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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 2. Leipzig, 1774.

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Das übermannte ihn, er schenkte jedem was,
sezte sich zu Pferde, ließ den Alten grüßen, und
ritt mit Thränen in den Augen davon.

Gegen fünfe kam er nach Hause, befahl der
Magd nach dem Feuer zu sehen, und es bis in die
Nacht zu unterhalten. Dem Bedienten hieß er
Bücher und Wäsche unten in den Coffer pakken,
und die Kleider einnähen. Darauf schrieb er
wahrscheinlich folgenden Absaz seines lezten Briefes
an Lotten.



Du erwartest mich nicht. Du glaubst, ich wür-
de gehorchen, und erst Weyhnachtsabend Dich wie-
der sehn. O Lotte! Heut, oder nie mehr. Weyh-
nachtsabend hältst Du dieses Papier in Deiner
Hand, zitterst und benezt es mit Deinen lieben
Thränen. Jch will, ich muß! O wie wohl ist
mir's, daß ich entschlossen bin.



Um


Das uͤbermannte ihn, er ſchenkte jedem was,
ſezte ſich zu Pferde, ließ den Alten gruͤßen, und
ritt mit Thraͤnen in den Augen davon.

Gegen fuͤnfe kam er nach Hauſe, befahl der
Magd nach dem Feuer zu ſehen, und es bis in die
Nacht zu unterhalten. Dem Bedienten hieß er
Buͤcher und Waͤſche unten in den Coffer pakken,
und die Kleider einnaͤhen. Darauf ſchrieb er
wahrſcheinlich folgenden Abſaz ſeines lezten Briefes
an Lotten.



Du erwarteſt mich nicht. Du glaubſt, ich wuͤr-
de gehorchen, und erſt Weyhnachtsabend Dich wie-
der ſehn. O Lotte! Heut, oder nie mehr. Weyh-
nachtsabend haͤltſt Du dieſes Papier in Deiner
Hand, zitterſt und benezt es mit Deinen lieben
Thraͤnen. Jch will, ich muß! O wie wohl iſt
mir’s, daß ich entſchloſſen bin.



Um
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[189/0077] Das uͤbermannte ihn, er ſchenkte jedem was, ſezte ſich zu Pferde, ließ den Alten gruͤßen, und ritt mit Thraͤnen in den Augen davon. Gegen fuͤnfe kam er nach Hauſe, befahl der Magd nach dem Feuer zu ſehen, und es bis in die Nacht zu unterhalten. Dem Bedienten hieß er Buͤcher und Waͤſche unten in den Coffer pakken, und die Kleider einnaͤhen. Darauf ſchrieb er wahrſcheinlich folgenden Abſaz ſeines lezten Briefes an Lotten. Du erwarteſt mich nicht. Du glaubſt, ich wuͤr- de gehorchen, und erſt Weyhnachtsabend Dich wie- der ſehn. O Lotte! Heut, oder nie mehr. Weyh- nachtsabend haͤltſt Du dieſes Papier in Deiner Hand, zitterſt und benezt es mit Deinen lieben Thraͤnen. Jch will, ich muß! O wie wohl iſt mir’s, daß ich entſchloſſen bin. Um

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_werther02_1774/77>, abgerufen am 24.04.2024.