Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841.

Bild:
<< vorherige Seite
Tagebuch.


England und Frankreich; Wasser und Feuer.

Die Zeichen des Himmels sind wunderbar. Das zähe, feuchte England sucht er
mit Feuer heim, das allzuflammbare Frankreich mit Wasser. In dem Augenblicke, wo
in England der Tower abbrennt, werden in Frankreich die Thäler von Arles durch
die Rhone überschwemmt. Welche Verwüstungen haben seit einigen Jahren hier die
Fluthen verübt, welche Zerstörungen verübten dagegen dort Brand und Flamme. In
kurzer Zeit brannten nacheinander die Londoner Börse ab, das Parlamentshaus, zwei
Schiffe im Hafen von Plymouth und in diesem Augenblicke das unschätzbare Waffen-
arsenal!



Literarischer Scandal.

Der "Presse," dem namentlich durch seine Feuilletons berühmt gewordenen Jour¬
nale, ist ein eigenthümliches Unglück widerfahren. Durch mehre Nummern brachte es
das Bruchstück eines neuen Romans, unter den, Titel "La val funeste." Dieses Bruch¬
stück machte Aufsehen; die belgischen Blätter waren mit rüstigen Händen gleich dahinter
her, es zu übersetzen, und wahrscheinlich hatten auch einige deutsche Uebersetzer ihre Fe¬
dern schon gespitzt, da plötzlich geschieht das Unglück. Der "National," der alte Feind
der "Presse," zeigt an, dieses spektakelmachende Val funeste sei nichts, als eine unver¬
schämte Piraterie, und Wort für Wort aus einem Romane abgeschrieben, der bereits
vor zwanzig Jahren erschienen ist. Wirklich bricht die Presse, zum Erschrecken der bel¬
gischen Nachdrucker nnd der deutschen Uebersetzer, alle Fortsetzung des unglücklichen Tha¬
les ab und führt dagegen folgende Erklärung ihren Lesern vor. "Der Herr Graf von
Courchamp, der in gewissen Kreisen eine nicht unbedeutende Reputation genießt, und
auch durch den Erfolg seiner Erinnerungen der Marquise von Crecy dieß ziemlich ge¬
rechtfertigt hat, sandte uns vor einigen Monaten das erwähnte Bruchstück zu. Auf die
Denunciation des National stellten wir den Grafen zu Rede, und sein Läugnen und
Zugestehen nöthigt uns endlich folgende Erklärung ab: Das Werk, woraus die Episode
des "Val funeste" abgeschrieben wurde, ist in der That bereits vor zwanzig Jahren er¬
schienen, jedoch, wie der National selbst gesteht, nur in einer Ausgabe von 100 Exem-
plaren. Es gehört die ganze Gelehrsamkeit dazu, welche der National besitzt -- im Gebiete
der Romanlectüre nämlich -- um genau mit allen derlei Verhältnissen vertraut zu sein.
Allein die Thatsache besteht nichtsdestoweniger zur Schande des Herrn Grafen Cour¬
champ. Hier muß ein Beispiel gegeben werden, daß ein Schriftsteller keinen Mißbrauch

Tagebuch.


England und Frankreich; Wasser und Feuer.

Die Zeichen des Himmels sind wunderbar. Das zähe, feuchte England sucht er
mit Feuer heim, das allzuflammbare Frankreich mit Wasser. In dem Augenblicke, wo
in England der Tower abbrennt, werden in Frankreich die Thäler von Arles durch
die Rhone überschwemmt. Welche Verwüstungen haben seit einigen Jahren hier die
Fluthen verübt, welche Zerstörungen verübten dagegen dort Brand und Flamme. In
kurzer Zeit brannten nacheinander die Londoner Börse ab, das Parlamentshaus, zwei
Schiffe im Hafen von Plymouth und in diesem Augenblicke das unschätzbare Waffen-
arsenal!



Literarischer Scandal.

