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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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hingewiesen wird. Wer zwischen den Zeilen zu lesen versteht, wird
den Gedanken des Feuilletonisten vollkommen errathen.

Wie es heißt, sollen mit dem Ablauf ihrer Privilegien die gegen¬
wärtig hier bestehenden unehrbaren Häuser ganzlich eingehen. Wir
sind gewiß keine Verehrer und Vertheidiger dieser sittenlosen Wirth¬
schaften, aber wir erinnern daran, daß ein ähnliches Verbot unter der
Regierung der frommen Kaiserin Maria Theresia .nicht wenig dazu
beitrug, das damalige Wien in seinen ehrbaren Familien zu entsitt¬
lichen, und daß man daran die Nothwendigkeit erkannte, in großen
Städten ieme mit unseren gesellschaftlichen Einrichtungen verbundenen
Uebelstande zu dulden, wenn auch dabei streng zu beaufsichtigen.

Ein Mann, der während der letzten Regierungsjahre des verstor¬
benen Königs viel genannt wurde, der Geheime Hofrath Wedecke, der
von Herrn von Tzschoppe sehr häufig zu geheimen Missionen gebraucht
wurde, hat jetzt eine öffentliche Mission nach dem Auslande erhalten, indem
er sich als preußischer Consul nach Galatz in der Moldau begeben wird.

Der längst angekündigte Austritt des Justizministers Muster
bestätigt sich zwar, jedoch mit der Modifikation, daß Herr Muster
eine neugebildete Abtheilung dieses Departements, nämlich das Mini¬
sterium für Begnadigungs- und Beschwerdeangelcgenheitcn erhält, wäh¬
rend außerdem das Justizministerium in zwei Abtheilungen zerfallt:
in eine für die altpreußischen Provinzen unter Leitung des bisherigen
Geheimen Oberjustizraths und Domcapitulars Herrn von Voß, und
in eine für die Rheinprovinz unter Leitung des bisherigen Directors
im Justizministerium, Herrn Ruppenthal. Unser Staatsministerium
wird dadurch wieder um zwei Mitglieder vermehrt.


Justus.
IV.
Notizen.

Russische Feldherrn. -- Aus Königsberg. -- Welp. -- Der ewige Jude jm
Leipzig. -- Merivalc. -- Die Repeal- -- Marocco.

-- Es ist eine auffallende Erscheinung, daß die ausgezeichnetsten
Feldherren, die Rußland seit seiner neueren Epoche gehabt hat, in
Ungnade gestorben sind. Wie es scheint, kann der russische Staat eine
geniale Individualität, die nicht blos durch den Tschin, sondern durch
selbständigen Geist dem Vaterlands dient, nicht ertragen. Sobald ein
solcher Held volksthümlich geworden, hat seine Stunde geschlagen.
Suwarow starb in Ungnade; neuerdings verkümmert ein Mann des
Volks und der Armee, der berühmte Jermoloff, den der "Reisende
am schwarzen Meere" in der Augsburger Allgemeinen sehr fein skizzirt
hat, in Kränkung und Gram über die erfahrene Ungnade. Selbst


hingewiesen wird. Wer zwischen den Zeilen zu lesen versteht, wird
den Gedanken des Feuilletonisten vollkommen errathen.

Wie es heißt, sollen mit dem Ablauf ihrer Privilegien die gegen¬
wärtig hier bestehenden unehrbaren Häuser ganzlich eingehen. Wir
sind gewiß keine Verehrer und Vertheidiger dieser sittenlosen Wirth¬
schaften, aber wir erinnern daran, daß ein ähnliches Verbot unter der
Regierung der frommen Kaiserin Maria Theresia .nicht wenig dazu
beitrug, das damalige Wien in seinen ehrbaren Familien zu entsitt¬
lichen, und daß man daran die Nothwendigkeit erkannte, in großen
Städten ieme mit unseren gesellschaftlichen Einrichtungen verbundenen
Uebelstande zu dulden, wenn auch dabei streng zu beaufsichtigen.

Ein Mann, der während der letzten Regierungsjahre des verstor¬
benen Königs viel genannt wurde, der Geheime Hofrath Wedecke, der
von Herrn von Tzschoppe sehr häufig zu geheimen Missionen gebraucht
wurde, hat jetzt eine öffentliche Mission nach dem Auslande erhalten, indem
er sich als preußischer Consul nach Galatz in der Moldau begeben wird.

