Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

So leben wir denn in stillen,'gewohnten Kreisen, und meinen und fühlen, da?
sei eben recht. Was draußen begegnet "über Sinzheim hinaus", interessirt uns
sehr, influenzirt uns aber wenig. Möchte es nur anderwärts in BetreffSchwabenS
eben so sein. Wäre das nicht, von was schriebe ein schwäbischer Korrespondent?


-- 7. -


2.
Plaudereien.

Speculation oder Handel? -- Die deutsche Oper in Puris. -- Wie viele Schriftsteller
sind unsterblich? -- Corneille und die Lotterie. , " ', ' '

Wie verhält sich Speculation und Handel zu einander? Ein
geistreicher Engländer giebt hierüber folgende Bemerkungen: Speculation verhält
sich zu dem Handel, wie die Bahn eines Kometen zu der eines Planeten; sie ist
zwar verschieden, excentrischer vielleicht, aber doch vollkommen regelmäßig und nicht
minder bestimmt und gleichförmig; sie kann in allen ihren Theilen verfolgt und
nachgewiesen werden, und liefert Data von gleicher Sicherheit für genaue Schlu߬
folgen. Die eine wie- die, andere kann demnach zu einer Wissenschaft gebracht
werden, da sie ihre genaue Regeln haben.. Der Handel besteht darin, die täglichen
und stündlichen Bedürfnisse des Menschen zu befriedigen, und et steht deshalb im
Allgemeinen mit dem Steigen und Fällen der Preise in keiner Verbindung. Die
Veränderungen und der Wechsel,des Preises werden durch die Zeit veranlaßt oder
geschehen im Verlaufe derselben. Mit ihr hat der Handel Nichts zu thun, denn er
beschäftigt sich mir mit der Gegenwart. Der Gewinn Vom Handel ergiebi- sich
täglich, stündlich, in kleinen Summen, deren Zahl und häufige Wiederkehr ihre Gc-
ringfligigkeit ausgleicht. Der Gewinn von der Speculation dagegen wird nur in
langen Zwischenräumen erlangt, und seine Größe entschädigt für sein minder häu¬
figes Vorkommen. Der Vortheil, der bei dem Handel, und jener, welcher in der
Speculation gesucht wird,,ist überdies ein ganz verschiedener. Der erste, den man
Prosit nennt, ist ein dem Capital hinzugefügter Werth und unabhängig von dem
Preise; der zweite gründet sich auf,den Unterschied in dem Werthe- des Capitals
oder im Preise selbst, ohne oder mit geringer Aussicht auf daS> was gewöhnlich
die Elemente des Profits ausmacht; der erstere ist der Lohn der Arbeit, der letztere
die Folge von Klugheit in Verbindung mit Geduld. Ein anderer Unterschied zwi¬
schen Handel und Spekulation'ist der, daß, während der Handelsmann oder Gc-
wcrbtrcibende sich bemüht, seine Kunden zu behalten oder diejenigen, mit denen er
gewöhnlich verkehrt, dem Speculanten dagegen dies vollkommen gleichgültig ist, da


So leben wir denn in stillen,'gewohnten Kreisen, und meinen und fühlen, da?
sei eben recht. Was draußen begegnet »über Sinzheim hinaus«, interessirt uns
sehr, influenzirt uns aber wenig. Möchte es nur anderwärts in BetreffSchwabenS
eben so sein. Wäre das nicht, von was schriebe ein schwäbischer Korrespondent?


— 7. -


2.
Plaudereien.

Speculation oder Handel? — Die deutsche Oper in Puris. — Wie viele Schriftsteller
sind unsterblich? — Corneille und die Lotterie. , „ ', ' '

