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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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Ebertz erduldet? Schwerlich! Sie hat als Ersatz nicht einmal die
Hoffnung, daß es von nun an besser werden wird, weil die diesfäll-
sige Wirksamkeit des neuen Censors aus früherer Zeit bekannt ist.
"Dulden und ausharren" -- mit diesem Motto sollte sich unsere
Presse schmücken. -- Ich habe diesen Gegenstand vielleicht weiter
ausgedehnt, als es billig ist, aber ich hielt es für nothwendig, die
Welt von unseren Leiden in Kenntniß zu setzen und zugleich eine
Entschuldigung für den unseren strebsamen Publizisten hie und da
gemachten Vorwurf einer zu geringen Entschiedenheit zu beanspruchen.
Für das nächste Mal etwas zur Charakteristik unseres gesammten
literarischen Lebens.


IV.
Aus Ha in b u r g.

Werner's Hochverrathsprozeß. -- Der Neubau und die Unterstützungsgelder.
-- Leseinstitut. -- Hoffmann und Campe.

Interessante Mittheilungen aus Hamburg lassen sich leichter ver¬
sprechen als schreiben. In der letzten Zeit hat sich nichts Wichtiges
ereignet, Nichts, was in den Brennpunkt des allgemeineren Interes¬
ses zu rücken wäre, jedoch diene mir der Werner'sche Hochverraths¬
prozeß, welcher, bis jetzt noch unentschieden, unzweifelhaft mit einer
Freisprechung enden wird, zum Anknüpfungspunkte. Unsere Manufac-
turwaaren- und Bankokontogemüther sind kaum für andere, als mer-
cantilische Dinge erregbar. Nur an der Börse, diesem geweihten Tem¬
pel, errichtet dem gemünzten Götzen des Jahrhunderts, rollt das Blut
rascher durch unsere Adern, nur hier schlagen unsere Pulse lebhafter
und die lumini-s I)In"v" der freien Hansestadt finden hier täglich
Spannung und Erregung. Der Werner'sche Prozeß, öffentlich ver¬
handelt, ließ einen großen Andrang, namentlich solcher Schau- und
Hörlustigen erwarten, welchen die Gelegenheit erwünscht scheinen konnte,
tiefere Blicke in unser Criminaljustizverfahren bei einem politischen
Rechtshändel zu thun. Dies Verlangen muß jedoch wenig vorherr¬
schend gewesen sein, denn der Saal, obwohl ein hier so außergewöhn¬
liches Schauspiel darbietend, zeigte nur eine geringe Zahl anderer Per¬
sonen, als die zunächst Betheiligten. Herr Werner, dessen Verhaftung
im vorigen Jahre Gegenstand einer Unmasse von Zeitungsartikeln ge¬
wesen, hatte durch seine die Reformfrage kräftig anregende Schrift:
"An Hamburgs Bürger und die vom Gebiet" nicht geringes Aufse¬
hen erregt, hauptsächlich aber durch die bald nach dem Erscheinen sei¬
ner Broschüre, die im Grunde nur das oft Gesagte in neuer und
schlagender Weise wieder zu Markte brachte, kund gewordene Aengst-
lichkeit der Behörden. Letztere haben sich in der ganzen Angelegenheit
vielfacher l'nix r>.,s schuldig gemacht. Man denke nur an die aben¬
teuerliche Manuscriptentdeckunqsreise des Polizeisecretars Mevius --


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Ebertz erduldet? Schwerlich! Sie hat als Ersatz nicht einmal die
Hoffnung, daß es von nun an besser werden wird, weil die diesfäll-
sige Wirksamkeit des neuen Censors aus früherer Zeit bekannt ist.
„Dulden und ausharren" — mit diesem Motto sollte sich unsere
Presse schmücken. — Ich habe diesen Gegenstand vielleicht weiter
ausgedehnt, als es billig ist, aber ich hielt es für nothwendig, die
Welt von unseren Leiden in Kenntniß zu setzen und zugleich eine
Entschuldigung für den unseren strebsamen Publizisten hie und da
gemachten Vorwurf einer zu geringen Entschiedenheit zu beanspruchen.
Für das nächste Mal etwas zur Charakteristik unseres gesammten
literarischen Lebens.


IV.
Aus Ha in b u r g.

Werner's Hochverrathsprozeß. — Der Neubau und die Unterstützungsgelder.
— Leseinstitut. — Hoffmann und Campe.

Interessante Mittheilungen aus Hamburg lassen sich leichter ver¬
sprechen als schreiben. In der letzten Zeit hat sich nichts Wichtiges
ereignet, Nichts, was in den Brennpunkt des allgemeineren Interes¬
ses zu rücken wäre, jedoch diene mir der Werner'sche Hochverraths¬
prozeß, welcher, bis jetzt noch unentschieden, unzweifelhaft mit einer
Freisprechung enden wird, zum Anknüpfungspunkte. Unsere Manufac-
turwaaren- und Bankokontogemüther sind kaum für andere, als mer-
cantilische Dinge erregbar. Nur an der Börse, diesem geweihten Tem¬
pel, errichtet dem gemünzten Götzen des Jahrhunderts, rollt das Blut
rascher durch unsere Adern, nur hier schlagen unsere Pulse lebhafter
und die lumini-s I)In«v» der freien Hansestadt finden hier täglich
Spannung und Erregung. Der Werner'sche Prozeß, öffentlich ver¬
handelt, ließ einen großen Andrang, namentlich solcher Schau- und
Hörlustigen erwarten, welchen die Gelegenheit erwünscht scheinen konnte,
tiefere Blicke in unser Criminaljustizverfahren bei einem politischen
Rechtshändel zu thun. Dies Verlangen muß jedoch wenig vorherr¬
schend gewesen sein, denn der Saal, obwohl ein hier so außergewöhn¬
liches Schauspiel darbietend, zeigte nur eine geringe Zahl anderer Per¬
sonen, als die zunächst Betheiligten. Herr Werner, dessen Verhaftung
im vorigen Jahre Gegenstand einer Unmasse von Zeitungsartikeln ge¬
wesen, hatte durch seine die Reformfrage kräftig anregende Schrift:
„An Hamburgs Bürger und die vom Gebiet" nicht geringes Aufse¬
hen erregt, hauptsächlich aber durch die bald nach dem Erscheinen sei¬
ner Broschüre, die im Grunde nur das oft Gesagte in neuer und
schlagender Weise wieder zu Markte brachte, kund gewordene Aengst-
lichkeit der Behörden. Letztere haben sich in der ganzen Angelegenheit
vielfacher l'nix r>.,s schuldig gemacht. Man denke nur an die aben¬
teuerliche Manuscriptentdeckunqsreise des Polizeisecretars Mevius —


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/195>, abgerufen am 06.05.2024.