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Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841.

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Blätter, haben durch Witz, Spott und Verhöhnung oft mehr Schaden an¬
gerichtet, als die schwersten Bomben des National und der Gazette de France.
Hier mußte die Regierung eine Gegenwaffe wünschen, die dem Witze mit Witz,
und dem Spotte durch stärkeren Spott zu begegnen weiß.

Ein solches gouvernementales Tiralleurfeuer unterhalten die Wespen
(Guepes) von Karr. Es haben sich viele den Kopf darüber zerbrochen, ob Karr
direkt im Dienste der Regierung steht; die Geißelhiebe, mit welchen er bisweilen
aus der Rolle fällt, und den Rücken seiner eigenen Partei peitscht, führen Manchen
irre, und geben ihn: das Ansehen gänzlicher Unabhängigkeit. Diesen frommen Gläu¬
bigen wollen wir ihren Glauben auch nicht stören. Mag hinter dem Vorhang ge¬
schehen, was immer wolle, genug die unerschöpfliche Fülle von Witz, die diesem
Schriftsteller zu Gebote steht, und jene boshafte Naivität, womit er bisweilen
gegen seine eigene Parthei sich wendet, um den Schein der Unparteilichkeit zu
behaupten oder zu retten, haben ihn zu einem Lieblingskind Aller gemacht.

Wir wollen unsern Lesern einige Auszüge aus dem letzten Hefte der
Wespen mittheilen, worin "die Bilanz Frankreichs" gemacht wird, und wel¬
ches allgemein als das Witzigste, was Karr geschrieben hat, gerühmt wird.

Das Pamphlet ist, in der komischen Form eines Briefes, an den Auf-
wärterjungen eines Kaffeehauses in Clermont gerichtet, der, bei den dortigen
Unruhen, das Leben des Maire gerettet hat.



An den Herrn Augustin, im Lyoner Kaffeehause zu Clermont.
Motto. "Der Maire war in die Hände des Volks gerathen, und war
nahe daran gesteinigt zu wenden, als Augustin aus dem
Lyoner Kaffeehause, sich zwischen ihn und die Menge warf,
und es dahin brachte, daß man ihn losgab."

-- Alle Journale --

Sie befinden sich in einer günstigen Lage, Herr Augustin, -- ich weiß
es nicht anders, und es ist mir unbekannt, welchen Gebrauch sie davon
machen werden. -- Erlauben Sie mir indessen, mich Ihrem neuen Ruhme,
wie der aufgehenden Sonne, zuzuwenden, um Ihnen diesen Band zu wid¬
men, den Schluß des zweiten Jahrgangs der Wespen, welcher die Bilanz
von Frankreich enthält.

Das Ministerium.

Der Mann welcher das Regiment ausübt, ist nicht grade immer der
Minister; -- der ist es, welcher Minister werden soll. Sechs Monate
bevor Herr Thiers ins Ministerium trat, gehorchte man ihm allein; er war
es, der alles leitete, der den Präfekten Befehle ertheilte, über Ehrenkreuze
und Aemter verfügte, und Amtsentsetzungen vornahm.

Als Beispiel sichre ich Herrn Buloz an, einen Mann ohne alle litera¬
rische Bedeutung, Director zweier Revuen und des Theater francais, -- ein

Blätter, haben durch Witz, Spott und Verhöhnung oft mehr Schaden an¬
gerichtet, als die schwersten Bomben des National und der Gazette de France.
Hier mußte die Regierung eine Gegenwaffe wünschen, die dem Witze mit Witz,
und dem Spotte durch stärkeren Spott zu begegnen weiß.

Ein solches gouvernementales Tiralleurfeuer unterhalten die Wespen
(Guepes) von Karr. Es haben sich viele den Kopf darüber zerbrochen, ob Karr
direkt im Dienste der Regierung steht; die Geißelhiebe, mit welchen er bisweilen
aus der Rolle fällt, und den Rücken seiner eigenen Partei peitscht, führen Manchen
irre, und geben ihn: das Ansehen gänzlicher Unabhängigkeit. Diesen frommen Gläu¬
bigen wollen wir ihren Glauben auch nicht stören. Mag hinter dem Vorhang ge¬
schehen, was immer wolle, genug die unerschöpfliche Fülle von Witz, die diesem
Schriftsteller zu Gebote steht, und jene boshafte Naivität, womit er bisweilen
gegen seine eigene Parthei sich wendet, um den Schein der Unparteilichkeit zu
behaupten oder zu retten, haben ihn zu einem Lieblingskind Aller gemacht.

Wir wollen unsern Lesern einige Auszüge aus dem letzten Hefte der
Wespen mittheilen, worin „die Bilanz Frankreichs“ gemacht wird, und wel¬
ches allgemein als das Witzigste, was Karr geschrieben hat, gerühmt wird.