Wie verhält sich Speculation und Handel zu einander? Ein
geistreicher Engländer giebt hierüber folgende Bemerkungen: Speculation verhält
sich zu dem Handel, wie die Bahn eines Kometen zu der eines Planeten; sie ist
zwar verschieden, excentrischer vielleicht, aber doch vollkommen regelmäßig und nicht
minder bestimmt und gleichförmig; sie kann in allen ihren Theilen verfolgt und
nachgewiesen werden, und liefert Data von gleicher Sicherheit für genaue Schlu߬
folgen. Die eine wie- die, andere kann demnach zu einer Wissenschaft gebracht
werden, da sie ihre genaue Regeln haben.. Der Handel besteht darin, die täglichen
und stündlichen Bedürfnisse des Menschen zu befriedigen, und et steht deshalb im
Allgemeinen mit dem Steigen und Fällen der Preise in keiner Verbindung. Die
Veränderungen und der Wechsel,des Preises werden durch die Zeit veranlaßt oder
geschehen im Verlaufe derselben. Mit ihr hat der Handel Nichts zu thun, denn er
beschäftigt sich mir mit der Gegenwart. Der Gewinn Vom Handel ergiebi- sich
täglich, stündlich, in kleinen Summen, deren Zahl und häufige Wiederkehr ihre Gc-
ringfligigkeit ausgleicht. Der Gewinn von der Speculation dagegen wird nur in
langen Zwischenräumen erlangt, und seine Größe entschädigt für sein minder häu¬
figes Vorkommen. Der Vortheil, der bei dem Handel, und jener, welcher in der
Speculation gesucht wird,,ist überdies ein ganz verschiedener. Der erste, den man
Prosit nennt, ist ein dem Capital hinzugefügter Werth und unabhängig von dem
Preise; der zweite gründet sich auf,den Unterschied in dem Werthe- des Capitals
oder im Preise selbst, ohne oder mit geringer Aussicht auf daS> was gewöhnlich
die Elemente des Profits ausmacht; der erstere ist der Lohn der Arbeit, der letztere
die Folge von Klugheit in Verbindung mit Geduld. Ein anderer Unterschied zwi¬
schen Handel und Spekulation'ist der, daß, während der Handelsmann oder Gc-
wcrbtrcibende sich bemüht, seine Kunden zu behalten oder diejenigen, mit denen er
gewöhnlich verkehrt, dem Speculanten dagegen dies vollkommen gleichgültig ist, da


