Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

solchen Platzhalter 20 Francs zu, um zwei Billete zu kaufen und giebt genau
aus ihn Acht. Wirklich sieht man ihn alle Anstrengungen machen, um zur
Casse vorzudringen, und auch dabei läßt man ihn noch nicht aus den Augen.
Und doch ist er plötzlich verschwunden. Er hat sich nämlich unmerklich immer
mehr und mehr gebückt, bis er endlich mit dem Kopf untertaucht, und nun
durch die Beine der übrigen Menge durchschlüpft. Einige Uhren und Börsen,
die er auf diesem Wege findet, verschmäht er natürlich nicht. Und seid Ihr
so glücklich, ihn am andern Morgen zu treffen, so bedauert er unendlich,
gestern, nachdem es ihm gelungen die Billete zu kaufen, Euch trotz allen Su¬
chen" nicht getroffen zu haben. Es hat ihn dieß Suchen zwei Stunden Zeit
gekostet und er hält den Hut hin und bittet um Entschädigung.




V-iuernfeld'S neueste" Lustspiel.

Hat Bauernfcld seinen Einfluß auf das Burgtheater in dem Grade ver¬
loren, daß er ein neues Stück nicht früher, als in der Mitte des Juni, d. h.
in der unglücklichsten Theaterzeit, kurz vor Eintreten der Ferien, wo ganz
Wien aus dem Lande ist, zur Aufführung bringen konnte? War Deinhard-
stein ein freundlicherer Gönner der Bauernftld'schen Lustspiele, als Holbein?
Der Titel, welchen das Stück führt, "Industrie und Herz," ist eben auch nicht
glücklich. "Herz und Welt," "Industrie und Herz," -- das sieht einander so
ähnlich! Der Inhalt? Wir wollen ihn nicht erzählen: der Leser würde sagen:
das ist ja ein alter Bekannter. Ohnehin besteht der Reiz der Baucrnfeld'schen
Stücke nur im Dialog, und im Interesse des Verfassers mögen wir das Ske¬
lett nicht ohne das Fleisch zeigen. Die Wiener Journale berichte", man habe
Herrn Bauernfeld mehrere Male hervorgerufen. -- . -- . Einer unserer
Freunde schreibt uns aus Wien: "Holbein ist nicht sehr beliebt, weder beim
Publikum noch bei den Schauspielern. Zwar ist sein Streben nach heilsamen
Reformen, besonders hinsichtlich des Finanziellen, höchst rühmlich; allein dies
reicht für seine Stellung nicht aus: es bedarf hier einer geistreichen, gewand¬
ten, lebensvollen Auffassung des Zwecks und der dargebotenen Mittel. Bis
jetzt haben nur zwei Stücke unter seinerLeitung gefallen: "das Glas Wasser"
und "der Sohn der Wildniß." -- Es scheint, als ob unser Freund jener Vor¬
stellung, in welcher Bauernfcld dreimal hervorgerufen wurde, nicht beigewohnt
habe. -- . -- .




solchen Platzhalter 20 Francs zu, um zwei Billete zu kaufen und giebt genau
aus ihn Acht. Wirklich sieht man ihn alle Anstrengungen machen, um zur
Casse vorzudringen, und auch dabei läßt man ihn noch nicht aus den Augen.
Und doch ist er plötzlich verschwunden. Er hat sich nämlich unmerklich immer
mehr und mehr gebückt, bis er endlich mit dem Kopf untertaucht, und nun
durch die Beine der übrigen Menge durchschlüpft. Einige Uhren und Börsen,
die er auf diesem Wege findet, verschmäht er natürlich nicht. Und seid Ihr
so glücklich, ihn am andern Morgen zu treffen, so bedauert er unendlich,
gestern, nachdem es ihm gelungen die Billete zu kaufen, Euch trotz allen Su¬
chen« nicht getroffen zu haben. Es hat ihn dieß Suchen zwei Stunden Zeit
gekostet und er hält den Hut hin und bittet um Entschädigung.




V-iuernfeld'S neueste« Lustspiel.

