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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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' Die AlbUnts >' unsrer Zeit ' sind oft nur Werke der Speculation; man
schätzt ein Album nach seinem positiven Werth, und wenn mitten unter
den Zeichnungen, Skizzen, Abrissen, deren Ankaufs- und möglichen Ver-
kaufs-Preis der Eigenthümer dem Beschauer stets auf's Genaueste mit¬
theilt, wenn sich da zufällig Verse oder Gedanken mit einer Unterschrist
finden, so sind diese Verse oder Gedanken nicht Erinnerungen von Freun¬
den, sondern Bescheinigungen, daß man einmal in seinem Leben so glück¬
lich war, dem oder jenem großen Mann, der oder- jener großen Frau zu
begegnen. In den meisten Fällen hat ein Album einen bestimmten Geld-
werth, unter den Activen des Besitzers; wenn er es nicht - schon
längst gegen einen Coupon Drei-Proccntige oder gegen eine Asphalt-
Actie ausgetauscht hat, so hat das seinen einzigen Grund nur darin,
daß er noch keinen Käufer gefunden, der ihm einen vernünftigen --
oder vielleicht unvernünftigen -- Preis geboten, oder-weil die Asphalt-
Actien gar zu sehr herabgehn.

Man sagt heutzutage nicht mehr: Herr Der und Der hat ein merk¬
würdiges Album, worin sich eine Skizze von Dürer, ein Autograph
von Napoleon, eine Unterschrift vom General Blücher, zwei Zeilen
von Fieschi's Hand befinden; nein man sagt: Herr Der und Der hat
ein Album,- das 10000 Thaler werth ist; man hat ihm 9S00 Thaler
geboten, aber er will auch nicht einen Heller nachlassen. Das-ist eine
Neue Umwandlung des Albums; es ist zwar noch ein Gegenstand der
Eitelkeit geblieben, aber vor Allem ist es ein-Handels-Object, ein Mit¬
tel des Schachers, ja sogar der Betrügerei mitKunstgcgcnständcn. Un¬
ter, 10000 Albums find etwa 3 -- 4 kostbare, >von denen man sagen
kann, daß sie wirklich das Eigenthum einiger reichen Personen sind und
etwa 10--12 solcher Sammlungen sind wirklich mit Liebe und sorgfäl¬
tiger Auswahl von geschmackvollen Leuten angelegt worden; der ganze
große Nest aber erwartet nur seinen Erwerber im Ganzen oder im
Einzelnen, und man rechnet auf ihren Verkauf, wie auf den eines
Stückes Land, um sich dafür ein Möbel, einen schönen Teppich und so
dergleichen anzuschaffen. Man ist-nicht mehr sentimental, man ist praktisch!


, II.
Albums und andere' Thorheiten.

Seitdem,um die Skizzen, Zeichnungen und Aquarellgemälde einen
Werth erlangt haben, den man in gemeiner Münze ausdrückt, hat sich der


' Die AlbUnts >' unsrer Zeit ' sind oft nur Werke der Speculation; man
schätzt ein Album nach seinem positiven Werth, und wenn mitten unter
den Zeichnungen, Skizzen, Abrissen, deren Ankaufs- und möglichen Ver-
kaufs-Preis der Eigenthümer dem Beschauer stets auf's Genaueste mit¬
theilt, wenn sich da zufällig Verse oder Gedanken mit einer Unterschrist
finden, so sind diese Verse oder Gedanken nicht Erinnerungen von Freun¬
den, sondern Bescheinigungen, daß man einmal in seinem Leben so glück¬
lich war, dem oder jenem großen Mann, der oder- jener großen Frau zu
begegnen. In den meisten Fällen hat ein Album einen bestimmten Geld-
werth, unter den Activen des Besitzers; wenn er es nicht - schon
längst gegen einen Coupon Drei-Proccntige oder gegen eine Asphalt-
Actie ausgetauscht hat, so hat das seinen einzigen Grund nur darin,
daß er noch keinen Käufer gefunden, der ihm einen vernünftigen —
oder vielleicht unvernünftigen — Preis geboten, oder-weil die Asphalt-
Actien gar zu sehr herabgehn.