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0390" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/267603"/>
            <p xml:id="ID_1396"> So leben wir denn in stillen,'gewohnten Kreisen, und meinen und fühlen, da?<lb/>
sei eben recht. Was draußen begegnet »über Sinzheim hinaus«, interessirt uns<lb/>
sehr, influenzirt uns aber wenig. Möchte es nur anderwärts in BetreffSchwabenS<lb/>
eben so sein. Wäre das nicht, von was schriebe ein schwäbischer Korrespondent?</p><lb/>
            <note type="byline"> &#x2014; 7. -</note><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> 2.<lb/>
Plaudereien.</head><lb/>
            <note type="argument"> Speculation oder Handel? &#x2014; Die deutsche Oper in Puris. &#x2014; Wie viele Schriftsteller<lb/>
sind unsterblich? &#x2014; Corneille und die Lotterie.   ,   &#x201E; ', ' '</note><lb/>
            <p xml:id="ID_1397" next="#ID_1398"> Wie verhält sich Speculation und Handel zu einander? Ein<lb/>
geistreicher Engländer giebt hierüber folgende Bemerkungen: Speculation verhält<lb/>
sich zu dem Handel, wie die Bahn eines Kometen zu der eines Planeten; sie ist<lb/>
zwar verschieden, excentrischer vielleicht, aber doch vollkommen regelmäßig und nicht<lb/>
minder bestimmt und gleichförmig; sie kann in allen ihren Theilen verfolgt und<lb/>
nachgewiesen werden, und liefert Data von gleicher Sicherheit für genaue Schlu߬<lb/>
folgen. Die eine wie- die, andere kann demnach zu einer Wissenschaft gebracht<lb/>
werden, da sie ihre genaue Regeln haben.. Der Handel besteht darin, die täglichen<lb/>
und stündlichen Bedürfnisse des Menschen zu befriedigen, und et steht deshalb im<lb/>
Allgemeinen mit dem Steigen und Fällen der Preise in keiner Verbindung. Die<lb/>
Veränderungen und der Wechsel,des Preises werden durch die Zeit veranlaßt oder<lb/>
geschehen im Verlaufe derselben. Mit ihr hat der Handel Nichts zu thun, denn er<lb/>
beschäftigt sich mir mit der Gegenwart. Der Gewinn Vom Handel ergiebi- sich<lb/>
täglich, stündlich, in kleinen Summen, deren Zahl und häufige Wiederkehr ihre Gc-<lb/>
ringfligigkeit ausgleicht. Der Gewinn von der Speculation dagegen wird nur in<lb/>
langen Zwischenräumen erlangt, und seine Größe entschädigt für sein minder häu¬<lb/>
figes Vorkommen. Der Vortheil, der bei dem Handel, und jener, welcher in der<lb/>
Speculation gesucht wird,,ist überdies ein ganz verschiedener. Der erste, den man<lb/>
Prosit nennt, ist ein dem Capital hinzugefügter Werth und unabhängig von dem<lb/>
Preise; der zweite gründet sich auf,den Unterschied in dem Werthe- des Capitals<lb/>
oder im Preise selbst, ohne oder mit geringer Aussicht auf daS&gt; was gewöhnlich<lb/>
die Elemente des Profits ausmacht; der erstere ist der Lohn der Arbeit, der letztere<lb/>
die Folge von Klugheit in Verbindung mit Geduld. Ein anderer Unterschied zwi¬<lb/>
schen Handel und Spekulation'ist der, daß, während der Handelsmann oder Gc-<lb/>
wcrbtrcibende sich bemüht, seine Kunden zu behalten oder diejenigen, mit denen er<lb/>
gewöhnlich verkehrt, dem Speculanten dagegen dies vollkommen gleichgültig ist, da</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0390] So leben wir denn in stillen,'gewohnten Kreisen, und meinen und fühlen, da? sei eben recht. Was draußen begegnet »über Sinzheim hinaus«, interessirt uns sehr, influenzirt uns aber wenig. Möchte es nur anderwärts in BetreffSchwabenS eben so sein. Wäre das nicht, von was schriebe ein schwäbischer Korrespondent? — 7. - 2. Plaudereien. Speculation oder Handel? — Die deutsche Oper in Puris. — Wie viele Schriftsteller sind unsterblich? — Corneille und die Lotterie. , „ ', ' ' Wie verhält sich Speculation und Handel zu einander? Ein geistreicher Engländer giebt hierüber folgende Bemerkungen: Speculation verhält sich zu dem Handel, wie die Bahn eines Kometen zu der eines Planeten; sie ist zwar verschieden, excentrischer vielleicht, aber doch vollkommen regelmäßig und nicht minder bestimmt und gleichförmig; sie kann in allen ihren Theilen verfolgt und nachgewiesen werden, und liefert Data von gleicher Sicherheit für genaue Schlu߬ folgen. Die eine wie- die, andere kann demnach zu einer Wissenschaft gebracht werden, da sie ihre genaue Regeln haben.. Der Handel besteht darin, die täglichen und stündlichen Bedürfnisse des Menschen zu befriedigen, und et steht deshalb im Allgemeinen mit dem Steigen und Fällen der Preise in keiner Verbindung. Die Veränderungen und der Wechsel,des Preises werden durch die Zeit veranlaßt oder geschehen im Verlaufe derselben. Mit ihr hat der Handel Nichts zu thun, denn er beschäftigt sich mir mit der Gegenwart. Der Gewinn Vom Handel ergiebi- sich täglich, stündlich, in kleinen Summen, deren Zahl und häufige Wiederkehr ihre Gc- ringfligigkeit ausgleicht. Der Gewinn von der Speculation dagegen wird nur in langen Zwischenräumen erlangt, und seine Größe entschädigt für sein minder häu¬ figes Vorkommen. Der Vortheil, der bei dem Handel, und jener, welcher in der Speculation gesucht wird,,ist überdies ein ganz verschiedener. Der erste, den man Prosit nennt, ist ein dem Capital hinzugefügter Werth und unabhängig von dem Preise; der zweite gründet sich auf,den Unterschied in dem Werthe- des Capitals oder im Preise selbst, ohne oder mit geringer Aussicht auf daS> was gewöhnlich die Elemente des Profits ausmacht; der erstere ist der Lohn der Arbeit, der letztere die Folge von Klugheit in Verbindung mit Geduld. Ein anderer Unterschied zwi¬ schen Handel und Spekulation'ist der, daß, während der Handelsmann oder Gc- wcrbtrcibende sich bemüht, seine Kunden zu behalten oder diejenigen, mit denen er gewöhnlich verkehrt, dem Speculanten dagegen dies vollkommen gleichgültig ist, da

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/390
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/390>, abgerufen am 04.05.2024.