Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

Bild:
<< vorherige Seite
Aus Paris,
Von A> W,



Hugos längst angekündigte Briefe über den Rhein sind endlich erschienen.
Sie sind eben so langweilig als interessant. Dieser Ausspruch enthält scheinbar
.einen Widerspruch, im Grunde aber ist er wahr. Wenn Hugo geschichtlich geogra¬
phische Architektur beschreibt, ist er langweilig, wenn er sich irrt -- auf Deutsch
lügt, -- ist er langweilig hingegen wenn er einfach seine Eindrücke wiedergiebt,
wenn er oft die deutschen Rbeinlegeudcn poetisch erzählt, ist er interessant. Von
Gesetz, Logik oder Plan, keine Spur. Da schwärmt er fiir den Frieden, einige
Blätter weiter fiir den Krieg, hier ist der Rhein deutsch, dort erwartet er die Fran¬
zosen. Da ist ,er Philosoph, dort Journalist, kurz die Reise selbst ist beständig auf
der Reift. Hugo fängt an und macht CaleinbourS, und oft meisterhaft schlechte.
Wenn das Buch um die Hälfte kleiner wäre, würde es ein gutes Buch sein. Hugo
hätte sich ein Beispiel am Rhein nehmen sollen. Da wo er am schmnlstcn ist, ist
kr am interessantesten.

Was sagen Sie zu den deutschen Studenten, die auf einem Waumsturz die
Chöre von Mlle. Berlin's Esmeralda auf deutsch singen? Hugo behauptet dies in
seinen Briefen, freilich, um den Debatö zu gefallen. Wenn man hier poetisch lü¬
gen will, legt man es deutschen Studenten bei. Zuletzt lernen sie noch Berlioz
Partituren und Hugos Architektur auswendig -- oder gar Guizot'S Thronrede.

Hugo spricht ferner in seinen Briefen von dem Schweizer in dem Aachener
Dom, den er für einen Franzosen Mi. "Jener Mann ist jedoch ein ehrlicher dum¬
mer Deutscher." Man sieht, daß Hugo Poet ist.

Ein Artikel darin ist mit deutschen Worten Feuer unterschrieben. Bingen sei
ein Ipsilon, sagt er, und über dem Mäusethurm untersucht er, ob es von
Maus^odcr Mauth kommt. Die Frankfurter Judengasse beschreibt er jedoch hübsch.

Die ministeriellen Blätter freuen sich, daß in diesem Jahr die Falkner nicht so
häusig gewesen^sind als in dem vergangenen Jahr. -- Die Statistik ist folgende-
- 803 Falkner, tL41 -- SO?. -- Nun sage man noch, das Ministerium
sei nicht zufrieden.


Aus Paris,
Von A> W,



Hugos längst angekündigte Briefe über den Rhein sind endlich erschienen.
Sie sind eben so langweilig als interessant. Dieser Ausspruch enthält scheinbar
.einen Widerspruch, im Grunde aber ist er wahr. Wenn Hugo geschichtlich geogra¬
phische Architektur beschreibt, ist er langweilig, wenn er sich irrt — auf Deutsch
lügt, — ist er langweilig hingegen wenn er einfach seine Eindrücke wiedergiebt,
wenn er oft die deutschen Rbeinlegeudcn poetisch erzählt, ist er interessant. Von
Gesetz, Logik oder Plan, keine Spur. Da schwärmt er fiir den Frieden, einige
Blätter weiter fiir den Krieg, hier ist der Rhein deutsch, dort erwartet er die Fran¬
zosen. Da ist ,er Philosoph, dort Journalist, kurz die Reise selbst ist beständig auf
der Reift. Hugo fängt an und macht CaleinbourS, und oft meisterhaft schlechte.
Wenn das Buch um die Hälfte kleiner wäre, würde es ein gutes Buch sein. Hugo
hätte sich ein Beispiel am Rhein nehmen sollen. Da wo er am schmnlstcn ist, ist
kr am interessantesten.

Was sagen Sie zu den deutschen Studenten, die auf einem Waumsturz die
Chöre von Mlle. Berlin's Esmeralda auf deutsch singen? Hugo behauptet dies in
seinen Briefen, freilich, um den Debatö zu gefallen. Wenn man hier poetisch lü¬
gen will, legt man es deutschen Studenten bei. Zuletzt lernen sie noch Berlioz
Partituren und Hugos Architektur auswendig — oder gar Guizot'S Thronrede.

Hugo spricht ferner in seinen Briefen von dem Schweizer in dem Aachener
Dom, den er für einen Franzosen Mi. »Jener Mann ist jedoch ein ehrlicher dum¬
mer Deutscher.« Man sieht, daß Hugo Poet ist.

Ein Artikel darin ist mit deutschen Worten Feuer unterschrieben. Bingen sei
ein Ipsilon, sagt er, und über dem Mäusethurm untersucht er, ob es von
Maus^odcr Mauth kommt. Die Frankfurter Judengasse beschreibt er jedoch hübsch.

