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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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i.
Aus Frankfurt.

Die Stadt. Fleischmctzger und KülbSmetzger, ein Lustspiel, Der Ccrrcspondent Ebner.
, Der Bundestag und die Journale. Litcrciten.

Sie haben eine allzuvortheilhafte Meinung von unserer Stadt, mein Freund,
wenn Sie glauben, baß sie "ein ewiger Anregungspunkt für Correspondenzen,"
wie Sie sich ausdrücken, sei. Frankfurt gleicht jenen von der Natur be¬
günstigten und vom Schicksal verfolgten Menschen, die, bei den besten Anlagen,
bei dem besten Willen, es in ihrem Leben zu nichts bringen können. In der
Mitte Deutschlands gelegen, historisch wie geographisch zu einem Mittelpunkt
des Vaterlandes gestempelt, ist sie dennoch nichts als.ein Übergangspunkt,
eine Brücke, eine Furt; Alles zieht an ihr vorüber, ohne sich heimatlich dort
niederzulassen. Eine sreie Reichsstadt -- ist sie doch weit gebundener und
unfreier, als irgend eine andere, welche diesen stolzen Titel nicht führt. Nicht
durch äußere Verhältnisse, weil sie sich als Sitz des Bundestages oder gewisser¬
maßen als österreichische Garnisonsstadt beengt fühlt, sondern durch innere
Mißbestände, weil sie in ihrer Freiheit hundert kleine despotische Elemente des
Mittelalters eingewebt hat. Die Despotie gegen die Beisassen, gegen die Ju¬
den, die Zunfteinrichtungen und zahlreiche ähnliche Dinge, welche mit dem
Begriff der modernen Freiheit unvereinbar sind. Es wäre kein undankbares
Geschäft, die Blätter unserer Stadtordnung mit heiterer Laune zu durchstrei¬
fen und die komischen Züge derselben auszubeuten. So z. B. könnte man ein
allerliebstes Lustspiel aus den Einrichtungen unserer Metzgerzunft gewinnen. Sie


T a g e b u ni).



i.
Aus Frankfurt.

Die Stadt. Fleischmctzger und KülbSmetzger, ein Lustspiel, Der Ccrrcspondent Ebner.
, Der Bundestag und die Journale. Litcrciten.

Sie haben eine allzuvortheilhafte Meinung von unserer Stadt, mein Freund,
wenn Sie glauben, baß sie „ein ewiger Anregungspunkt für Correspondenzen,"
wie Sie sich ausdrücken, sei. Frankfurt gleicht jenen von der Natur be¬
günstigten und vom Schicksal verfolgten Menschen, die, bei den besten Anlagen,
bei dem besten Willen, es in ihrem Leben zu nichts bringen können. In der
Mitte Deutschlands gelegen, historisch wie geographisch zu einem Mittelpunkt
des Vaterlandes gestempelt, ist sie dennoch nichts als.ein Übergangspunkt,
eine Brücke, eine Furt; Alles zieht an ihr vorüber, ohne sich heimatlich dort
niederzulassen. Eine sreie Reichsstadt — ist sie doch weit gebundener und
unfreier, als irgend eine andere, welche diesen stolzen Titel nicht führt. Nicht
durch äußere Verhältnisse, weil sie sich als Sitz des Bundestages oder gewisser¬
maßen als österreichische Garnisonsstadt beengt fühlt, sondern durch innere
Mißbestände, weil sie in ihrer Freiheit hundert kleine despotische Elemente des
Mittelalters eingewebt hat. Die Despotie gegen die Beisassen, gegen die Ju¬
den, die Zunfteinrichtungen und zahlreiche ähnliche Dinge, welche mit dem
Begriff der modernen Freiheit unvereinbar sind. Es wäre kein undankbares
Geschäft, die Blätter unserer Stadtordnung mit heiterer Laune zu durchstrei¬
fen und die komischen Züge derselben auszubeuten. So z. B. könnte man ein
allerliebstes Lustspiel aus den Einrichtungen unserer Metzgerzunft gewinnen. Sie


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[0097] T a g e b u ni). i. Aus Frankfurt. Die Stadt. Fleischmctzger und KülbSmetzger, ein Lustspiel, Der Ccrrcspondent Ebner. , Der Bundestag und die Journale. Litcrciten. Sie haben eine allzuvortheilhafte Meinung von unserer Stadt, mein Freund, wenn Sie glauben, baß sie „ein ewiger Anregungspunkt für Correspondenzen," wie Sie sich ausdrücken, sei. Frankfurt gleicht jenen von der Natur be¬ günstigten und vom Schicksal verfolgten Menschen, die, bei den besten Anlagen, bei dem besten Willen, es in ihrem Leben zu nichts bringen können. In der Mitte Deutschlands gelegen, historisch wie geographisch zu einem Mittelpunkt des Vaterlandes gestempelt, ist sie dennoch nichts als.ein Übergangspunkt, eine Brücke, eine Furt; Alles zieht an ihr vorüber, ohne sich heimatlich dort niederzulassen. Eine sreie Reichsstadt — ist sie doch weit gebundener und unfreier, als irgend eine andere, welche diesen stolzen Titel nicht führt. Nicht durch äußere Verhältnisse, weil sie sich als Sitz des Bundestages oder gewisser¬ maßen als österreichische Garnisonsstadt beengt fühlt, sondern durch innere Mißbestände, weil sie in ihrer Freiheit hundert kleine despotische Elemente des Mittelalters eingewebt hat. Die Despotie gegen die Beisassen, gegen die Ju¬ den, die Zunfteinrichtungen und zahlreiche ähnliche Dinge, welche mit dem Begriff der modernen Freiheit unvereinbar sind. Es wäre kein undankbares Geschäft, die Blätter unserer Stadtordnung mit heiterer Laune zu durchstrei¬ fen und die komischen Züge derselben auszubeuten. So z. B. könnte man ein allerliebstes Lustspiel aus den Einrichtungen unserer Metzgerzunft gewinnen. Sie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/97>, abgerufen am 03.05.2024.