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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 2. Leipzig, 1774.

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te den Hügel hin wechselnd beugen das schwach
lispelnde Gras.

Da trat Minona hervor in ihrer Schönheit,
mit niedergeschlagenem Blik und thränenvollem Au-
ge. Jhr Haar floß schwer im unsteten Winde
der von dem Hügel hersties. -- Düster wards in
der Seele der Helden als sie die liebliche Stim-
me erhub; denn oft hatten sie das Grab Sal-
gars gesehen, oft die finstere Wohnung der weissen
Colma. Colma verlassen auf dem Hügel, mit all
der harmonischen Stimme. Salmar versprach zu
kommen; aber rings um zog sich die Nacht. Hö-
ret Colmas Stimme, da sie auf dem Hügel allein
saß.

Colma.

Es ist Nacht; -- ich bin allein, verlohren
auf dem stürmischen Hügel. Der Wind saust im
Gebürg, der Strohm heult den Felsen hinab. Kei-
ne Hütte schüzt mich vor dem Regen, verlassen
auf dem stürmischen Hügel.

Tritt, o Mond, aus deinen Wolken; erschei-
net Sterne der Nacht! Leite mich irgend ein
Strahl zu dem Orte wo meine Liebe ruht von den

Be-



te den Huͤgel hin wechſelnd beugen das ſchwach
lispelnde Gras.

Da trat Minona hervor in ihrer Schoͤnheit,
mit niedergeſchlagenem Blik und thraͤnenvollem Au-
ge. Jhr Haar floß ſchwer im unſteten Winde
der von dem Huͤgel herſties. — Duͤſter wards in
der Seele der Helden als ſie die liebliche Stim-
me erhub; denn oft hatten ſie das Grab Sal-
gars geſehen, oft die finſtere Wohnung der weiſſen
Colma. Colma verlaſſen auf dem Huͤgel, mit all
der harmoniſchen Stimme. Salmar verſprach zu
kommen; aber rings um zog ſich die Nacht. Hoͤ-
ret Colmas Stimme, da ſie auf dem Huͤgel allein
ſaß.

Colma.

Es iſt Nacht; — ich bin allein, verlohren
auf dem ſtuͤrmiſchen Huͤgel. Der Wind ſauſt im
Gebuͤrg, der Strohm heult den Felſen hinab. Kei-
ne Huͤtte ſchuͤzt mich vor dem Regen, verlaſſen
auf dem ſtuͤrmiſchen Huͤgel.

Tritt, o Mond, aus deinen Wolken; erſchei-
net Sterne der Nacht! Leite mich irgend ein
Strahl zu dem Orte wo meine Liebe ruht von den

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[194/0082] te den Huͤgel hin wechſelnd beugen das ſchwach lispelnde Gras. Da trat Minona hervor in ihrer Schoͤnheit, mit niedergeſchlagenem Blik und thraͤnenvollem Au- ge. Jhr Haar floß ſchwer im unſteten Winde der von dem Huͤgel herſties. — Duͤſter wards in der Seele der Helden als ſie die liebliche Stim- me erhub; denn oft hatten ſie das Grab Sal- gars geſehen, oft die finſtere Wohnung der weiſſen Colma. Colma verlaſſen auf dem Huͤgel, mit all der harmoniſchen Stimme. Salmar verſprach zu kommen; aber rings um zog ſich die Nacht. Hoͤ- ret Colmas Stimme, da ſie auf dem Huͤgel allein ſaß. Colma. Es iſt Nacht; — ich bin allein, verlohren auf dem ſtuͤrmiſchen Huͤgel. Der Wind ſauſt im Gebuͤrg, der Strohm heult den Felſen hinab. Kei- ne Huͤtte ſchuͤzt mich vor dem Regen, verlaſſen auf dem ſtuͤrmiſchen Huͤgel. Tritt, o Mond, aus deinen Wolken; erſchei- net Sterne der Nacht! Leite mich irgend ein Strahl zu dem Orte wo meine Liebe ruht von den Be-

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_werther02_1774/82>, abgerufen am 24.04.2024.