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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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II.
Anton Perrenot von Granvella^).

"Anton Perrenot von Granvella ist einer jener Männer, welche
die Parteien so verschieden beurtheilt haben, daß man noch heute
über die Rolle nicht einig ist, die er in den Uneinigkeiten spielte,
welche unter seiner Verwaltung in Belgien ausbrachen und nachher
in offenen Krieg ausarteten. Von Jugend auf in der trefflichen
Schule Carl's V. gebildet, der hohe Fähigkeiten in ihm erkannte,
ging er in den Dienst Philipp's über, der, nachdem er ihn seiner¬
seits ebenfalls geprüft, ihm zuletzt das vollkommenste Vertrauen
schenkte. Er übertraf seinen Vater, einen der großen Staatsmänner
jener Zeit, an Talenten und Berühmtheit. In seiner Jugend wohnte
er den Reichstagen von Worms und Regensburg und dem Triden-
tinischen Concil (1543) bei, wo er mit vieler Energie und Politik
Franz I. schilderte, den unzertrennbaren Bundesgenossen der Prote¬
stanten und Türken, während die Christenheit ringsumher von Stür¬
men zerrüttet wurde; unter schwierigen Verhältnissen schloß er später
den Vertrag von Passau ab; mit großer Geschicklichkeit leitete er
von fern die Heirath Philipp's von Spanien mir der Erbin des
englischen Thrones; und er war es, der im Rainen seines neuen
Herrn Frankreich die Bedingungen des Vertrages von Chatecm-
Cambrvsis dictirte. Er war ein Mann von unersättlicher Thätig¬
kett und von solcher Körper- und Geisteskraft, daß er im Nothfalle
Tag und Nacht ununterbrochen arbeiten konnte, ohne Ruhe oder Speise
zu genießen: dies kam ihm übrigens mit Karl V. mehrere Male
zu, denn dieser brauchte Werkzeuge, die ihm selbst glichen. Er war
stets in Nachdenken begriffen oder mit Schreiben beschäftigt, wie dies
seine wunderbare Correspondenz beweist. Strada sagt, er habe eine



Anm. d. Red.
Wir geben diese, demselben Werke entlehnten Stellen über diesen
merkwürdigen Mann, der vierzig Jahre hindurch das Vertrauen des mi߬
trauischen Philipp II. besessen und der mit seinem Herrn das Schicksal einer
Darstellung mit sehr dunklen Farben theilt, gewissermaßen als Komplement '
zu der von Gerlache versuchten Zllustrirung Philipp's: auch für den Minister
spielt Gcrlache die Rolle des Advocaten.
II.
Anton Perrenot von Granvella^).

„Anton Perrenot von Granvella ist einer jener Männer, welche
die Parteien so verschieden beurtheilt haben, daß man noch heute
über die Rolle nicht einig ist, die er in den Uneinigkeiten spielte,
welche unter seiner Verwaltung in Belgien ausbrachen und nachher
in offenen Krieg ausarteten. Von Jugend auf in der trefflichen
Schule Carl's V. gebildet, der hohe Fähigkeiten in ihm erkannte,
ging er in den Dienst Philipp's über, der, nachdem er ihn seiner¬
seits ebenfalls geprüft, ihm zuletzt das vollkommenste Vertrauen
schenkte. Er übertraf seinen Vater, einen der großen Staatsmänner
jener Zeit, an Talenten und Berühmtheit. In seiner Jugend wohnte
er den Reichstagen von Worms und Regensburg und dem Triden-
tinischen Concil (1543) bei, wo er mit vieler Energie und Politik
Franz I. schilderte, den unzertrennbaren Bundesgenossen der Prote¬
stanten und Türken, während die Christenheit ringsumher von Stür¬
men zerrüttet wurde; unter schwierigen Verhältnissen schloß er später
den Vertrag von Passau ab; mit großer Geschicklichkeit leitete er
von fern die Heirath Philipp's von Spanien mir der Erbin des
englischen Thrones; und er war es, der im Rainen seines neuen
Herrn Frankreich die Bedingungen des Vertrages von Chatecm-
Cambrvsis dictirte. Er war ein Mann von unersättlicher Thätig¬
kett und von solcher Körper- und Geisteskraft, daß er im Nothfalle
Tag und Nacht ununterbrochen arbeiten konnte, ohne Ruhe oder Speise
zu genießen: dies kam ihm übrigens mit Karl V. mehrere Male
zu, denn dieser brauchte Werkzeuge, die ihm selbst glichen. Er war
stets in Nachdenken begriffen oder mit Schreiben beschäftigt, wie dies
seine wunderbare Correspondenz beweist. Strada sagt, er habe eine



