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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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Sorge um das Wohl des Staates, man gewöhnte die Besseren, nicht
an die Zukunft zu denken, und gab das Steuerruder der öffentlichen
Meinung egoistischen Stellenjägern, blinden Schmeichlern, leeren Nach¬
betern oder den falschen Rathgebern des wirklichen "Auslandes" in
die Hand. Dennoch versicherte man -- und täuschte sich wohl selbst
darin -- daß man ungemein deutsch sei, und -- :c. bis --" Aber, um
Gottes Willen, rufen uns die immer Lächelnden, Wohlmeinenden und
Ruhigen zu, was Sie für schwarzgallige Traume haben. Sein Sie
versichert, man wird diesen "armen, patriotischen Schriftsteller" weder
hangen, noch braten; es wird ihm nicht das Mindeste geschehen. Se¬
hen Sie denn nicht, daß die Untersuchung nur der Form wegen und
aus Rücksicht für ein mächtiges Cabinet eingeleitet ist? -- Dies
eben ist das Traurige. Entweder es hat keine russische Re¬
quisition stattgefunden; dann thut man unnöthiger Weise freiwillig,
was einer keineswegs freundlichen Macht zur Aufmunterung in ih¬
ren Wühlereien dienen muß. Oder man hat den wahren Grund
der Untersuchung angegeben und gesteht öffentlich, welche Rück¬
sicht und Nachgiebigkeit man gegen ein Reich beobachtet, welches
dem Fortschritt überhaupt, der Zukunft Oesterreichs aber besonders
feindlich ist. Und welche Schlüsse muß man nicht aus diesem Be¬
nehmen bei einer kleinen, bereits öffentlichen Angelegenheit auf die
Haltung im Großen, in den Angelegenheiten der äußeren Politik ma¬
chen, welche geheim betrieben werden und wo daher keine Scheu
vor dem Urtheil des Volkes jener rücksichtsvollen Nachgiebigkeit die
Waage hält?! --


Hi.
Notizen.

Sternberg's "Jena und Leipzig" und Heinrich König. -- Meißner und Hart¬
mann. -- Journalistik und Publicistik; der Herold. -- Hamburg, Wien und
Berlin im Orient. -- Religion und Industrie. -- Tragikomisches. -- "Als
Mensch!" -- Tillv. -- Die Pensionsfrage. -- Heinrich IV. und seine Poeten.
-- Preußische Staatsactionen. -- Göthe in Frankfurt. -- Wink für deutsche
Dramatiker.

-- Heinrich König gehört zu den liebenswürdigen Kritikern,
welche ein mildes und doch allseitig treffendes Urtheil zu fällen wissen.
Wenigstens fanden wir dies in seiner Besprechung von Sternberg's
Novelle: "Jena und Leipzig" (in der Augsb. Allgem. Zeitung). Kö¬
nig nennt sie eine politische Novelle und mit Recht, obgleich es Stern¬
berg nicht gelingen konnte, die gewaltige Volkserhebung von 18IZ
oder die tiefe Erniedrigung Deutschlands nach dem Tag von Jena
auch nur schattenhaft wiederzugeben. Der v. Selbitz kann mit seinen
Brutusgrimassen nicht wohl den deutschen Unmuth von damals aus-


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dets man vielen Vaterlandsfreunden die freiwillige und hingebende
Sorge um das Wohl des Staates, man gewöhnte die Besseren, nicht
an die Zukunft zu denken, und gab das Steuerruder der öffentlichen
Meinung egoistischen Stellenjägern, blinden Schmeichlern, leeren Nach¬
betern oder den falschen Rathgebern des wirklichen „Auslandes" in
die Hand. Dennoch versicherte man — und täuschte sich wohl selbst
darin — daß man ungemein deutsch sei, und — :c. bis —" Aber, um
Gottes Willen, rufen uns die immer Lächelnden, Wohlmeinenden und
Ruhigen zu, was Sie für schwarzgallige Traume haben. Sein Sie
versichert, man wird diesen „armen, patriotischen Schriftsteller" weder
hangen, noch braten; es wird ihm nicht das Mindeste geschehen. Se¬
hen Sie denn nicht, daß die Untersuchung nur der Form wegen und
aus Rücksicht für ein mächtiges Cabinet eingeleitet ist? — Dies
eben ist das Traurige. Entweder es hat keine russische Re¬
quisition stattgefunden; dann thut man unnöthiger Weise freiwillig,
was einer keineswegs freundlichen Macht zur Aufmunterung in ih¬
ren Wühlereien dienen muß. Oder man hat den wahren Grund
der Untersuchung angegeben und gesteht öffentlich, welche Rück¬
sicht und Nachgiebigkeit man gegen ein Reich beobachtet, welches
dem Fortschritt überhaupt, der Zukunft Oesterreichs aber besonders
feindlich ist. Und welche Schlüsse muß man nicht aus diesem Be¬
nehmen bei einer kleinen, bereits öffentlichen Angelegenheit auf die
Haltung im Großen, in den Angelegenheiten der äußeren Politik ma¬
chen, welche geheim betrieben werden und wo daher keine Scheu
vor dem Urtheil des Volkes jener rücksichtsvollen Nachgiebigkeit die
Waage hält?! —


Hi.
Notizen.

Sternberg's „Jena und Leipzig" und Heinrich König. — Meißner und Hart¬
mann. — Journalistik und Publicistik; der Herold. — Hamburg, Wien und
Berlin im Orient. — Religion und Industrie. — Tragikomisches. — „Als
Mensch!" — Tillv. — Die Pensionsfrage. — Heinrich IV. und seine Poeten.
— Preußische Staatsactionen. — Göthe in Frankfurt. — Wink für deutsche
Dramatiker.

— Heinrich König gehört zu den liebenswürdigen Kritikern,
welche ein mildes und doch allseitig treffendes Urtheil zu fällen wissen.
Wenigstens fanden wir dies in seiner Besprechung von Sternberg's
Novelle: „Jena und Leipzig" (in der Augsb. Allgem. Zeitung). Kö¬
nig nennt sie eine politische Novelle und mit Recht, obgleich es Stern¬
berg nicht gelingen konnte, die gewaltige Volkserhebung von 18IZ
oder die tiefe Erniedrigung Deutschlands nach dem Tag von Jena
auch nur schattenhaft wiederzugeben. Der v. Selbitz kann mit seinen
Brutusgrimassen nicht wohl den deutschen Unmuth von damals aus-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/239>, abgerufen am 01.05.2024.