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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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Die "Aufzeichnungen eines österreichischen Militärs." -- Falsche Bermuthun-
gen über den Autor derselben. -- Ihre Wirkungen. - Das österreichische Cri-
minalqeselzbuch Und die Gerichtsordnung. -- Kaiser Joseph's Fluch. -- Ein-
wcihunusfest der Wien-Grä-zer Eisenbahn. -- Toaste. -- Lenau'6 Krankheit.--
List. -- "Die Körbe" von Berger.

Brachten uns doch die Journale häusig solche Artikel, wie die
"Aufzeichnungen eines österreichischen Militärs" in den
Grenzboten. Das zündet und wirkt. Solche Enthüllungen factischer
Details, solche praktische Nachweisungen eingeschlichener Mißbräuche
erwecken nicht blos die Theilnahme eines scandalsüchtigen Publicums,
sondern auch die Aufmerksamkeit des ernsten Staatsmannes. Das ist
ja eben das Bedauernswerthe der Lage Oesterreichs, daß man in Wien
die Mißbräuche, welche sich die untere Verwaltung in den Provinzen
erlaubt, nicht genau kennt. Die Piccolomini und die Questenberge
referiren noch immer aus den Lagern, was sie sehen, und schweigen
von dem, was sie nicht sehen wollen. Gott ist hoch und der Czar
-ist weit, läßt sich auch von Oesterreich sagen. Die große Klippe Oe¬
sterreichs, der Mangel an Centralisation, ist nicht blos in Bezug auf
die Nationalitäten, sondern auch in Bezug auf die Verwaltung zu
verstehen. Nicht alle Fäden liegen in den Händen der Wiener Cen¬
tral- (Hof-) Stellen, und je weiter und tiefer die Beamten sind, um
desto leichter wissen sie sich dem Auge der höchsten Administration zu
entziehen. Herr Stephan Thurm schildert blos die Artillerie, und doch
ist dieser Theil unserer Armee bekanntlich der beste und gerühmttste,
wie erst, wenn er die Geheimnisse anderer Truppengattungen lüften
wollte. Ich kann Ihnen die Nachricht geben, daß diese "Aufzeichnun¬
gen" nähere Untersuchungen veranlaßten, nicht blos, weil man hinter


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Die „Aufzeichnungen eines österreichischen Militärs." — Falsche Bermuthun-
gen über den Autor derselben. — Ihre Wirkungen. - Das österreichische Cri-
minalqeselzbuch Und die Gerichtsordnung. — Kaiser Joseph's Fluch. — Ein-
wcihunusfest der Wien-Grä-zer Eisenbahn. — Toaste. — Lenau'6 Krankheit.—
List. — „Die Körbe" von Berger.

Brachten uns doch die Journale häusig solche Artikel, wie die
„Aufzeichnungen eines österreichischen Militärs" in den
Grenzboten. Das zündet und wirkt. Solche Enthüllungen factischer
Details, solche praktische Nachweisungen eingeschlichener Mißbräuche
erwecken nicht blos die Theilnahme eines scandalsüchtigen Publicums,
sondern auch die Aufmerksamkeit des ernsten Staatsmannes. Das ist
ja eben das Bedauernswerthe der Lage Oesterreichs, daß man in Wien
die Mißbräuche, welche sich die untere Verwaltung in den Provinzen
erlaubt, nicht genau kennt. Die Piccolomini und die Questenberge
referiren noch immer aus den Lagern, was sie sehen, und schweigen
von dem, was sie nicht sehen wollen. Gott ist hoch und der Czar
-ist weit, läßt sich auch von Oesterreich sagen. Die große Klippe Oe¬
sterreichs, der Mangel an Centralisation, ist nicht blos in Bezug auf
die Nationalitäten, sondern auch in Bezug auf die Verwaltung zu
verstehen. Nicht alle Fäden liegen in den Händen der Wiener Cen¬
tral- (Hof-) Stellen, und je weiter und tiefer die Beamten sind, um
desto leichter wissen sie sich dem Auge der höchsten Administration zu
entziehen. Herr Stephan Thurm schildert blos die Artillerie, und doch
ist dieser Theil unserer Armee bekanntlich der beste und gerühmttste,
wie erst, wenn er die Geheimnisse anderer Truppengattungen lüften
wollte. Ich kann Ihnen die Nachricht geben, daß diese „Aufzeichnun¬
gen" nähere Untersuchungen veranlaßten, nicht blos, weil man hinter


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[0327] T a g e b u es. !. A I! s W i c II. Die „Aufzeichnungen eines österreichischen Militärs." — Falsche Bermuthun- gen über den Autor derselben. — Ihre Wirkungen. - Das österreichische Cri- minalqeselzbuch Und die Gerichtsordnung. — Kaiser Joseph's Fluch. — Ein- wcihunusfest der Wien-Grä-zer Eisenbahn. — Toaste. — Lenau'6 Krankheit.— List. — „Die Körbe" von Berger. Brachten uns doch die Journale häusig solche Artikel, wie die „Aufzeichnungen eines österreichischen Militärs" in den Grenzboten. Das zündet und wirkt. Solche Enthüllungen factischer Details, solche praktische Nachweisungen eingeschlichener Mißbräuche erwecken nicht blos die Theilnahme eines scandalsüchtigen Publicums, sondern auch die Aufmerksamkeit des ernsten Staatsmannes. Das ist ja eben das Bedauernswerthe der Lage Oesterreichs, daß man in Wien die Mißbräuche, welche sich die untere Verwaltung in den Provinzen erlaubt, nicht genau kennt. Die Piccolomini und die Questenberge referiren noch immer aus den Lagern, was sie sehen, und schweigen von dem, was sie nicht sehen wollen. Gott ist hoch und der Czar -ist weit, läßt sich auch von Oesterreich sagen. Die große Klippe Oe¬ sterreichs, der Mangel an Centralisation, ist nicht blos in Bezug auf die Nationalitäten, sondern auch in Bezug auf die Verwaltung zu verstehen. Nicht alle Fäden liegen in den Händen der Wiener Cen¬ tral- (Hof-) Stellen, und je weiter und tiefer die Beamten sind, um desto leichter wissen sie sich dem Auge der höchsten Administration zu entziehen. Herr Stephan Thurm schildert blos die Artillerie, und doch ist dieser Theil unserer Armee bekanntlich der beste und gerühmttste, wie erst, wenn er die Geheimnisse anderer Truppengattungen lüften wollte. Ich kann Ihnen die Nachricht geben, daß diese „Aufzeichnun¬ gen" nähere Untersuchungen veranlaßten, nicht blos, weil man hinter 41 »

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/327>, abgerufen am 02.05.2024.