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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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Deutsche Zeitungen und Literaten.

D!e Dorfjcjttina. -- Wie Deutschland sich für Bellen intcecssirt. -- Hoffmann von Fal-
IceSlcben. -- Gußlows Telegraph. -- Die Corecsponveuren uns Hamburg.

Wir müssen es mit Bedauern eingestehen, basi das beste politische Blatt, wei.
ches Deutschland besitzt, noch immer jene kleine, bescheidene, witzige, löschpcipierne,
liebenswürdige "Dorfzeitung" ist, die in einer kleinen deutschen Residenzstadt
erscheint, außerhalb der Bundesstaaten, ja selbst in Oesterreich kaum gekannt wird,
aber dennoch einen ungeheuern Lesekreis und größern Glauben hat, als unsere
sämmtlichen allgemeinen und gemeinen, großbrodigen, bald fürsten- bald buchhänd-
lerdicnerischen Zeitungen. Wohlwollend, unparteiisch und freimüthig bespricht sie
mit idyllischer Bonhonnnie, mit wahrer ländlicher Harmlosigkeit auf drei Seiten
die sogenannten Welthandel; statt RaisonncMcntS und Correspondenzen zu brin¬
gen, die morgen zerreißen, was sie heute gesponnen, bringt sie Thatsachen; Zu¬
stände beleuchtet sie mit einem Wii)/Reactionen bekämpft sie durch eine kurze
Frage, Gelehrte und philosophische vornehme Redaktoren halten vor Allein die
Dorfzeitung; Wenige aber gestehen, wie oft sie sich durch den gesunden Mutter-
Witz der guten Dorfidplle beschämt fühlen, und wie viel sie aus dieser geheimen
Quelle schöpfen. -- '

-- Wie wenig Belgien in Deutschland bekannt ist, und wie noch minder rich¬
tig es beurtheilt wird, kann man schon daraus ersehen, daß nur fünf unter allen
deutschen ZeitmigechOriginälcorrespondenzen aus Brüssel haben; es sind dieß die
preußische Staatszeitung, die, wie man sagt, ihre meisten Berichte auf diplomati¬
schem Wege erhält, die augSburger allgemeine und die kölnische Zeitung, deren
Correspondenzen meist den' katholischen Stempel tragen, die leipziger allgemeine
Zeitung und der nürnberger, Correspondent, die gar /keine bestimmte Farbe haben.
Für alle übrigen deutschen, Journale dient die kölnische Zeitung als Quelle, aus
der sie sich mit, ihrem Bedarf versehen. Nur Wenige halten außerdem noch den
Jndependant, ,um,d, man kann annehmen, daß es in ganz Deutschland kaum ein
Dutzend Lesevereine und Casinos gibt, in welchen man belgische Journale findet.

-- Der tüchtige wackere Bolksdichter, Hoffmann von Fallersleben wird flehte,
finitiv inMcipzig niederlassen. Leider dürften dann aber die feierlichen und ge¬
schmackvollen Dejeuners aufhören, die man'ihm zu Ehren in allen leipziger Paria-


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Deutsche Zeitungen und Literaten.

D!e Dorfjcjttina. — Wie Deutschland sich für Bellen intcecssirt. — Hoffmann von Fal-
IceSlcben. — Gußlows Telegraph. — Die Corecsponveuren uns Hamburg.

Wir müssen es mit Bedauern eingestehen, basi das beste politische Blatt, wei.
ches Deutschland besitzt, noch immer jene kleine, bescheidene, witzige, löschpcipierne,
liebenswürdige „Dorfzeitung" ist, die in einer kleinen deutschen Residenzstadt
erscheint, außerhalb der Bundesstaaten, ja selbst in Oesterreich kaum gekannt wird,
aber dennoch einen ungeheuern Lesekreis und größern Glauben hat, als unsere
sämmtlichen allgemeinen und gemeinen, großbrodigen, bald fürsten- bald buchhänd-
lerdicnerischen Zeitungen. Wohlwollend, unparteiisch und freimüthig bespricht sie
mit idyllischer Bonhonnnie, mit wahrer ländlicher Harmlosigkeit auf drei Seiten
die sogenannten Welthandel; statt RaisonncMcntS und Correspondenzen zu brin¬
gen, die morgen zerreißen, was sie heute gesponnen, bringt sie Thatsachen; Zu¬
stände beleuchtet sie mit einem Wii)/Reactionen bekämpft sie durch eine kurze
Frage, Gelehrte und philosophische vornehme Redaktoren halten vor Allein die
Dorfzeitung; Wenige aber gestehen, wie oft sie sich durch den gesunden Mutter-
Witz der guten Dorfidplle beschämt fühlen, und wie viel sie aus dieser geheimen
Quelle schöpfen. — '

