich euch
nicht ihr ein Geſchenk, nur nicht zu oft, zu ma-
chen. Etwa zu ihrem Geburts- und Namens-
tage ꝛc. — Folgt der Menſch, ſo giebts einen brauch-
baren jungen Menſchen, und ich will ſelbſt jedem
Fuͤrſten rathen, ihn in ein Collegium zu ſezzen,
nur mit ſeiner Liebe iſt’s am Ende, und wenn
er ein Kuͤnſtler iſt, mit ſeiner Kunſt. O meine
Freunde! warum der Strom des Genies ſo ſel-
ten ausbricht, ſo ſelten in hohen Fluthen herein-
brauſt, und eure ſtaunende Seele erſchuͤttert. Lie-
ben Freunde, da wohnen die gelaßnen Kerls auf
beyden Seiten des Ufers, denen ihre Gartenhaͤus-
chen, Tulpenbeete, und Krautfelder zu Grunde ge-
hen wuͤrden, und die daher in Zeiten mit daͤm-
men und ableiten der kuͤnſtig drohenden Gefahr
abzuwehren wiſſen.




Jch bin, wie ich ſehe, in Verzuͤkkung, Gleichniſſe
und Deklamation verfallen, und habe druͤber
vergeſſen, dir auszuerzaͤhlen, was mit den Kindern

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[23/0023] net euer Vermoͤgen, und was euch von eurer Nothdurft uͤbrig bleibt, davon verwehr ich euch nicht ihr ein Geſchenk, nur nicht zu oft, zu ma- chen. Etwa zu ihrem Geburts- und Namens- tage ꝛc. — Folgt der Menſch, ſo giebts einen brauch- baren jungen Menſchen, und ich will ſelbſt jedem Fuͤrſten rathen, ihn in ein Collegium zu ſezzen, nur mit ſeiner Liebe iſt’s am Ende, und wenn er ein Kuͤnſtler iſt, mit ſeiner Kunſt. O meine Freunde! warum der Strom des Genies ſo ſel- ten ausbricht, ſo ſelten in hohen Fluthen herein- brauſt, und eure ſtaunende Seele erſchuͤttert. Lie- ben Freunde, da wohnen die gelaßnen Kerls auf beyden Seiten des Ufers, denen ihre Gartenhaͤus- chen, Tulpenbeete, und Krautfelder zu Grunde ge- hen wuͤrden, und die daher in Zeiten mit daͤm- men und ableiten der kuͤnſtig drohenden Gefahr abzuwehren wiſſen. am 27 May. Jch bin, wie ich ſehe, in Verzuͤkkung, Gleichniſſe und Deklamation verfallen, und habe druͤber vergeſſen, dir auszuerzaͤhlen, was mit den Kindern weiter B 4

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 1. Leipzig, 1774, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_werther01_1774/23>, abgerufen am 19.04.2024.