Hat Bauernfcld seinen Einfluß auf das Burgtheater in dem Grade ver¬
loren, daß er ein neues Stück nicht früher, als in der Mitte des Juni, d. h.
in der unglücklichsten Theaterzeit, kurz vor Eintreten der Ferien, wo ganz
Wien aus dem Lande ist, zur Aufführung bringen konnte? War Deinhard-
stein ein freundlicherer Gönner der Bauernftld'schen Lustspiele, als Holbein?
Der Titel, welchen das Stück führt, „Industrie und Herz," ist eben auch nicht
glücklich. „Herz und Welt," „Industrie und Herz," — das sieht einander so
ähnlich! Der Inhalt? Wir wollen ihn nicht erzählen: der Leser würde sagen:
das ist ja ein alter Bekannter. Ohnehin besteht der Reiz der Baucrnfeld'schen
Stücke nur im Dialog, und im Interesse des Verfassers mögen wir das Ske¬
lett nicht ohne das Fleisch zeigen. Die Wiener Journale berichte», man habe
Herrn Bauernfeld mehrere Male hervorgerufen. — . — . Einer unserer
Freunde schreibt uns aus Wien: „Holbein ist nicht sehr beliebt, weder beim
Publikum noch bei den Schauspielern. Zwar ist sein Streben nach heilsamen
Reformen, besonders hinsichtlich des Finanziellen, höchst rühmlich; allein dies
reicht für seine Stellung nicht aus: es bedarf hier einer geistreichen, gewand¬
ten, lebensvollen Auffassung des Zwecks und der dargebotenen Mittel. Bis
jetzt haben nur zwei Stücke unter seinerLeitung gefallen: „das Glas Wasser"
und „der Sohn der Wildniß." — Es scheint, als ob unser Freund jener Vor¬
stellung, in welcher Bauernfcld dreimal hervorgerufen wurde, nicht beigewohnt
habe. — . — .