Anm. d. Red.
Wir geben diese, demselben Werke entlehnten Stellen über diesen
merkwürdigen Mann, der vierzig Jahre hindurch das Vertrauen des mi߬
trauischen Philipp II. besessen und der mit seinem Herrn das Schicksal einer
Darstellung mit sehr dunklen Farben theilt, gewissermaßen als Komplement '
zu der von Gerlache versuchten Zllustrirung Philipp's: auch für den Minister
spielt Gcrlache die Rolle des Advocaten.
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[0149] II. Anton Perrenot von Granvella^). „Anton Perrenot von Granvella ist einer jener Männer, welche die Parteien so verschieden beurtheilt haben, daß man noch heute über die Rolle nicht einig ist, die er in den Uneinigkeiten spielte, welche unter seiner Verwaltung in Belgien ausbrachen und nachher in offenen Krieg ausarteten. Von Jugend auf in der trefflichen Schule Carl's V. gebildet, der hohe Fähigkeiten in ihm erkannte, ging er in den Dienst Philipp's über, der, nachdem er ihn seiner¬ seits ebenfalls geprüft, ihm zuletzt das vollkommenste Vertrauen schenkte. Er übertraf seinen Vater, einen der großen Staatsmänner jener Zeit, an Talenten und Berühmtheit. In seiner Jugend wohnte er den Reichstagen von Worms und Regensburg und dem Triden- tinischen Concil (1543) bei, wo er mit vieler Energie und Politik Franz I. schilderte, den unzertrennbaren Bundesgenossen der Prote¬ stanten und Türken, während die Christenheit ringsumher von Stür¬ men zerrüttet wurde; unter schwierigen Verhältnissen schloß er später den Vertrag von Passau ab; mit großer Geschicklichkeit leitete er von fern die Heirath Philipp's von Spanien mir der Erbin des englischen Thrones; und er war es, der im Rainen seines neuen Herrn Frankreich die Bedingungen des Vertrages von Chatecm- Cambrvsis dictirte. Er war ein Mann von unersättlicher Thätig¬ kett und von solcher Körper- und Geisteskraft, daß er im Nothfalle Tag und Nacht ununterbrochen arbeiten konnte, ohne Ruhe oder Speise zu genießen: dies kam ihm übrigens mit Karl V. mehrere Male zu, denn dieser brauchte Werkzeuge, die ihm selbst glichen. Er war stets in Nachdenken begriffen oder mit Schreiben beschäftigt, wie dies seine wunderbare Correspondenz beweist. Strada sagt, er habe eine Anm. d. Red. Wir geben diese, demselben Werke entlehnten Stellen über diesen merkwürdigen Mann, der vierzig Jahre hindurch das Vertrauen des mi߬ trauischen Philipp II. besessen und der mit seinem Herrn das Schicksal einer Darstellung mit sehr dunklen Farben theilt, gewissermaßen als Komplement ' zu der von Gerlache versuchten Zllustrirung Philipp's: auch für den Minister spielt Gcrlache die Rolle des Advocaten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/149>, abgerufen am 04.05.2024.