Der „Presse,“ dem namentlich durch seine Feuilletons berühmt gewordenen Jour¬
nale, ist ein eigenthümliches Unglück widerfahren. Durch mehre Nummern brachte es
das Bruchstück eines neuen Romans, unter den, Titel „La val funeste.“ Dieses Bruch¬
stück machte Aufsehen; die belgischen Blätter waren mit rüstigen Händen gleich dahinter
her, es zu übersetzen, und wahrscheinlich hatten auch einige deutsche Uebersetzer ihre Fe¬
dern schon gespitzt, da plötzlich geschieht das Unglück. Der „National,“ der alte Feind
der „Presse,“ zeigt an, dieses spektakelmachende Val funeste sei nichts, als eine unver¬
schämte Piraterie, und Wort für Wort aus einem Romane abgeschrieben, der bereits
vor zwanzig Jahren erschienen ist. Wirklich bricht die Presse, zum Erschrecken der bel¬
gischen Nachdrucker nnd der deutschen Uebersetzer, alle Fortsetzung des unglücklichen Tha¬
les ab und führt dagegen folgende Erklärung ihren Lesern vor. „Der Herr Graf von
Courchamp, der in gewissen Kreisen eine nicht unbedeutende Reputation genießt, und
auch durch den Erfolg seiner Erinnerungen der Marquise von Crecy dieß ziemlich ge¬
rechtfertigt hat, sandte uns vor einigen Monaten das erwähnte Bruchstück zu. Auf die
Denunciation des National stellten wir den Grafen zu Rede, und sein Läugnen und
Zugestehen nöthigt uns endlich folgende Erklärung ab: Das Werk, woraus die Episode
des »Val funeste« abgeschrieben wurde, ist in der That bereits vor zwanzig Jahren er¬
schienen, jedoch, wie der National selbst gesteht, nur in einer Ausgabe von 100 Exem-
plaren. Es gehört die ganze Gelehrsamkeit dazu, welche der National besitzt — im Gebiete
der Romanlectüre nämlich — um genau mit allen derlei Verhältnissen vertraut zu sein.
Allein die Thatsache besteht nichtsdestoweniger zur Schande des Herrn Grafen Cour¬
champ. Hier muß ein Beispiel gegeben werden, daß ein Schriftsteller keinen Mißbrauch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/179522" n="131" facs="#f0139"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#g">Tagebuch.</hi> </head><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#g">England und Frankreich; Wasser und Feuer.</hi> </head><lb/>
          <p>Die Zeichen des Himmels sind wunderbar. Das zähe, feuchte England sucht er<lb/>
mit Feuer heim, das allzuflammbare Frankreich mit Wasser. In dem Augenblicke, wo<lb/>
in England der Tower abbrennt, werden in Frankreich die Thäler von Arles durch<lb/>
die Rhone überschwemmt. Welche Verwüstungen haben seit einigen Jahren hier die<lb/>
Fluthen verübt, welche Zerstörungen verübten dagegen dort Brand und Flamme. In<lb/>
kurzer Zeit brannten nacheinander die Londoner Börse ab, das Parlamentshaus, zwei<lb/>
Schiffe im Hafen von Plymouth und in diesem Augenblicke das unschätzbare Waffen-<lb/>
arsenal!</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#g">Literarischer Scandal.</hi> </head><lb/>
          <p>Der &#x201E;Presse,&#x201C; dem namentlich durch seine Feuilletons berühmt gewordenen Jour¬<lb/>
nale, ist ein eigenthümliches Unglück widerfahren. Durch mehre Nummern brachte es<lb/>
das Bruchstück eines neuen Romans, unter den, Titel &#x201E;La val funeste.&#x201C; Dieses Bruch¬<lb/>
stück machte Aufsehen; die belgischen Blätter waren mit rüstigen Händen gleich dahinter<lb/>
her, es zu übersetzen, und wahrscheinlich hatten auch einige deutsche Uebersetzer ihre Fe¬<lb/>
dern schon gespitzt, da plötzlich geschieht das Unglück. Der &#x201E;National,&#x201C; der alte Feind<lb/>
der &#x201E;Presse,&#x201C; zeigt an, dieses spektakelmachende Val funeste sei nichts, als eine unver¬<lb/>
schämte Piraterie, und Wort für Wort aus einem Romane abgeschrieben, der bereits<lb/>
vor zwanzig Jahren erschienen ist. Wirklich bricht die Presse, zum Erschrecken der bel¬<lb/>
gischen Nachdrucker nnd der deutschen Uebersetzer, alle Fortsetzung des unglücklichen Tha¬<lb/>
les ab und führt dagegen folgende Erklärung ihren Lesern vor. &#x201E;Der Herr Graf von<lb/>
