Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

unter den glänzenden Göttern und Heroen der Welt? Einsam würde
ich dastehen unter den hohen Herren; denn wo sind meine Thaten,
wo sind meine Siege, wer stellt mir das Patent meines Ruhmes
aus? Einsam würde ich stehen, wie ich jetzt stehe, kein blendender
Sohn der Sonne, kein Triumphator mit dem Lorbeerkranz, nein, ein
blutiges Nordlicht, kalt, thränenlos an dem starren, ehernen Himmel
des Pols.


Sie verlassen mich alle, die Freunde! Ich glaube nicht mehr
an Freundschaft. Ja, das Leben ist ein Krieg Aller mit Allen; blu¬
tig kämpfen wir uns wechselseitig das Dasein ab. Und wir müssen
es, wir sind Gladiatoren im Circus; Schonung wäre Wahnsinn!
Seit der Stern meiner Jugend versunken, habe ich mich abge¬
funden mit allen Träumen, mit dem elysischen Glück von Liebe und
Frieden. Die Fata Morgana ist im Sturme verweht, schneidend
fährt der rauhe Nord mir entgegen, da hüllt man sich fester in den
Mantel und schreitet durch die Nacht, starre Männerkraft im Bu¬
sen, über Trümmer, über Gräber, den heiligen Feuersäulen deö Sie¬
ges entgegen, oder dem blitzenden Richtschwert des Todesengels.
Fünfte Scene.
(Der Vorige. Billaud-Varennes. Collot d'Herbois. Barrüre.)

Billaud. Du vernachlässigst die Ausschüsse, Robespierre!
Collot. Wir kommen, Dich um die Ursache zu befragen.
Barrorc. Nun, nun! -- Robespierre spielt zuweilen den Ein-
cinnatuö und zieht sich von den Geschäften zurück. Er braucht Er¬
holung. -- Hier ist sein Tibur, und wir kennen ja auch seine lieb¬
liche Grazie. - Weshalb stören wir seine Muße?
Robespierre. Wer hat Dich zu meinem Advocaten gemacht,
Barrvre?
Billaud. Du bist Präsident unseres Ausschusses. Weshalb
erscheinst Du nicht?
Collot. Dein Stuhl ist immer leer. Soll Banko's Geist sich
darauf setzen?
Robespierre. Seid Ihr meine Richter?
Billaud. O Du bist unverantwortlich, Du bist erhaben über
uns Alle! Der Herzog von York hat recht, sie haben Alle recht, die

unter den glänzenden Göttern und Heroen der Welt? Einsam würde
ich dastehen unter den hohen Herren; denn wo sind meine Thaten,
wo sind meine Siege, wer stellt mir das Patent meines Ruhmes
aus? Einsam würde ich stehen, wie ich jetzt stehe, kein blendender
Sohn der Sonne, kein Triumphator mit dem Lorbeerkranz, nein, ein
blutiges Nordlicht, kalt, thränenlos an dem starren, ehernen Himmel
des Pols.


Sie verlassen mich alle, die Freunde! Ich glaube nicht mehr
an Freundschaft. Ja, das Leben ist ein Krieg Aller mit Allen; blu¬
tig kämpfen wir uns wechselseitig das Dasein ab. Und wir müssen
es, wir sind Gladiatoren im Circus; Schonung wäre Wahnsinn!
Seit der Stern meiner Jugend versunken, habe ich mich abge¬
funden mit allen Träumen, mit dem elysischen Glück von Liebe und
Frieden. Die Fata Morgana ist im Sturme verweht, schneidend
fährt der rauhe Nord mir entgegen, da hüllt man sich fester in den
Mantel und schreitet durch die Nacht, starre Männerkraft im Bu¬
sen, über Trümmer, über Gräber, den heiligen Feuersäulen deö Sie¬
ges entgegen, oder dem blitzenden Richtschwert des Todesengels.
Fünfte Scene.
(Der Vorige. Billaud-Varennes. Collot d'Herbois. Barrüre.)