Man sagt heutzutage nicht mehr: Herr Der und Der hat ein merk¬
würdiges Album, worin sich eine Skizze von Dürer, ein Autograph
von Napoleon, eine Unterschrift vom General Blücher, zwei Zeilen
von Fieschi's Hand befinden; nein man sagt: Herr Der und Der hat
ein Album,- das 10000 Thaler werth ist; man hat ihm 9S00 Thaler
geboten, aber er will auch nicht einen Heller nachlassen. Das-ist eine
Neue Umwandlung des Albums; es ist zwar noch ein Gegenstand der
Eitelkeit geblieben, aber vor Allem ist es ein-Handels-Object, ein Mit¬
tel des Schachers, ja sogar der Betrügerei mitKunstgcgcnständcn. Un¬
ter, 10000 Albums find etwa 3 — 4 kostbare, >von denen man sagen
kann, daß sie wirklich das Eigenthum einiger reichen Personen sind und
etwa 10—12 solcher Sammlungen sind wirklich mit Liebe und sorgfäl¬
tiger Auswahl von geschmackvollen Leuten angelegt worden; der ganze
große Nest aber erwartet nur seinen Erwerber im Ganzen oder im
Einzelnen, und man rechnet auf ihren Verkauf, wie auf den eines
Stückes Land, um sich dafür ein Möbel, einen schönen Teppich und so
dergleichen anzuschaffen. Man ist-nicht mehr sentimental, man ist praktisch!


, II.
Albums und andere' Thorheiten.

Seitdem,um die Skizzen, Zeichnungen und Aquarellgemälde einen
Werth erlangt haben, den man in gemeiner Münze ausdrückt, hat sich der


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[0208] ' Die AlbUnts >' unsrer Zeit ' sind oft nur Werke der Speculation; man schätzt ein Album nach seinem positiven Werth, und wenn mitten unter den Zeichnungen, Skizzen, Abrissen, deren Ankaufs- und möglichen Ver- kaufs-Preis der Eigenthümer dem Beschauer stets auf's Genaueste mit¬ theilt, wenn sich da zufällig Verse oder Gedanken mit einer Unterschrist finden, so sind diese Verse oder Gedanken nicht Erinnerungen von Freun¬ den, sondern Bescheinigungen, daß man einmal in seinem Leben so glück¬ lich war, dem oder jenem großen Mann, der oder- jener großen Frau zu begegnen. In den meisten Fällen hat ein Album einen bestimmten Geld- werth, unter den Activen des Besitzers; wenn er es nicht - schon längst gegen einen Coupon Drei-Proccntige oder gegen eine Asphalt- Actie ausgetauscht hat, so hat das seinen einzigen Grund nur darin, daß er noch keinen Käufer gefunden, der ihm einen vernünftigen — oder vielleicht unvernünftigen — Preis geboten, oder-weil die Asphalt- Actien gar zu sehr herabgehn. Man sagt heutzutage nicht mehr: Herr Der und Der hat ein merk¬ würdiges Album, worin sich eine Skizze von Dürer, ein Autograph von Napoleon, eine Unterschrift vom General Blücher, zwei Zeilen von Fieschi's Hand befinden; nein man sagt: Herr Der und Der hat ein Album,- das 10000 Thaler werth ist; man hat ihm 9S00 Thaler geboten, aber er will auch nicht einen Heller nachlassen. Das-ist eine Neue Umwandlung des Albums; es ist zwar noch ein Gegenstand der Eitelkeit geblieben, aber vor Allem ist es ein-Handels-Object, ein Mit¬ tel des Schachers, ja sogar der Betrügerei mitKunstgcgcnständcn. Un¬ ter, 10000 Albums find etwa 3 — 4 kostbare, >von denen man sagen kann, daß sie wirklich das Eigenthum einiger reichen Personen sind und etwa 10—12 solcher Sammlungen sind wirklich mit Liebe und sorgfäl¬ tiger Auswahl von geschmackvollen Leuten angelegt worden; der ganze große Nest aber erwartet nur seinen Erwerber im Ganzen oder im Einzelnen, und man rechnet auf ihren Verkauf, wie auf den eines Stückes Land, um sich dafür ein Möbel, einen schönen Teppich und so dergleichen anzuschaffen. Man ist-nicht mehr sentimental, man ist praktisch! , II. Albums und andere' Thorheiten. Seitdem,um die Skizzen, Zeichnungen und Aquarellgemälde einen Werth erlangt haben, den man in gemeiner Münze ausdrückt, hat sich der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/208>, abgerufen am 04.05.2024.