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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Nadel Levin und ihre Gesellschaft.
(I8V1)
Aus den Papieren des Grafen



Z".

Meyern, der Verfasser von Dya-Na-S°re. - Eine Diversioi,. - Gentz und
Schleael. -- Amor. -- Prinz Louis Ferdinand. -- Radziwill s ^ägt. -- Nacht¬
musik. -- Rahel über ihre Gesellschaft und sich. -- Gentz und seine Gläubiger.

Es waren zwei Fremde gemeldet worden. Demoiselle Levin em¬
pfing sie höflich, aber in Haltung und Ton war die feine Linie nicht
zu verkennen, durch welche sie vielleicht unbewußt ausdrückte, daß es
nicht vertrauliche Bekannte waren, mit denen sie sprach. Es war ein
Graf aus Wien, ich glaube ein Graf -i- -i- -i- -i-, sein Begleiter aber
hieß Meyern und wäre mir unter diesem Namen leicht entgangen,
hätte mir Brinkmann nicht gesagt, daß er der Verfasser deö merk¬
würdigen Buches Dya-Na-Sore sei, der aber jetzt weder Romane
noch Indien, sondern nur Krieg und England und Vonaparte im
Kopfe trage. Ich hatte früher in diesem schmerzlichen Roman ge¬
schwelgt und seine sehnsüchtigen Liebes- und Vaterlandswünsche innig
mitempfunden, um so mehr wünschte ich nun den Mann selbst kennen
zu lernen, dem es gelungen war, die großen Drangsale der nächsten
Wirklichkeit in eine entlegene Dichtungswelt hinaufzutragen. Allein
es war unmöglich, mehr als ein gewöhnliches Höflichkeitswort aus
ihm zu locken, er schwieg sogleich wieder und sah nur immer beob¬
achtend und prüfend auf die Personen hin, die gerade sprachen. Ich
vernahm später, er habe es sich zum Gesetz gemacht, als Oesterrei¬
cher sich in Preußen möglichst verschlossen zu halten.

Mittlerweile hatte die Gesellschaft sich mannigfach in verschiedene
Gesprächsrichtungen abgezweigt, die nur selten auf Augenblicke zu


Grenzbomi I. 95
Nadel Levin und ihre Gesellschaft.
(I8V1)
Aus den Papieren des Grafen



Z».

Meyern, der Verfasser von Dya-Na-S°re. - Eine Diversioi,. - Gentz und
Schleael. — Amor. — Prinz Louis Ferdinand. — Radziwill s ^ägt. — Nacht¬
musik. — Rahel über ihre Gesellschaft und sich. — Gentz und seine Gläubiger.

Es waren zwei Fremde gemeldet worden. Demoiselle Levin em¬
pfing sie höflich, aber in Haltung und Ton war die feine Linie nicht
zu verkennen, durch welche sie vielleicht unbewußt ausdrückte, daß es
nicht vertrauliche Bekannte waren, mit denen sie sprach. Es war ein
Graf aus Wien, ich glaube ein Graf -i- -i- -i- -i-, sein Begleiter aber
hieß Meyern und wäre mir unter diesem Namen leicht entgangen,
hätte mir Brinkmann nicht gesagt, daß er der Verfasser deö merk¬
würdigen Buches Dya-Na-Sore sei, der aber jetzt weder Romane
noch Indien, sondern nur Krieg und England und Vonaparte im
Kopfe trage. Ich hatte früher in diesem schmerzlichen Roman ge¬
schwelgt und seine sehnsüchtigen Liebes- und Vaterlandswünsche innig
mitempfunden, um so mehr wünschte ich nun den Mann selbst kennen
zu lernen, dem es gelungen war, die großen Drangsale der nächsten
Wirklichkeit in eine entlegene Dichtungswelt hinaufzutragen. Allein
es war unmöglich, mehr als ein gewöhnliches Höflichkeitswort aus
ihm zu locken, er schwieg sogleich wieder und sah nur immer beob¬
achtend und prüfend auf die Personen hin, die gerade sprachen. Ich
vernahm später, er habe es sich zum Gesetz gemacht, als Oesterrei¬
cher sich in Preußen möglichst verschlossen zu halten.

Mittlerweile hatte die Gesellschaft sich mannigfach in verschiedene
Gesprächsrichtungen abgezweigt, die nur selten auf Augenblicke zu


Grenzbomi I. 95
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[0741] Nadel Levin und ihre Gesellschaft. (I8V1) Aus den Papieren des Grafen Z». Meyern, der Verfasser von Dya-Na-S°re. - Eine Diversioi,. - Gentz und Schleael. — Amor. — Prinz Louis Ferdinand. — Radziwill s ^ägt. — Nacht¬ musik. — Rahel über ihre Gesellschaft und sich. — Gentz und seine Gläubiger. Es waren zwei Fremde gemeldet worden. Demoiselle Levin em¬ pfing sie höflich, aber in Haltung und Ton war die feine Linie nicht zu verkennen, durch welche sie vielleicht unbewußt ausdrückte, daß es nicht vertrauliche Bekannte waren, mit denen sie sprach. Es war ein Graf aus Wien, ich glaube ein Graf -i- -i- -i- -i-, sein Begleiter aber hieß Meyern und wäre mir unter diesem Namen leicht entgangen, hätte mir Brinkmann nicht gesagt, daß er der Verfasser deö merk¬ würdigen Buches Dya-Na-Sore sei, der aber jetzt weder Romane noch Indien, sondern nur Krieg und England und Vonaparte im Kopfe trage. Ich hatte früher in diesem schmerzlichen Roman ge¬ schwelgt und seine sehnsüchtigen Liebes- und Vaterlandswünsche innig mitempfunden, um so mehr wünschte ich nun den Mann selbst kennen zu lernen, dem es gelungen war, die großen Drangsale der nächsten Wirklichkeit in eine entlegene Dichtungswelt hinaufzutragen. Allein es war unmöglich, mehr als ein gewöhnliches Höflichkeitswort aus ihm zu locken, er schwieg sogleich wieder und sah nur immer beob¬ achtend und prüfend auf die Personen hin, die gerade sprachen. Ich vernahm später, er habe es sich zum Gesetz gemacht, als Oesterrei¬ cher sich in Preußen möglichst verschlossen zu halten. Mittlerweile hatte die Gesellschaft sich mannigfach in verschiedene Gesprächsrichtungen abgezweigt, die nur selten auf Augenblicke zu Grenzbomi I. 95

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/741>, abgerufen am 06.05.2024.