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0253" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/266870"/>
            <p xml:id="ID_654" prev="#ID_653"> solchen Platzhalter 20 Francs zu, um zwei Billete zu kaufen und giebt genau<lb/>
aus ihn Acht. Wirklich sieht man ihn alle Anstrengungen machen, um zur<lb/>
Casse vorzudringen, und auch dabei läßt man ihn noch nicht aus den Augen.<lb/>
Und doch ist er plötzlich verschwunden. Er hat sich nämlich unmerklich immer<lb/>
mehr und mehr gebückt, bis er endlich mit dem Kopf untertaucht, und nun<lb/>
durch die Beine der übrigen Menge durchschlüpft. Einige Uhren und Börsen,<lb/>
die er auf diesem Wege findet, verschmäht er natürlich nicht. Und seid Ihr<lb/>
so glücklich, ihn am andern Morgen zu treffen, so bedauert er unendlich,<lb/>
gestern, nachdem es ihm gelungen die Billete zu kaufen, Euch trotz allen Su¬<lb/>
chen« nicht getroffen zu haben. Es hat ihn dieß Suchen zwei Stunden Zeit<lb/>
gekostet und er hält den Hut hin und bittet um Entschädigung.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <div n="3">
              <head> V-iuernfeld'S neueste« Lustspiel.</head><lb/>
              <p xml:id="ID_655"> Hat Bauernfcld seinen Einfluß auf das Burgtheater in dem Grade ver¬<lb/>
loren, daß er ein neues Stück nicht früher, als in der Mitte des Juni, d. h.<lb/>
in der unglücklichsten Theaterzeit, kurz vor Eintreten der Ferien, wo ganz<lb/>
Wien aus dem Lande ist, zur Aufführung bringen konnte? War Deinhard-<lb/>
stein ein freundlicherer Gönner der Bauernftld'schen Lustspiele, als Holbein?<lb/>
Der Titel, welchen das Stück führt, &#x201E;Industrie und Herz," ist eben auch nicht<lb/>
glücklich. &#x201E;Herz und Welt," &#x201E;Industrie und Herz," &#x2014; das sieht einander so<lb/>
ähnlich! Der Inhalt? Wir wollen ihn nicht erzählen: der Leser würde sagen:<lb/>
das ist ja ein alter Bekannter. Ohnehin besteht der Reiz der Baucrnfeld'schen<lb/>
Stücke nur im Dialog, und im Interesse des Verfassers mögen wir das Ske¬<lb/>
lett nicht ohne das Fleisch zeigen. Die Wiener Journale berichte», man habe<lb/>
Herrn Bauernfeld mehrere Male hervorgerufen. &#x2014; . &#x2014; . Einer unserer<lb/>
Freunde schreibt uns aus Wien: &#x201E;Holbein ist nicht sehr beliebt, weder beim<lb/>
Publikum noch bei den Schauspielern. Zwar ist sein Streben nach heilsamen<lb/>
Reformen, besonders hinsichtlich des Finanziellen, höchst rühmlich; allein dies<lb/>
reicht für seine Stellung nicht aus: es bedarf hier einer geistreichen, gewand¬<lb/>
ten, lebensvollen Auffassung des Zwecks und der dargebotenen Mittel. Bis<lb/>
jetzt haben nur zwei Stücke unter seinerLeitung gefallen: &#x201E;das Glas Wasser"<lb/>
und &#x201E;der Sohn der Wildniß." &#x2014; Es scheint, als ob unser Freund jener Vor¬<lb/>
stellung, in welcher Bauernfcld dreimal hervorgerufen wurde, nicht beigewohnt<lb/>
habe. &#x2014; . &#x2014; .</p><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0253] solchen Platzhalter 20 Francs zu, um zwei Billete zu kaufen und giebt genau aus ihn Acht. Wirklich sieht man ihn alle Anstrengungen machen, um zur Casse vorzudringen, und auch dabei läßt man ihn noch nicht aus den Augen. Und doch ist er plötzlich verschwunden. Er hat sich nämlich unmerklich immer mehr und mehr gebückt, bis er endlich mit dem Kopf untertaucht, und nun durch die Beine der übrigen Menge durchschlüpft. Einige Uhren und Börsen, die er auf diesem Wege findet, verschmäht er natürlich nicht. Und seid Ihr so glücklich, ihn am andern Morgen zu treffen, so bedauert er unendlich, gestern, nachdem es ihm gelungen die Billete zu kaufen, Euch trotz allen Su¬ chen« nicht getroffen zu haben. Es hat ihn dieß Suchen zwei Stunden Zeit gekostet und er hält den Hut hin und bittet um Entschädigung. V-iuernfeld'S neueste« Lustspiel. Hat Bauernfcld seinen Einfluß auf das Burgtheater in dem Grade ver¬ loren, daß er ein neues Stück nicht früher, als in der Mitte des Juni, d. h. in der unglücklichsten Theaterzeit, kurz vor Eintreten der Ferien, wo ganz Wien aus dem Lande ist, zur Aufführung bringen konnte? War Deinhard- stein ein freundlicherer Gönner der Bauernftld'schen Lustspiele, als Holbein? Der Titel, welchen das Stück führt, „Industrie und Herz," ist eben auch nicht glücklich. „Herz und Welt," „Industrie und Herz," — das sieht einander so ähnlich! Der Inhalt? Wir wollen ihn nicht erzählen: der Leser würde sagen: das ist ja ein alter Bekannter. Ohnehin besteht der Reiz der Baucrnfeld'schen Stücke nur im Dialog, und im Interesse des Verfassers mögen wir das Ske¬ lett nicht ohne das Fleisch zeigen. Die Wiener Journale berichte», man habe Herrn Bauernfeld mehrere Male hervorgerufen. — . — . Einer unserer Freunde schreibt uns aus Wien: „Holbein ist nicht sehr beliebt, weder beim Publikum noch bei den Schauspielern. Zwar ist sein Streben nach heilsamen Reformen, besonders hinsichtlich des Finanziellen, höchst rühmlich; allein dies reicht für seine Stellung nicht aus: es bedarf hier einer geistreichen, gewand¬ ten, lebensvollen Auffassung des Zwecks und der dargebotenen Mittel. Bis jetzt haben nur zwei Stücke unter seinerLeitung gefallen: „das Glas Wasser" und „der Sohn der Wildniß." — Es scheint, als ob unser Freund jener Vor¬ stellung, in welcher Bauernfcld dreimal hervorgerufen wurde, nicht beigewohnt habe. — . — .

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/253
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/253>, abgerufen am 04.05.2024.