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Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730.

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Von poetischen Sendschreiben.

Dich heute Seegens-voll, mit Wünschen und mit Beten,
Zum zweytenmahl gesehn in Hymens Orden treten.

Wir spüren allzuwohl das alles was du bist;
Ein Fürst, dem nichts als Ruhm und Tugend eigen ist;
Ein gütiger Regent; ein Vater deines Landes;
Ein Freund der Wissenschafft; ein Kenner des Verstandes.
Die Klugheit wohnt in dir, du bist des Höchsten Bild,
Ein unerschöpffter Quell, daraus die Wohlfahrt quillt,
Die Rudolstadt bisher in viel beglückten Jahren
Von deiner Hand geniest, in deinem Schutz erfahren.
Wenn dich der Adel liebt, wenn dich der Bürger ehrt,
Wann dir der Diener Hertz als eigen zugehört,
Wann dich die Musen selbst als ihren Schutz-Gott lieben,
Die sich, da du sie nährst, in freyen Künsten üben:
Denn wird ja jederman vollkommen überführt,
Daß sich was Göttliches in deinem Wesen rührt,
Und spricht von dir: Anton verdient vor hundert Printzen
Ein vielmahl grösser Reich an Völckern und Provintzen.
Und wen befremdet das? Dein gnädiges Gemüth,
Das deiner Diener Hertz stets fester an sich zieht,
Lehrt dich das Regiment, nach Vorschrifft jener Alten,
Nicht vor ein schlechtes Werck, auch vor nichts leichtes halten.
Darum regierst du so, daß sich ein Vater-Geist
Jn allem, was du thust, belohnst und strafest, weist.
Tyrannen lassen sich beym ersten Anblick scheuen;
Du bist bemüht, dein Volck und alles zu erfreuen.
Dein ungemeiner Sinn hat jederzeit erkannt,
Ein Fürst sey vor das Volck, und nicht vor ihn das Land;
Er sey dem Unterthan, nicht dieser ihm, gebohren.
Drum hälst du jeden Tag, wie Titus, vor verlohren,
Daran dein kluger Arm, der selbst das Ruder lenckt,
Nicht auch mit milder Hand den Dürftigen beschenckt,
Die Wittwen offt versorgt, der Waysen Haupt geschützet,
Der Unschuld Recht geschafft, die Tugend unterstützet.
Wohin geräth der Kiel, da ihn dein Lob entzückt?
Verzeihe, theurer Fürst! so bald man dich erblickt,
Vergist man seiner selbst, verfehlt man seiner Pflichten,
Und säumt zuweilen gar, das Beste zu verrichten.
Dein froher Hochzeit-Tag, ein Tag voll Lieb und Lust,
Daran dein Fürstlich Hertz an seiner Fürstin Brust,
Sein altes Leid vergißt, erweckt auch unsre Sinnen.
Wir sehn an deiner Hand den Schmuck der Prinzeßinnen,
Wir sehn und ehren sie und stutzen Zweifels-voll,
Wodurch man dieses Fest nach Werth erheben soll,
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Von poetiſchen Sendſchreiben.

Dich heute Seegens-voll, mit Wuͤnſchen und mit Beten,
Zum zweytenmahl geſehn in Hymens Orden treten.

