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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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Münchner SVizzew
Von
Hermann Marggraff.



I.

Der norddeutsche Aterat und die baierische Einsiedelei. -- Der Wolkscharaktcr
und seine liebenswürdigen Seiten. -7- Die Presse als Sündenbock. -- God
von Berlichingen's journalistische Wirksamkeit. -- Biercensur. -- Apotheose
des Bieres. -- Der sociale Norden und der gesellige Süden. -- Baierns
Fortschritte. -- Erinnerung an Friedrich den Großen. -- Maximilian Joseph
III. und die Akademie der Wissenschaften. -- Trachten und Sitten. -- Thea¬
ter. -- Die deutsche Einheit auf der Bühne-

In Leipzig und Berlin, wo- überaus feine und kluge Leute die
Fluth der Weltgeschichte durch das tausendfach durchlöcherte Sieb
ihres Raisonnements leiten und läutern, -- obgleich man gegenseitig
darüber sehr im Unklaren ist, wer das rechte Sieb besitze, -- hat man
über München zum Theil gar confuse und possierliche Ansichten, etwa
wie die Bewohner von Tombuktu über Jrkutsk, oder die von Jrkutsk
über Tombuktu. Möglich, daß sich der Münchner dadurch rächt, daß
er sich eben so wenig um die literarischen und journalistischen Ge¬
heimnisse Leipzigs und Berlins kümmert und nicht weiß, was zu
Berlin im Schooße der spargnapanischen Zuckerbäckerei, oder in der
Leipziger Literaturbäckerei sich historisch oder philosophisch oder poli-
tijch entwickelt. Leider gelangen die Semmeln des Raisonnements,
welche man in beiden norddeutschen Städten warm aus dem Ofen
schiebt, hier ziemlich kalt und trocken oder in abgerissenen Bröcklein
an, wie sie von reicher Herren Tischen fallen, damit der süddeutsche
Lazarus daran sich faltige. Indeß besitzt dieser, und namentlich der
Münchner, eine eigenthümliche Flüssigkeit, von der ein geistreicher
Wälsche, der Verfasser des Buches "II viverv", schreibt: Man be-


GriUjbotm 184i. II.
Münchner SVizzew
Von
Hermann Marggraff.



I.

Der norddeutsche Aterat und die baierische Einsiedelei. — Der Wolkscharaktcr
und seine liebenswürdigen Seiten. -7- Die Presse als Sündenbock. — God
von Berlichingen's journalistische Wirksamkeit. — Biercensur. — Apotheose
des Bieres. — Der sociale Norden und der gesellige Süden. — Baierns
Fortschritte. — Erinnerung an Friedrich den Großen. — Maximilian Joseph
III. und die Akademie der Wissenschaften. — Trachten und Sitten. — Thea¬
ter. — Die deutsche Einheit auf der Bühne-

In Leipzig und Berlin, wo- überaus feine und kluge Leute die
Fluth der Weltgeschichte durch das tausendfach durchlöcherte Sieb
ihres Raisonnements leiten und läutern, — obgleich man gegenseitig
darüber sehr im Unklaren ist, wer das rechte Sieb besitze, — hat man
über München zum Theil gar confuse und possierliche Ansichten, etwa
wie die Bewohner von Tombuktu über Jrkutsk, oder die von Jrkutsk
über Tombuktu. Möglich, daß sich der Münchner dadurch rächt, daß
er sich eben so wenig um die literarischen und journalistischen Ge¬
heimnisse Leipzigs und Berlins kümmert und nicht weiß, was zu
Berlin im Schooße der spargnapanischen Zuckerbäckerei, oder in der
Leipziger Literaturbäckerei sich historisch oder philosophisch oder poli-
tijch entwickelt. Leider gelangen die Semmeln des Raisonnements,
welche man in beiden norddeutschen Städten warm aus dem Ofen
schiebt, hier ziemlich kalt und trocken oder in abgerissenen Bröcklein
an, wie sie von reicher Herren Tischen fallen, damit der süddeutsche
Lazarus daran sich faltige. Indeß besitzt dieser, und namentlich der
Münchner, eine eigenthümliche Flüssigkeit, von der ein geistreicher
Wälsche, der Verfasser des Buches „II viverv", schreibt: Man be-


GriUjbotm 184i. II.
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[0489] Münchner SVizzew Von Hermann Marggraff. I. Der norddeutsche Aterat und die baierische Einsiedelei. — Der Wolkscharaktcr und seine liebenswürdigen Seiten. -7- Die Presse als Sündenbock. — God von Berlichingen's journalistische Wirksamkeit. — Biercensur. — Apotheose des Bieres. — Der sociale Norden und der gesellige Süden. — Baierns Fortschritte. — Erinnerung an Friedrich den Großen. — Maximilian Joseph III. und die Akademie der Wissenschaften. — Trachten und Sitten. — Thea¬ ter. — Die deutsche Einheit auf der Bühne- In Leipzig und Berlin, wo- überaus feine und kluge Leute die Fluth der Weltgeschichte durch das tausendfach durchlöcherte Sieb ihres Raisonnements leiten und läutern, — obgleich man gegenseitig darüber sehr im Unklaren ist, wer das rechte Sieb besitze, — hat man über München zum Theil gar confuse und possierliche Ansichten, etwa wie die Bewohner von Tombuktu über Jrkutsk, oder die von Jrkutsk über Tombuktu. Möglich, daß sich der Münchner dadurch rächt, daß er sich eben so wenig um die literarischen und journalistischen Ge¬ heimnisse Leipzigs und Berlins kümmert und nicht weiß, was zu Berlin im Schooße der spargnapanischen Zuckerbäckerei, oder in der Leipziger Literaturbäckerei sich historisch oder philosophisch oder poli- tijch entwickelt. Leider gelangen die Semmeln des Raisonnements, welche man in beiden norddeutschen Städten warm aus dem Ofen schiebt, hier ziemlich kalt und trocken oder in abgerissenen Bröcklein an, wie sie von reicher Herren Tischen fallen, damit der süddeutsche Lazarus daran sich faltige. Indeß besitzt dieser, und namentlich der Münchner, eine eigenthümliche Flüssigkeit, von der ein geistreicher Wälsche, der Verfasser des Buches „II viverv", schreibt: Man be- GriUjbotm 184i. II.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/489>, abgerufen am 06.05.2024.