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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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Wilde Blumen von Joseph Mendelssohn.

Viel Dilettantismus, wenig Eigenthümlichkeit, aber manches hübsche sang¬
bare Lied. Letzteres ist kein geringes Lob in unserer didaktischen Zeit, welche
die Liedercomponistcn zur Verzweiflung bringen könnte. In dieser Gedicht¬
sammlung finden diese Herren manchen dankbaren Stoss in leichter Versisication
mit nicht allzuschweren Gedankenballast, gerade wie sie es brauchen können.




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Noch einige Details über Rossini.

Rossini, dessen Ruhm dem Meucrbcer's um so viele Jahre vorcmeilte, ist
doch nur um zwei Jahre älter, als dieser. So frühzeitig reift das Genie in
den südlichen Ländern. Bekanntlich ist Rossini der Sohn eines armen Teufels,
der als Waldhornist bei einer wandernden Theatertruppc ganz Italien mit
seiner Familie durchzog, im heißen Sommer, wie im kalten Winter baarfufi,
armselig gekleidet und der in Dörfern, deren Namen man kaum kennt, mit
jener erbärmlichen Truppe Opern aufführte. Mit einem solchen Vater zog der
junge Rossini bis zu seinem zwölften Jahre herum, indem er die Secunde der
Waldhornpartien vor rohen Bauern und wilden Hirten spielte. Seine geisti¬
gen Kräfte, die schon damals hervorragten, verschafften ihm die Aussicht, bei
der Truppe als Cymbalschlägcr angestellt zu werden. Endlich ward er halb
aus Mitleid in der Bologner Musikschule in die Contrapunct-Classe aufgenom¬
men; da aber machte er so reißende Fortschritte, daß er in seinem sechzehnten
Jahre eine Cantate und zwei Jahre darauf seine erste Oper aufführen ließ.
In seinem zwanzigsten Jahre, 1812, schrieb er in dem kurzen Zeitraum von
eilf Monaten fünf große Opern für fünf verschiedene Theater Italiens. Im
Jahre darauf begann sein Ruhm durch die Opern "Trancred" und "die Ita¬
liener in Algier" größer und ausgebreiteter zu werden. Von da an folgten
seine Arbeiten mit unbegreiflicher Schnelle eine der andern. Im Jahre I82Z
aber fühlte sich der Künstler durch den mittelmäßigen Erfolg, den seine "Se?
miramis" in Venedig erhielt, verletzt; er verließ Italien, hielt sich in Paris
nur kurze Zeit auf, und eilte nach London, wo er fünf Monate blieb. Dort
verlor er seine Zeit nicht; denn der Ertrag für Concerte und Lectionen belief
sich auf 250,000 Fras-, d. h. beinahe 1700 Fras. jeden Tag. Darauf kam er
nach Paris zurück, übernahm daselbst die Direction der italienischen Oper,
die sich damals in blühendem Zustande befand, die aber durch seine Unthätig-
keit und Faulheit ihrem Untergange nahe gebracht ward, so daß man sich ge-


Wilde Blumen von Joseph Mendelssohn.

Viel Dilettantismus, wenig Eigenthümlichkeit, aber manches hübsche sang¬
bare Lied. Letzteres ist kein geringes Lob in unserer didaktischen Zeit, welche
die Liedercomponistcn zur Verzweiflung bringen könnte. In dieser Gedicht¬
sammlung finden diese Herren manchen dankbaren Stoss in leichter Versisication
mit nicht allzuschweren Gedankenballast, gerade wie sie es brauchen können.




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Noch einige Details über Rossini.

Rossini, dessen Ruhm dem Meucrbcer's um so viele Jahre vorcmeilte, ist
doch nur um zwei Jahre älter, als dieser. So frühzeitig reift das Genie in
den südlichen Ländern. Bekanntlich ist Rossini der Sohn eines armen Teufels,
der als Waldhornist bei einer wandernden Theatertruppc ganz Italien mit
seiner Familie durchzog, im heißen Sommer, wie im kalten Winter baarfufi,
armselig gekleidet und der in Dörfern, deren Namen man kaum kennt, mit
jener erbärmlichen Truppe Opern aufführte. Mit einem solchen Vater zog der
junge Rossini bis zu seinem zwölften Jahre herum, indem er die Secunde der
Waldhornpartien vor rohen Bauern und wilden Hirten spielte. Seine geisti¬
gen Kräfte, die schon damals hervorragten, verschafften ihm die Aussicht, bei
der Truppe als Cymbalschlägcr angestellt zu werden. Endlich ward er halb
aus Mitleid in der Bologner Musikschule in die Contrapunct-Classe aufgenom¬
men; da aber machte er so reißende Fortschritte, daß er in seinem sechzehnten
Jahre eine Cantate und zwei Jahre darauf seine erste Oper aufführen ließ.
In seinem zwanzigsten Jahre, 1812, schrieb er in dem kurzen Zeitraum von
eilf Monaten fünf große Opern für fünf verschiedene Theater Italiens. Im
Jahre darauf begann sein Ruhm durch die Opern „Trancred" und „die Ita¬
liener in Algier" größer und ausgebreiteter zu werden. Von da an folgten
seine Arbeiten mit unbegreiflicher Schnelle eine der andern. Im Jahre I82Z
aber fühlte sich der Künstler durch den mittelmäßigen Erfolg, den seine „Se?
miramis" in Venedig erhielt, verletzt; er verließ Italien, hielt sich in Paris
nur kurze Zeit auf, und eilte nach London, wo er fünf Monate blieb. Dort
verlor er seine Zeit nicht; denn der Ertrag für Concerte und Lectionen belief
sich auf 250,000 Fras-, d. h. beinahe 1700 Fras. jeden Tag. Darauf kam er
nach Paris zurück, übernahm daselbst die Direction der italienischen Oper,
die sich damals in blühendem Zustande befand, die aber durch seine Unthätig-
keit und Faulheit ihrem Untergange nahe gebracht ward, so daß man sich ge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/494>, abgerufen am 04.05.2024.