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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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Die Hofkammer in Wien.



,
Oesterreich äußert in der neuesten Zeit auf dem Felde der äu¬
ßeren Politik eine verhältnißmäßig nur geringe Thätigkeit, und die
Sorge für den inneren Staatshaushalt, so wie das Bestreben, die
nationalen Regungen der verschiedenen Volksstämme, deren Verein
die bunte österreichische Monarchie bildet, im Schach zu halten, scheint
gegenwärtig die volle Aufmerksamkeit der Negierung in Anspruch zu
nehmen. Indem der Blick der Staatsmänner auf den Tariftabcllen
und PostVerträgen gar beifällig verweilt, sind ihre Augen schwä¬
cher für die Dinge, die unvermerkt die europäischen Staatsver¬
hältnisse umgestalten, so daß Oesterreich bei dem nächsten Ausbruche
leicht eine Stellung einnehmen konnte, ganz verschieden von der¬
jenigen, in deren Besitz es beim Abschlüsse des Weltsriedens gewesen.
England und Rußland haben sich jetzt in die moralische Herrschaft
der Welt getheilt, und ihre Politik hat allein einen festen fortschrei¬
tenden Geist, indeß die Friedenspolitik des französischen BürgcrkönigS,
die Unentschlossenheit des unfertigen Preußens und der nothgedrun¬
gene Conservatismus Oesterreichs die übrigen Stimmführenden Groß-
mächte zu einer Rolle zwingt, die sich gegen jene ziemlich passiv ver¬
hält und die britische Energie und russische Schlagfertigkeit mehr durch
diplomatische Gründe zu Paralysiren sucht.

Doch hat Frankreich in Nordafrika festen Fuß gefaßt und Preu¬
ßen durch den Zollverein eine große innere Eroberung gemacht, Tha¬
ten, denen Oesterreich in demselben Zeitraum Nichts entgegen halten
kann; aber darum ist dasselbe keineswegs müßig gewesen, nur mit
dem wesentlichen Unterschiede, daß sich, wie gesagt, seine Thätigkeit
mehr nach Innen gewendet hat, wo der Gefahren und Bedrängnisse



Die Red.
*) Wir müssen bemerken, daß dieser Artikel eine geraume Zeit vor der
jüngsten Aollhcrabsctzung in Oesterreich geschrieben ist.
Die Hofkammer in Wien.



,
Oesterreich äußert in der neuesten Zeit auf dem Felde der äu¬
ßeren Politik eine verhältnißmäßig nur geringe Thätigkeit, und die
Sorge für den inneren Staatshaushalt, so wie das Bestreben, die
nationalen Regungen der verschiedenen Volksstämme, deren Verein
die bunte österreichische Monarchie bildet, im Schach zu halten, scheint
gegenwärtig die volle Aufmerksamkeit der Negierung in Anspruch zu
nehmen. Indem der Blick der Staatsmänner auf den Tariftabcllen
und PostVerträgen gar beifällig verweilt, sind ihre Augen schwä¬
cher für die Dinge, die unvermerkt die europäischen Staatsver¬
hältnisse umgestalten, so daß Oesterreich bei dem nächsten Ausbruche
leicht eine Stellung einnehmen konnte, ganz verschieden von der¬
jenigen, in deren Besitz es beim Abschlüsse des Weltsriedens gewesen.
England und Rußland haben sich jetzt in die moralische Herrschaft
der Welt getheilt, und ihre Politik hat allein einen festen fortschrei¬
tenden Geist, indeß die Friedenspolitik des französischen BürgcrkönigS,
die Unentschlossenheit des unfertigen Preußens und der nothgedrun¬
gene Conservatismus Oesterreichs die übrigen Stimmführenden Groß-
mächte zu einer Rolle zwingt, die sich gegen jene ziemlich passiv ver¬
hält und die britische Energie und russische Schlagfertigkeit mehr durch
diplomatische Gründe zu Paralysiren sucht.

Doch hat Frankreich in Nordafrika festen Fuß gefaßt und Preu¬
ßen durch den Zollverein eine große innere Eroberung gemacht, Tha¬
ten, denen Oesterreich in demselben Zeitraum Nichts entgegen halten
kann; aber darum ist dasselbe keineswegs müßig gewesen, nur mit
dem wesentlichen Unterschiede, daß sich, wie gesagt, seine Thätigkeit
mehr nach Innen gewendet hat, wo der Gefahren und Bedrängnisse



Die Red.
*) Wir müssen bemerken, daß dieser Artikel eine geraume Zeit vor der
jüngsten Aollhcrabsctzung in Oesterreich geschrieben ist.
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[0162] Die Hofkammer in Wien. , Oesterreich äußert in der neuesten Zeit auf dem Felde der äu¬ ßeren Politik eine verhältnißmäßig nur geringe Thätigkeit, und die Sorge für den inneren Staatshaushalt, so wie das Bestreben, die nationalen Regungen der verschiedenen Volksstämme, deren Verein die bunte österreichische Monarchie bildet, im Schach zu halten, scheint gegenwärtig die volle Aufmerksamkeit der Negierung in Anspruch zu nehmen. Indem der Blick der Staatsmänner auf den Tariftabcllen und PostVerträgen gar beifällig verweilt, sind ihre Augen schwä¬ cher für die Dinge, die unvermerkt die europäischen Staatsver¬ hältnisse umgestalten, so daß Oesterreich bei dem nächsten Ausbruche leicht eine Stellung einnehmen konnte, ganz verschieden von der¬ jenigen, in deren Besitz es beim Abschlüsse des Weltsriedens gewesen. England und Rußland haben sich jetzt in die moralische Herrschaft der Welt getheilt, und ihre Politik hat allein einen festen fortschrei¬ tenden Geist, indeß die Friedenspolitik des französischen BürgcrkönigS, die Unentschlossenheit des unfertigen Preußens und der nothgedrun¬ gene Conservatismus Oesterreichs die übrigen Stimmführenden Groß- mächte zu einer Rolle zwingt, die sich gegen jene ziemlich passiv ver¬ hält und die britische Energie und russische Schlagfertigkeit mehr durch diplomatische Gründe zu Paralysiren sucht. Doch hat Frankreich in Nordafrika festen Fuß gefaßt und Preu¬ ßen durch den Zollverein eine große innere Eroberung gemacht, Tha¬ ten, denen Oesterreich in demselben Zeitraum Nichts entgegen halten kann; aber darum ist dasselbe keineswegs müßig gewesen, nur mit dem wesentlichen Unterschiede, daß sich, wie gesagt, seine Thätigkeit mehr nach Innen gewendet hat, wo der Gefahren und Bedrängnisse Die Red. *) Wir müssen bemerken, daß dieser Artikel eine geraume Zeit vor der jüngsten Aollhcrabsctzung in Oesterreich geschrieben ist.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/162>, abgerufen am 06.05.2024.