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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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so großer Geschicklichkeit ablegt, in frühester Jugend angefangen; d"um schon von
seinem 7ten Jahre an spielte er die Harfe. Mag man auch immer gemeinhin be¬
haupten, daß das Genie sich von selbst entwickelt, ohne daß eS bei denen, welchen
die'Natur diesen Vorzug verliehen, durch die gewöhnliche-Verfahrungsweise der Er¬
ziehung hervorgerufen zu werden braucht; die Erfahrung belehrt uns eines Besse¬
ren, daß nämlich in der Malerei wie in der Musir nur diejenigen zu einem großen
Talent und einem großen Ruf gelangt sind, welche früh den Mechanismus ihrer
Kunst emsig studirt haben. Und auf diesem Wege ist es auch Herrn Labarre
gelungen, den in unserm Jahrhundert so seltenen Vortheil zu erlangen, daß er
unbestritten der Erste in dem von ihm cultidirtcn Kunstzweige ist. Nicht allein
k.an kein andrer Harfenist in Bezug aufs Spiel mit ihm verglichen werden;
sondern er hat auch noch das Verdienst, daß er durch die Kraft feines Talents
sein Instrument vor dem Loose bewahrt hat, das ihm drohte, näm¬
lich der Vergessenheit anheimzufallen. Ohne ihn, ohne seine Compositionen fiir
die Harfe würde man sie auf dem europäischen Festland? nicht mehr spielen.
Die Harfenisten von vor etwa 60 Jahren würden erstaunen, wenn sie hören
könnten, wie das zu ihrer Zeit so beschränkte Instrument in Herrn Labarrc's
Händen die Fähigkeit gewonnen bat, eine Musik wiederzugeben, deren Ausfüh¬
rung selbst Pianisten für ihr Instrument schwierig finden würden.




Das HcrrmannS-Denkmal hat auch in Belgien Beiträge gefunden. Herr von
Voigt, ein Hanovcraner, hat sich die Mühe genommen, in Brüssel,-Antwerpen,
Gent in. eine Subscription zu eröffnen, die bereits auf eine Summe von 1000
Franken sich belaufen soll. Die deutschen Consuln in diesen Städten werden den
vollständigen Ertrag in Empfang nehmen^ und ihn direkt um das Comite- einsenden.




Mord und Tvdtschlc-ü!

Mit jedem Tage drängt sich uns die Frage von Neuem auf, ob die Religion
wirklich ein Mittel sei, um Ordnung zu erhalten, und Verbrechen zu verhindern?
Belgien steht im Rufe eines strengen CatholiciömuS, und doch giebt es in dem
civilisirten Europa kaum ein zweites Land, wo die Mordthaten und sonstige ver¬
brecherische Angriffe gegen die Gesellschaft sich fo häufig wiederholen, als hier. Fast
jeden Tag bringen die Journale die Nachricht von einer Schauderthat, und so eben
lesen wir, daß in Flandern innerhalb eines einzigen Tages, im Umkreise von we¬
nigen Stunden, zwei verschiedene, nicht im Zusammenhang stehende Morde verübt
wurden. Die gestrigen officiellen Tagesblätter erzählten von einem Mord in Wul-
vcningcn, den ein 23jähriger Mensch an einer 70jährigen Bettlerin verübte, um
sie eines halben Francs zu berauben, und heute finden wir die Anzeige einer ahn-


so großer Geschicklichkeit ablegt, in frühester Jugend angefangen; d«um schon von
seinem 7ten Jahre an spielte er die Harfe. Mag man auch immer gemeinhin be¬
haupten, daß das Genie sich von selbst entwickelt, ohne daß eS bei denen, welchen
die'Natur diesen Vorzug verliehen, durch die gewöhnliche-Verfahrungsweise der Er¬
ziehung hervorgerufen zu werden braucht; die Erfahrung belehrt uns eines Besse¬
ren, daß nämlich in der Malerei wie in der Musir nur diejenigen zu einem großen
Talent und einem großen Ruf gelangt sind, welche früh den Mechanismus ihrer
Kunst emsig studirt haben. Und auf diesem Wege ist es auch Herrn Labarre
gelungen, den in unserm Jahrhundert so seltenen Vortheil zu erlangen, daß er
unbestritten der Erste in dem von ihm cultidirtcn Kunstzweige ist. Nicht allein
k.an kein andrer Harfenist in Bezug aufs Spiel mit ihm verglichen werden;
sondern er hat auch noch das Verdienst, daß er durch die Kraft feines Talents
sein Instrument vor dem Loose bewahrt hat, das ihm drohte, näm¬
lich der Vergessenheit anheimzufallen. Ohne ihn, ohne seine Compositionen fiir
die Harfe würde man sie auf dem europäischen Festland? nicht mehr spielen.
Die Harfenisten von vor etwa 60 Jahren würden erstaunen, wenn sie hören
könnten, wie das zu ihrer Zeit so beschränkte Instrument in Herrn Labarrc's
Händen die Fähigkeit gewonnen bat, eine Musik wiederzugeben, deren Ausfüh¬
rung selbst Pianisten für ihr Instrument schwierig finden würden.




Das HcrrmannS-Denkmal hat auch in Belgien Beiträge gefunden. Herr von
Voigt, ein Hanovcraner, hat sich die Mühe genommen, in Brüssel,-Antwerpen,
Gent in. eine Subscription zu eröffnen, die bereits auf eine Summe von 1000
Franken sich belaufen soll. Die deutschen Consuln in diesen Städten werden den
vollständigen Ertrag in Empfang nehmen^ und ihn direkt um das Comite- einsenden.




Mord und Tvdtschlc-ü!

Mit jedem Tage drängt sich uns die Frage von Neuem auf, ob die Religion
wirklich ein Mittel sei, um Ordnung zu erhalten, und Verbrechen zu verhindern?
Belgien steht im Rufe eines strengen CatholiciömuS, und doch giebt es in dem
civilisirten Europa kaum ein zweites Land, wo die Mordthaten und sonstige ver¬
brecherische Angriffe gegen die Gesellschaft sich fo häufig wiederholen, als hier. Fast
jeden Tag bringen die Journale die Nachricht von einer Schauderthat, und so eben
lesen wir, daß in Flandern innerhalb eines einzigen Tages, im Umkreise von we¬
nigen Stunden, zwei verschiedene, nicht im Zusammenhang stehende Morde verübt
wurden. Die gestrigen officiellen Tagesblätter erzählten von einem Mord in Wul-
vcningcn, den ein 23jähriger Mensch an einer 70jährigen Bettlerin verübte, um
sie eines halben Francs zu berauben, und heute finden wir die Anzeige einer ahn-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/232>, abgerufen am 04.05.2024.