Wir ſpuͤren allzuwohl das alles was du biſt;
Ein Fuͤrſt, dem nichts als Ruhm und Tugend eigen iſt;
Ein guͤtiger Regent; ein Vater deines Landes;
Ein Freund der Wiſſenſchafft; ein Kenner des Verſtandes.
Die Klugheit wohnt in dir, du biſt des Hoͤchſten Bild,
Ein unerſchoͤpffter Quell, daraus die Wohlfahrt quillt,
Die Rudolſtadt bisher in viel begluͤckten Jahren
Von deiner Hand genieſt, in deinem Schutz erfahren.
Wenn dich der Adel liebt, wenn dich der Buͤrger ehrt,
Wann dir der Diener Hertz als eigen zugehoͤrt,
Wann dich die Muſen ſelbſt als ihren Schutz-Gott lieben,
Die ſich, da du ſie naͤhrſt, in freyen Kuͤnſten uͤben:
Denn wird ja jederman vollkommen uͤberfuͤhrt,
Daß ſich was Goͤttliches in deinem Weſen ruͤhrt,
Und ſpricht von dir: Anton verdient vor hundert Printzen
Ein vielmahl groͤſſer Reich an Voͤlckern und Provintzen.
Und wen befremdet das? Dein gnaͤdiges Gemuͤth,
Das deiner Diener Hertz ſtets feſter an ſich zieht,
Lehrt dich das Regiment, nach Vorſchrifft jener Alten,
Nicht vor ein ſchlechtes Werck, auch vor nichts leichtes halten.
Darum regierſt du ſo, daß ſich ein Vater-Geiſt
Jn allem, was du thuſt, belohnſt und ſtrafeſt, weiſt.
Tyrannen laſſen ſich beym erſten Anblick ſcheuen;
Du biſt bemuͤht, dein Volck und alles zu erfreuen.
Dein ungemeiner Sinn hat jederzeit erkannt,
Ein Fuͤrſt ſey vor das Volck, und nicht vor ihn das Land;
Er ſey dem Unterthan, nicht dieſer ihm, gebohren.
Drum haͤlſt du jeden Tag, wie Titus, vor verlohren,
Daran dein kluger Arm, der ſelbſt das Ruder lenckt,
Nicht auch mit milder Hand den Duͤrftigen beſchenckt,
Die Wittwen offt verſorgt, der Wayſen Haupt geſchuͤtzet,
Der Unſchuld Recht geſchafft, die Tugend unterſtuͤtzet.
Wohin geraͤth der Kiel, da ihn dein Lob entzuͤckt?
Verzeihe, theurer Fuͤrſt! ſo bald man dich erblickt,
Vergiſt man ſeiner ſelbſt, verfehlt man ſeiner Pflichten,
Und ſaͤumt zuweilen gar, das Beſte zu verrichten.
Dein froher Hochzeit-Tag, ein Tag voll Lieb und Luſt,
Daran dein Fuͤrſtlich Hertz an ſeiner Fuͤrſtin Bruſt,
Sein altes Leid vergißt, erweckt auch unſre Sinnen.
Wir ſehn an deiner Hand den Schmuck der Prinzeßinnen,
Wir ſehn und ehren ſie und ſtutzen Zweifels-voll,
Wodurch man dieſes Feſt nach Werth erheben ſoll,
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[449/0477] Von poetiſchen Sendſchreiben. Dich heute Seegens-voll, mit Wuͤnſchen und mit Beten, Zum zweytenmahl geſehn in Hymens Orden treten. Wir ſpuͤren allzuwohl das alles was du biſt; Ein Fuͤrſt, dem nichts als Ruhm und Tugend eigen iſt; Ein guͤtiger Regent; ein Vater deines Landes; Ein Freund der Wiſſenſchafft; ein Kenner des Verſtandes. Die Klugheit wohnt in dir, du biſt des Hoͤchſten Bild, Ein unerſchoͤpffter Quell, daraus die Wohlfahrt quillt, Die Rudolſtadt bisher in viel begluͤckten Jahren Von deiner Hand genieſt, in deinem Schutz erfahren. Wenn dich der Adel liebt, wenn dich der Buͤrger ehrt, Wann dir der Diener Hertz als eigen zugehoͤrt, Wann dich die Muſen ſelbſt als ihren Schutz-Gott lieben, Die ſich, da du ſie naͤhrſt, in freyen Kuͤnſten uͤben: Denn wird ja jederman vollkommen uͤberfuͤhrt, Daß ſich was Goͤttliches in deinem Weſen ruͤhrt, Und ſpricht von dir: Anton verdient vor hundert Printzen Ein vielmahl groͤſſer Reich an Voͤlckern und Provintzen. Und wen befremdet das? Dein gnaͤdiges Gemuͤth, Das deiner Diener Hertz ſtets feſter an ſich zieht, Lehrt dich das Regiment, nach Vorſchrifft jener Alten, Nicht vor ein ſchlechtes Werck, auch vor nichts leichtes halten. Darum regierſt du ſo, daß ſich ein Vater-Geiſt Jn allem, was du thuſt, belohnſt und ſtrafeſt, weiſt. Tyrannen laſſen ſich beym erſten Anblick ſcheuen; Du biſt bemuͤht, dein Volck und alles zu erfreuen. Dein ungemeiner Sinn hat jederzeit erkannt, Ein Fuͤrſt ſey vor das Volck, und nicht vor ihn das Land; Er ſey dem Unterthan, nicht dieſer ihm, gebohren. Drum haͤlſt du jeden Tag, wie Titus, vor verlohren, Daran dein kluger Arm, der ſelbſt das Ruder lenckt, Nicht auch mit milder Hand den Duͤrftigen beſchenckt, Die Wittwen offt verſorgt, der Wayſen Haupt geſchuͤtzet, Der Unſchuld Recht geſchafft, die Tugend unterſtuͤtzet. Wohin geraͤth der Kiel, da ihn dein Lob entzuͤckt? Verzeihe, theurer Fuͤrſt! ſo bald man dich erblickt, Vergiſt man ſeiner ſelbſt, verfehlt man ſeiner Pflichten, Und ſaͤumt zuweilen gar, das Beſte zu verrichten. Dein froher Hochzeit-Tag, ein Tag voll Lieb und Luſt, Daran dein Fuͤrſtlich Hertz an ſeiner Fuͤrſtin Bruſt, Sein altes Leid vergißt, erweckt auch unſre Sinnen. Wir ſehn an deiner Hand den Schmuck der Prinzeßinnen, Wir ſehn und ehren ſie und ſtutzen Zweifels-voll, Wodurch man dieſes Feſt nach Werth erheben ſoll, Wo- F f

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Zitationshilfe: Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_versuch_1730/477>, abgerufen am 29.03.2024.