Der längst angekündigte Austritt des Justizministers Muster
bestätigt sich zwar, jedoch mit der Modifikation, daß Herr Muster
eine neugebildete Abtheilung dieses Departements, nämlich das Mini¬
sterium für Begnadigungs- und Beschwerdeangelcgenheitcn erhält, wäh¬
rend außerdem das Justizministerium in zwei Abtheilungen zerfallt:
in eine für die altpreußischen Provinzen unter Leitung des bisherigen
Geheimen Oberjustizraths und Domcapitulars Herrn von Voß, und
in eine für die Rheinprovinz unter Leitung des bisherigen Directors
im Justizministerium, Herrn Ruppenthal. Unser Staatsministerium
wird dadurch wieder um zwei Mitglieder vermehrt.


Justus.
IV.
Notizen.

Russische Feldherrn. — Aus Königsberg. — Welp. — Der ewige Jude jm
Leipzig. — Merivalc. — Die Repeal- — Marocco.

— Es ist eine auffallende Erscheinung, daß die ausgezeichnetsten
Feldherren, die Rußland seit seiner neueren Epoche gehabt hat, in
Ungnade gestorben sind. Wie es scheint, kann der russische Staat eine
geniale Individualität, die nicht blos durch den Tschin, sondern durch
selbständigen Geist dem Vaterlands dient, nicht ertragen. Sobald ein
solcher Held volksthümlich geworden, hat seine Stunde geschlagen.
Suwarow starb in Ungnade; neuerdings verkümmert ein Mann des
Volks und der Armee, der berühmte Jermoloff, den der „Reisende
am schwarzen Meere" in der Augsburger Allgemeinen sehr fein skizzirt
hat, in Kränkung und Gram über die erfahrene Ungnade. Selbst


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[0054] hingewiesen wird. Wer zwischen den Zeilen zu lesen versteht, wird den Gedanken des Feuilletonisten vollkommen errathen. Wie es heißt, sollen mit dem Ablauf ihrer Privilegien die gegen¬ wärtig hier bestehenden unehrbaren Häuser ganzlich eingehen. Wir sind gewiß keine Verehrer und Vertheidiger dieser sittenlosen Wirth¬ schaften, aber wir erinnern daran, daß ein ähnliches Verbot unter der Regierung der frommen Kaiserin Maria Theresia .nicht wenig dazu beitrug, das damalige Wien in seinen ehrbaren Familien zu entsitt¬ lichen, und daß man daran die Nothwendigkeit erkannte, in großen Städten ieme mit unseren gesellschaftlichen Einrichtungen verbundenen Uebelstande zu dulden, wenn auch dabei streng zu beaufsichtigen. Ein Mann, der während der letzten Regierungsjahre des verstor¬ benen Königs viel genannt wurde, der Geheime Hofrath Wedecke, der von Herrn von Tzschoppe sehr häufig zu geheimen Missionen gebraucht wurde, hat jetzt eine öffentliche Mission nach dem Auslande erhalten, indem er sich als preußischer Consul nach Galatz in der Moldau begeben wird. Der längst angekündigte Austritt des Justizministers Muster bestätigt sich zwar, jedoch mit der Modifikation, daß Herr Muster eine neugebildete Abtheilung dieses Departements, nämlich das Mini¬ sterium für Begnadigungs- und Beschwerdeangelcgenheitcn erhält, wäh¬ rend außerdem das Justizministerium in zwei Abtheilungen zerfallt: in eine für die altpreußischen Provinzen unter Leitung des bisherigen Geheimen Oberjustizraths und Domcapitulars Herrn von Voß, und in eine für die Rheinprovinz unter Leitung des bisherigen Directors im Justizministerium, Herrn Ruppenthal. Unser Staatsministerium wird dadurch wieder um zwei Mitglieder vermehrt. Justus. IV. Notizen. Russische Feldherrn. — Aus Königsberg. — Welp. — Der ewige Jude jm Leipzig. — Merivalc. — Die Repeal- — Marocco. — Es ist eine auffallende Erscheinung, daß die ausgezeichnetsten Feldherren, die Rußland seit seiner neueren Epoche gehabt hat, in Ungnade gestorben sind. Wie es scheint, kann der russische Staat eine geniale Individualität, die nicht blos durch den Tschin, sondern durch selbständigen Geist dem Vaterlands dient, nicht ertragen. Sobald ein solcher Held volksthümlich geworden, hat seine Stunde geschlagen. Suwarow starb in Ungnade; neuerdings verkümmert ein Mann des Volks und der Armee, der berühmte Jermoloff, den der „Reisende am schwarzen Meere" in der Augsburger Allgemeinen sehr fein skizzirt hat, in Kränkung und Gram über die erfahrene Ungnade. Selbst

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/54>, abgerufen am 06.05.2024.