Courchamp, der in gewissen Kreisen eine nicht unbedeutende Reputation genießt, und<lb/>
auch durch den Erfolg seiner Erinnerungen der Marquise von Crecy dieß ziemlich ge¬<lb/>
rechtfertigt hat, sandte uns vor einigen Monaten das erwähnte Bruchstück zu. Auf die<lb/>
Denunciation des National stellten wir den Grafen zu Rede, und sein Läugnen und<lb/>
Zugestehen nöthigt uns endlich folgende Erklärung ab: Das Werk, woraus die Episode<lb/>
des »Val funeste« abgeschrieben wurde, ist in der That bereits vor zwanzig Jahren er¬<lb/>
schienen, jedoch, wie der National selbst gesteht, nur in einer Ausgabe von 100 Exem-<lb/>
plaren. Es gehört die ganze Gelehrsamkeit dazu, welche der National besitzt &#x2014; im Gebiete<lb/>
der Romanlectüre nämlich &#x2014; um genau mit allen derlei Verhältnissen vertraut zu sein.<lb/>
Allein die Thatsache besteht nichtsdestoweniger zur Schande des Herrn Grafen Cour¬<lb/>
champ. Hier muß ein Beispiel gegeben werden, daß ein Schriftsteller keinen Mißbrauch<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[131/0139] Tagebuch. England und Frankreich; Wasser und Feuer. Die Zeichen des Himmels sind wunderbar. Das zähe, feuchte England sucht er mit Feuer heim, das allzuflammbare Frankreich mit Wasser. In dem Augenblicke, wo in England der Tower abbrennt, werden in Frankreich die Thäler von Arles durch die Rhone überschwemmt. Welche Verwüstungen haben seit einigen Jahren hier die Fluthen verübt, welche Zerstörungen verübten dagegen dort Brand und Flamme. In kurzer Zeit brannten nacheinander die Londoner Börse ab, das Parlamentshaus, zwei Schiffe im Hafen von Plymouth und in diesem Augenblicke das unschätzbare Waffen- arsenal! Literarischer Scandal. Der „Presse,“ dem namentlich durch seine Feuilletons berühmt gewordenen Jour¬ nale, ist ein eigenthümliches Unglück widerfahren. Durch mehre Nummern brachte es das Bruchstück eines neuen Romans, unter den, Titel „La val funeste.“ Dieses Bruch¬ stück machte Aufsehen; die belgischen Blätter waren mit rüstigen Händen gleich dahinter her, es zu übersetzen, und wahrscheinlich hatten auch einige deutsche Uebersetzer ihre Fe¬ dern schon gespitzt, da plötzlich geschieht das Unglück. Der „National,“ der alte Feind der „Presse,“ zeigt an, dieses spektakelmachende Val funeste sei nichts, als eine unver¬ schämte Piraterie, und Wort für Wort aus einem Romane abgeschrieben, der bereits vor zwanzig Jahren erschienen ist. Wirklich bricht die Presse, zum Erschrecken der bel¬ gischen Nachdrucker nnd der deutschen Uebersetzer, alle Fortsetzung des unglücklichen Tha¬ les ab und führt dagegen folgende Erklärung ihren Lesern vor. „Der Herr Graf von Courchamp, der in gewissen Kreisen eine nicht unbedeutende Reputation genießt, und auch durch den Erfolg seiner Erinnerungen der Marquise von Crecy dieß ziemlich ge¬ rechtfertigt hat, sandte uns vor einigen Monaten das erwähnte Bruchstück zu. Auf die Denunciation des National stellten wir den Grafen zu Rede, und sein Läugnen und Zugestehen nöthigt uns endlich folgende Erklärung ab: Das Werk, woraus die Episode des »Val funeste« abgeschrieben wurde, ist in der That bereits vor zwanzig Jahren er¬ schienen, jedoch, wie der National selbst gesteht, nur in einer Ausgabe von 100 Exem- plaren. Es gehört die ganze Gelehrsamkeit dazu, welche der National besitzt — im Gebiete der Romanlectüre nämlich — um genau mit allen derlei Verhältnissen vertraut zu sein. Allein die Thatsache besteht nichtsdestoweniger zur Schande des Herrn Grafen Cour¬ champ. Hier muß ein Beispiel gegeben werden, daß ein Schriftsteller keinen Mißbrauch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-11-19T17:23:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Bayerische Staatbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Signatur Per 61 k-1). (2013-11-19T17:23:38Z)

Weitere Informationen:

Art der Texterfassung: OCR.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/139
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/139>, abgerufen am 18.04.2024.