Das Pamphlet ist, in der komischen Form eines Briefes, an den Auf-
wärterjungen eines Kaffeehauses in Clermont gerichtet, der, bei den dortigen
Unruhen, das Leben des Maire gerettet hat.



An den Herrn Augustin, im Lyoner Kaffeehause zu Clermont.
Motto. „Der Maire war in die Hände des Volks gerathen, und war
nahe daran gesteinigt zu wenden, als Augustin aus dem
Lyoner Kaffeehause, sich zwischen ihn und die Menge warf,
und es dahin brachte, daß man ihn losgab.“

— Alle Journale —

Sie befinden sich in einer günstigen Lage, Herr Augustin, — ich weiß
es nicht anders, und es ist mir unbekannt, welchen Gebrauch sie davon
machen werden. — Erlauben Sie mir indessen, mich Ihrem neuen Ruhme,
wie der aufgehenden Sonne, zuzuwenden, um Ihnen diesen Band zu wid¬
men, den Schluß des zweiten Jahrgangs der Wespen, welcher die Bilanz
von Frankreich enthält.

Das Ministerium.

Der Mann welcher das Regiment ausübt, ist nicht grade immer der
Minister; — der ist es, welcher Minister werden soll. Sechs Monate
bevor Herr Thiers ins Ministerium trat, gehorchte man ihm allein; er war
es, der alles leitete, der den Präfekten Befehle ertheilte, über Ehrenkreuze
und Aemter verfügte, und Amtsentsetzungen vornahm.

Als Beispiel sichre ich Herrn Buloz an, einen Mann ohne alle litera¬
rische Bedeutung, Director zweier Revuen und des Theater francais, — ein

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[83/0091] Blätter, haben durch Witz, Spott und Verhöhnung oft mehr Schaden an¬ gerichtet, als die schwersten Bomben des National und der Gazette de France. Hier mußte die Regierung eine Gegenwaffe wünschen, die dem Witze mit Witz, und dem Spotte durch stärkeren Spott zu begegnen weiß. Ein solches gouvernementales Tiralleurfeuer unterhalten die Wespen (Guepes) von Karr. Es haben sich viele den Kopf darüber zerbrochen, ob Karr direkt im Dienste der Regierung steht; die Geißelhiebe, mit welchen er bisweilen aus der Rolle fällt, und den Rücken seiner eigenen Partei peitscht, führen Manchen irre, und geben ihn: das Ansehen gänzlicher Unabhängigkeit. Diesen frommen Gläu¬ bigen wollen wir ihren Glauben auch nicht stören. Mag hinter dem Vorhang ge¬ schehen, was immer wolle, genug die unerschöpfliche Fülle von Witz, die diesem Schriftsteller zu Gebote steht, und jene boshafte Naivität, womit er bisweilen gegen seine eigene Parthei sich wendet, um den Schein der Unparteilichkeit zu behaupten oder zu retten, haben ihn zu einem Lieblingskind Aller gemacht. Wir wollen unsern Lesern einige Auszüge aus dem letzten Hefte der Wespen mittheilen, worin „die Bilanz Frankreichs“ gemacht wird, und wel¬ ches allgemein als das Witzigste, was Karr geschrieben hat, gerühmt wird. Das Pamphlet ist, in der komischen Form eines Briefes, an den Auf- wärterjungen eines Kaffeehauses in Clermont gerichtet, der, bei den dortigen Unruhen, das Leben des Maire gerettet hat. An den Herrn Augustin, im Lyoner Kaffeehause zu Clermont. Motto. „Der Maire war in die Hände des Volks gerathen, und war nahe daran gesteinigt zu wenden, als Augustin aus dem Lyoner Kaffeehause, sich zwischen ihn und die Menge warf, und es dahin brachte, daß man ihn losgab.“ — Alle Journale — Sie befinden sich in einer günstigen Lage, Herr Augustin, — ich weiß es nicht anders, und es ist mir unbekannt, welchen Gebrauch sie davon machen werden. — Erlauben Sie mir indessen, mich Ihrem neuen Ruhme, wie der aufgehenden Sonne, zuzuwenden, um Ihnen diesen Band zu wid¬ men, den Schluß des zweiten Jahrgangs der Wespen, welcher die Bilanz von Frankreich enthält. Das Ministerium. Der Mann welcher das Regiment ausübt, ist nicht grade immer der Minister; — der ist es, welcher Minister werden soll. Sechs Monate bevor Herr Thiers ins Ministerium trat, gehorchte man ihm allein; er war es, der alles leitete, der den Präfekten Befehle ertheilte, über Ehrenkreuze und Aemter verfügte, und Amtsentsetzungen vornahm. Als Beispiel sichre ich Herrn Buloz an, einen Mann ohne alle litera¬ rische Bedeutung, Director zweier Revuen und des Theater francais, — ein

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Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-11-19T17:23:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Bayerische Staatbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Signatur Per 61 k-1). (2013-11-19T17:23:38Z)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/91>, abgerufen am 28.03.2024.