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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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Aufzeichnungen eines österreichischen Militärs.
Herausgegeben von
Stephan Thurm. ^




Disciplin. -- Der Allerhöchste Wille und tue Praxis. -- Ein Gasscnlaufer.
-- Stocramvition. -- Die Äorporalbanr als Katheder. -- Prwatdocenttn. --
Der Prügelküßler. -- Erbauliche Historien.

Die Handhabung der militärischen Disciplin erfordert unstreitig
Strenge. In der österreichischen Armee, welche aus so heterogenen
Nationalitäten wie leine andere zusammengesetzt ist, kann an die
gänzliche Abschaffung der bestehenden barbarischen Strafen leider noch
lange und hauptsächlich so lange nicht gedacht werden, als es noch
üblich bleiben wird, Individuen wegen Vergehungen oder Jm-
moralität zur Strafe zum Militär abzustellen. Wenn daher Oester¬
reich in der militärischen Rechtspflege und in seinem Diöciplinarwesen
bisher zur wichtigen Gründen keine zeitgemäße Reform versucht
hatte, so folgt hieraus keineswegs, daß man höchsten Orts vielleicht
an Gassenlaufen und Stockprügeln in Oesterreich mehr Vergnügen,
als in Frankreich und Preußen finde; denn es sind vielleicht in kei,
ner Armee so viele höchste Befehle erlassen worden, welche die hu¬
manster Absichten hinsichtlich der Leibesstrafen aussprechen und jedem
Commandanten die schöne Pflicht auferlegen, so viel als möglich die
barbarischen Strafmittel zu vermeiden. Zur Ehre der österreichischen
Armee sei es gesagt, daß besonders die höheren Commandeurs, von
diesem milden Geiste des Monarchen beseelt, Nichts unterlassen, um
dem Allerhöchsten Willen nachzukommen. Allein wundern muß man
sich, daß bei dem anerkannten Bestreben der Regierung, jene Bestra¬
fungen, welche zum Abschrecken der verderbten Menschheit nicht ganz
beseitigt werden können, doch wenigstens so selten als möglich ein-
reden zu lassen, -- daß in einer szientifischen Branche, in der Ar-


Greiizbvtm 1844. II. 13
Aufzeichnungen eines österreichischen Militärs.
Herausgegeben von
Stephan Thurm. ^




Disciplin. — Der Allerhöchste Wille und tue Praxis. — Ein Gasscnlaufer.
— Stocramvition. — Die Äorporalbanr als Katheder. — Prwatdocenttn. —
Der Prügelküßler. — Erbauliche Historien.

Die Handhabung der militärischen Disciplin erfordert unstreitig
Strenge. In der österreichischen Armee, welche aus so heterogenen
Nationalitäten wie leine andere zusammengesetzt ist, kann an die
gänzliche Abschaffung der bestehenden barbarischen Strafen leider noch
lange und hauptsächlich so lange nicht gedacht werden, als es noch
üblich bleiben wird, Individuen wegen Vergehungen oder Jm-
moralität zur Strafe zum Militär abzustellen. Wenn daher Oester¬
reich in der militärischen Rechtspflege und in seinem Diöciplinarwesen
bisher zur wichtigen Gründen keine zeitgemäße Reform versucht
hatte, so folgt hieraus keineswegs, daß man höchsten Orts vielleicht
an Gassenlaufen und Stockprügeln in Oesterreich mehr Vergnügen,
als in Frankreich und Preußen finde; denn es sind vielleicht in kei,
ner Armee so viele höchste Befehle erlassen worden, welche die hu¬
manster Absichten hinsichtlich der Leibesstrafen aussprechen und jedem
Commandanten die schöne Pflicht auferlegen, so viel als möglich die
barbarischen Strafmittel zu vermeiden. Zur Ehre der österreichischen
Armee sei es gesagt, daß besonders die höheren Commandeurs, von
diesem milden Geiste des Monarchen beseelt, Nichts unterlassen, um
dem Allerhöchsten Willen nachzukommen. Allein wundern muß man
sich, daß bei dem anerkannten Bestreben der Regierung, jene Bestra¬
fungen, welche zum Abschrecken der verderbten Menschheit nicht ganz
beseitigt werden können, doch wenigstens so selten als möglich ein-
reden zu lassen, — daß in einer szientifischen Branche, in der Ar-


Greiizbvtm 1844. II. 13
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[0105] Aufzeichnungen eines österreichischen Militärs. Herausgegeben von Stephan Thurm. ^ Disciplin. — Der Allerhöchste Wille und tue Praxis. — Ein Gasscnlaufer. — Stocramvition. — Die Äorporalbanr als Katheder. — Prwatdocenttn. — Der Prügelküßler. — Erbauliche Historien. Die Handhabung der militärischen Disciplin erfordert unstreitig Strenge. In der österreichischen Armee, welche aus so heterogenen Nationalitäten wie leine andere zusammengesetzt ist, kann an die gänzliche Abschaffung der bestehenden barbarischen Strafen leider noch lange und hauptsächlich so lange nicht gedacht werden, als es noch üblich bleiben wird, Individuen wegen Vergehungen oder Jm- moralität zur Strafe zum Militär abzustellen. Wenn daher Oester¬ reich in der militärischen Rechtspflege und in seinem Diöciplinarwesen bisher zur wichtigen Gründen keine zeitgemäße Reform versucht hatte, so folgt hieraus keineswegs, daß man höchsten Orts vielleicht an Gassenlaufen und Stockprügeln in Oesterreich mehr Vergnügen, als in Frankreich und Preußen finde; denn es sind vielleicht in kei, ner Armee so viele höchste Befehle erlassen worden, welche die hu¬ manster Absichten hinsichtlich der Leibesstrafen aussprechen und jedem Commandanten die schöne Pflicht auferlegen, so viel als möglich die barbarischen Strafmittel zu vermeiden. Zur Ehre der österreichischen Armee sei es gesagt, daß besonders die höheren Commandeurs, von diesem milden Geiste des Monarchen beseelt, Nichts unterlassen, um dem Allerhöchsten Willen nachzukommen. Allein wundern muß man sich, daß bei dem anerkannten Bestreben der Regierung, jene Bestra¬ fungen, welche zum Abschrecken der verderbten Menschheit nicht ganz beseitigt werden können, doch wenigstens so selten als möglich ein- reden zu lassen, — daß in einer szientifischen Branche, in der Ar- Greiizbvtm 1844. II. 13

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/105>, abgerufen am 06.05.2024.