— Wie wenig Belgien in Deutschland bekannt ist, und wie noch minder rich¬
tig es beurtheilt wird, kann man schon daraus ersehen, daß nur fünf unter allen
deutschen ZeitmigechOriginälcorrespondenzen aus Brüssel haben; es sind dieß die
preußische Staatszeitung, die, wie man sagt, ihre meisten Berichte auf diplomati¬
schem Wege erhält, die augSburger allgemeine und die kölnische Zeitung, deren
Correspondenzen meist den' katholischen Stempel tragen, die leipziger allgemeine
Zeitung und der nürnberger, Correspondent, die gar /keine bestimmte Farbe haben.
Für alle übrigen deutschen, Journale dient die kölnische Zeitung als Quelle, aus
der sie sich mit, ihrem Bedarf versehen. Nur Wenige halten außerdem noch den
Jndependant, ,um,d, man kann annehmen, daß es in ganz Deutschland kaum ein
Dutzend Lesevereine und Casinos gibt, in welchen man belgische Journale findet.

— Der tüchtige wackere Bolksdichter, Hoffmann von Fallersleben wird flehte,
finitiv inMcipzig niederlassen. Leider dürften dann aber die feierlichen und ge¬
schmackvollen Dejeuners aufhören, die man'ihm zu Ehren in allen leipziger Paria-


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[0581] T a g e b u rh. Deutsche Zeitungen und Literaten. D!e Dorfjcjttina. — Wie Deutschland sich für Bellen intcecssirt. — Hoffmann von Fal- IceSlcben. — Gußlows Telegraph. — Die Corecsponveuren uns Hamburg. Wir müssen es mit Bedauern eingestehen, basi das beste politische Blatt, wei. ches Deutschland besitzt, noch immer jene kleine, bescheidene, witzige, löschpcipierne, liebenswürdige „Dorfzeitung" ist, die in einer kleinen deutschen Residenzstadt erscheint, außerhalb der Bundesstaaten, ja selbst in Oesterreich kaum gekannt wird, aber dennoch einen ungeheuern Lesekreis und größern Glauben hat, als unsere sämmtlichen allgemeinen und gemeinen, großbrodigen, bald fürsten- bald buchhänd- lerdicnerischen Zeitungen. Wohlwollend, unparteiisch und freimüthig bespricht sie mit idyllischer Bonhonnnie, mit wahrer ländlicher Harmlosigkeit auf drei Seiten die sogenannten Welthandel; statt RaisonncMcntS und Correspondenzen zu brin¬ gen, die morgen zerreißen, was sie heute gesponnen, bringt sie Thatsachen; Zu¬ stände beleuchtet sie mit einem Wii)/Reactionen bekämpft sie durch eine kurze Frage, Gelehrte und philosophische vornehme Redaktoren halten vor Allein die Dorfzeitung; Wenige aber gestehen, wie oft sie sich durch den gesunden Mutter- Witz der guten Dorfidplle beschämt fühlen, und wie viel sie aus dieser geheimen Quelle schöpfen. — ' — Wie wenig Belgien in Deutschland bekannt ist, und wie noch minder rich¬ tig es beurtheilt wird, kann man schon daraus ersehen, daß nur fünf unter allen deutschen ZeitmigechOriginälcorrespondenzen aus Brüssel haben; es sind dieß die preußische Staatszeitung, die, wie man sagt, ihre meisten Berichte auf diplomati¬ schem Wege erhält, die augSburger allgemeine und die kölnische Zeitung, deren Correspondenzen meist den' katholischen Stempel tragen, die leipziger allgemeine Zeitung und der nürnberger, Correspondent, die gar /keine bestimmte Farbe haben. Für alle übrigen deutschen, Journale dient die kölnische Zeitung als Quelle, aus der sie sich mit, ihrem Bedarf versehen. Nur Wenige halten außerdem noch den Jndependant, ,um,d, man kann annehmen, daß es in ganz Deutschland kaum ein Dutzend Lesevereine und Casinos gibt, in welchen man belgische Journale findet. — Der tüchtige wackere Bolksdichter, Hoffmann von Fallersleben wird flehte, finitiv inMcipzig niederlassen. Leider dürften dann aber die feierlichen und ge¬ schmackvollen Dejeuners aufhören, die man'ihm zu Ehren in allen leipziger Paria-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/581>, abgerufen am 04.05.2024.