Billaud. Du vernachlässigst die Ausschüsse, Robespierre!
Collot. Wir kommen, Dich um die Ursache zu befragen.
Barrorc. Nun, nun! — Robespierre spielt zuweilen den Ein-
cinnatuö und zieht sich von den Geschäften zurück. Er braucht Er¬
holung. — Hier ist sein Tibur, und wir kennen ja auch seine lieb¬
liche Grazie. - Weshalb stören wir seine Muße?
Robespierre. Wer hat Dich zu meinem Advocaten gemacht,
Barrvre?
Billaud. Du bist Präsident unseres Ausschusses. Weshalb
erscheinst Du nicht?
Collot. Dein Stuhl ist immer leer. Soll Banko's Geist sich
darauf setzen?
Robespierre. Seid Ihr meine Richter?
Billaud. O Du bist unverantwortlich, Du bist erhaben über
uns Alle! Der Herzog von York hat recht, sie haben Alle recht, die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0442" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181001"/>
            <p xml:id="ID_1056" prev="#ID_1055" next="#ID_1057"> unter den glänzenden Göttern und Heroen der Welt? Einsam würde<lb/>
ich dastehen unter den hohen Herren; denn wo sind meine Thaten,<lb/>
wo sind meine Siege, wer stellt mir das Patent meines Ruhmes<lb/>
aus? Einsam würde ich stehen, wie ich jetzt stehe, kein blendender<lb/>
Sohn der Sonne, kein Triumphator mit dem Lorbeerkranz, nein, ein<lb/>
blutiges Nordlicht, kalt, thränenlos an dem starren, ehernen Himmel<lb/>
des Pols.</p><lb/>
            <note type="speaker"> Sie verlassen mich alle, die Freunde! Ich glaube nicht mehr<lb/>
an Freundschaft. Ja, das Leben ist ein Krieg Aller mit Allen; blu¬<lb/>
tig kämpfen wir uns wechselseitig das Dasein ab. Und wir müssen<lb/>
es, wir sind Gladiatoren im Circus; Schonung wäre Wahnsinn!<lb/>
Seit der Stern meiner Jugend versunken, habe ich mich abge¬<lb/>
funden mit allen Träumen, mit dem elysischen Glück von Liebe und<lb/>
Frieden. Die Fata Morgana ist im Sturme verweht, schneidend<lb/>
fährt der rauhe Nord mir entgegen, da hüllt man sich fester in den<lb/>
Mantel und schreitet durch die Nacht, starre Männerkraft im Bu¬<lb/>
sen, über Trümmer, über Gräber, den heiligen Feuersäulen deö Sie¬<lb/>
ges entgegen, oder dem blitzenden Richtschwert des Todesengels.</note><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Fünfte Scene.</head><lb/>
            <castList>
              <castItem> (Der Vorige. Billaud-Varennes. Collot d'Herbois. Barrüre.)</castItem>
            </castList><lb/>
            <note type="speaker"> Billaud. Du vernachlässigst die Ausschüsse, Robespierre!</note><lb/>
            <note type="speaker"> Collot. Wir kommen, Dich um die Ursache zu befragen.</note><lb/>
            <note type="speaker"> Barrorc. Nun, nun! &#x2014; Robespierre spielt zuweilen den Ein-<lb/>
cinnatuö und zieht sich von den Geschäften zurück. Er braucht Er¬<lb/>
holung. &#x2014; Hier ist sein Tibur, und wir kennen ja auch seine lieb¬<lb/>
liche Grazie. - Weshalb stören wir seine Muße?</note><lb/>
            <note type="speaker"> Robespierre. Wer hat Dich zu meinem Advocaten gemacht,<lb/>
Barrvre?</note><lb/>
            <note type="speaker"> Billaud. Du bist Präsident unseres Ausschusses. Weshalb<lb/>
erscheinst Du nicht?</note><lb/>
            <note type="speaker"> Collot. Dein Stuhl ist immer leer. Soll Banko's Geist sich<lb/>
darauf setzen?</note><lb/>
            <note type="speaker"> Robespierre. Seid Ihr meine Richter?</note><lb/>
            <note type="speaker"> Billaud. O Du bist unverantwortlich, Du bist erhaben über<lb/>
uns Alle! Der Herzog von York hat recht, sie haben Alle recht, die</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0442] unter den glänzenden Göttern und Heroen der Welt? Einsam würde ich dastehen unter den hohen Herren; denn wo sind meine Thaten, wo sind meine Siege, wer stellt mir das Patent meines Ruhmes aus? Einsam würde ich stehen, wie ich jetzt stehe, kein blendender Sohn der Sonne, kein Triumphator mit dem Lorbeerkranz, nein, ein blutiges Nordlicht, kalt, thränenlos an dem starren, ehernen Himmel des Pols. Sie verlassen mich alle, die Freunde! Ich glaube nicht mehr an Freundschaft. Ja, das Leben ist ein Krieg Aller mit Allen; blu¬ tig kämpfen wir uns wechselseitig das Dasein ab. Und wir müssen es, wir sind Gladiatoren im Circus; Schonung wäre Wahnsinn! Seit der Stern meiner Jugend versunken, habe ich mich abge¬ funden mit allen Träumen, mit dem elysischen Glück von Liebe und Frieden. Die Fata Morgana ist im Sturme verweht, schneidend fährt der rauhe Nord mir entgegen, da hüllt man sich fester in den Mantel und schreitet durch die Nacht, starre Männerkraft im Bu¬ sen, über Trümmer, über Gräber, den heiligen Feuersäulen deö Sie¬ ges entgegen, oder dem blitzenden Richtschwert des Todesengels. Fünfte Scene. (Der Vorige. Billaud-Varennes. Collot d'Herbois. Barrüre.) Billaud. Du vernachlässigst die Ausschüsse, Robespierre! Collot. Wir kommen, Dich um die Ursache zu befragen. Barrorc. Nun, nun! — Robespierre spielt zuweilen den Ein- cinnatuö und zieht sich von den Geschäften zurück. Er braucht Er¬ holung. — Hier ist sein Tibur, und wir kennen ja auch seine lieb¬ liche Grazie. - Weshalb stören wir seine Muße? Robespierre. Wer hat Dich zu meinem Advocaten gemacht, Barrvre? Billaud. Du bist Präsident unseres Ausschusses. Weshalb erscheinst Du nicht? Collot. Dein Stuhl ist immer leer. Soll Banko's Geist sich darauf setzen? Robespierre. Seid Ihr meine Richter? Billaud. O Du bist unverantwortlich, Du bist erhaben über uns Alle! Der Herzog von York hat recht, sie haben Alle recht, die

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/442
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/442>, abgerufen am 06.05.2024.