Die ministeriellen Blätter freuen sich, daß in diesem Jahr die Falkner nicht so
häusig gewesen^sind als in dem vergangenen Jahr. — Die Statistik ist folgende-
- 803 Falkner, tL41 — SO?. — Nun sage man noch, das Ministerium
sei nicht zufrieden.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0105" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/267320"/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Aus Paris,<lb/><note type="byline"> Von A&gt; W,</note></head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p xml:id="ID_650"> Hugos längst angekündigte Briefe über den Rhein sind endlich erschienen.<lb/>
Sie sind eben so langweilig als interessant. Dieser Ausspruch enthält scheinbar<lb/>
.einen Widerspruch, im Grunde aber ist er wahr. Wenn Hugo geschichtlich geogra¬<lb/>
phische Architektur beschreibt, ist er langweilig, wenn er sich irrt &#x2014; auf Deutsch<lb/>
lügt, &#x2014; ist er langweilig hingegen wenn er einfach seine Eindrücke wiedergiebt,<lb/>
wenn er oft die deutschen Rbeinlegeudcn poetisch erzählt, ist er interessant. Von<lb/>
Gesetz, Logik oder Plan, keine Spur. Da schwärmt er fiir den Frieden, einige<lb/>
Blätter weiter fiir den Krieg, hier ist der Rhein deutsch, dort erwartet er die Fran¬<lb/>
zosen. Da ist ,er Philosoph, dort Journalist, kurz die Reise selbst ist beständig auf<lb/>
der Reift. Hugo fängt an und macht CaleinbourS, und oft meisterhaft schlechte.<lb/>
Wenn das Buch um die Hälfte kleiner wäre, würde es ein gutes Buch sein. Hugo<lb/>
hätte sich ein Beispiel am Rhein nehmen sollen. Da wo er am schmnlstcn ist, ist<lb/>
kr am interessantesten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_651"> Was sagen Sie zu den deutschen Studenten, die auf einem Waumsturz die<lb/>
Chöre von Mlle. Berlin's Esmeralda auf deutsch singen? Hugo behauptet dies in<lb/>
seinen Briefen, freilich, um den Debatö zu gefallen. Wenn man hier poetisch lü¬<lb/>
gen will, legt man es deutschen Studenten bei. Zuletzt lernen sie noch Berlioz<lb/>
Partituren und Hugos Architektur auswendig &#x2014; oder gar Guizot'S Thronrede.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_652"> Hugo spricht ferner in seinen Briefen von dem Schweizer in dem Aachener<lb/>
Dom, den er für einen Franzosen Mi. »Jener Mann ist jedoch ein ehrlicher dum¬<lb/>
mer Deutscher.« Man sieht, daß Hugo Poet ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_653"> Ein Artikel darin ist mit deutschen Worten Feuer unterschrieben. Bingen sei<lb/>
ein Ipsilon, sagt er, und über dem Mäusethurm untersucht er, ob es von<lb/>
Maus^odcr Mauth kommt. Die Frankfurter Judengasse beschreibt er jedoch hübsch.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_654"> Die ministeriellen Blätter freuen sich, daß in diesem Jahr die Falkner nicht so<lb/>
häusig gewesen^sind als in dem vergangenen Jahr. &#x2014; Die Statistik ist folgende-<lb/>
- 803 Falkner, tL41 &#x2014; SO?. &#x2014; Nun sage man noch, das Ministerium<lb/>
sei nicht zufrieden.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0105] Aus Paris, Von A> W, Hugos längst angekündigte Briefe über den Rhein sind endlich erschienen. Sie sind eben so langweilig als interessant. Dieser Ausspruch enthält scheinbar .einen Widerspruch, im Grunde aber ist er wahr. Wenn Hugo geschichtlich geogra¬ phische Architektur beschreibt, ist er langweilig, wenn er sich irrt — auf Deutsch lügt, — ist er langweilig hingegen wenn er einfach seine Eindrücke wiedergiebt, wenn er oft die deutschen Rbeinlegeudcn poetisch erzählt, ist er interessant. Von Gesetz, Logik oder Plan, keine Spur. Da schwärmt er fiir den Frieden, einige Blätter weiter fiir den Krieg, hier ist der Rhein deutsch, dort erwartet er die Fran¬ zosen. Da ist ,er Philosoph, dort Journalist, kurz die Reise selbst ist beständig auf der Reift. Hugo fängt an und macht CaleinbourS, und oft meisterhaft schlechte. Wenn das Buch um die Hälfte kleiner wäre, würde es ein gutes Buch sein. Hugo hätte sich ein Beispiel am Rhein nehmen sollen. Da wo er am schmnlstcn ist, ist kr am interessantesten. Was sagen Sie zu den deutschen Studenten, die auf einem Waumsturz die Chöre von Mlle. Berlin's Esmeralda auf deutsch singen? Hugo behauptet dies in seinen Briefen, freilich, um den Debatö zu gefallen. Wenn man hier poetisch lü¬ gen will, legt man es deutschen Studenten bei. Zuletzt lernen sie noch Berlioz Partituren und Hugos Architektur auswendig — oder gar Guizot'S Thronrede. Hugo spricht ferner in seinen Briefen von dem Schweizer in dem Aachener Dom, den er für einen Franzosen Mi. »Jener Mann ist jedoch ein ehrlicher dum¬ mer Deutscher.« Man sieht, daß Hugo Poet ist. Ein Artikel darin ist mit deutschen Worten Feuer unterschrieben. Bingen sei ein Ipsilon, sagt er, und über dem Mäusethurm untersucht er, ob es von Maus^odcr Mauth kommt. Die Frankfurter Judengasse beschreibt er jedoch hübsch. Die ministeriellen Blätter freuen sich, daß in diesem Jahr die Falkner nicht so häusig gewesen^sind als in dem vergangenen Jahr. — Die Statistik ist folgende- - 803 Falkner, tL41 — SO?. — Nun sage man noch, das Ministerium sei nicht zufrieden.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/105
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/105>, abgerufen am 04.05.2024.