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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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der Ideen zu verfolgen, welche den Mann zu diesem Schritte bewogen
haben. Wahrlich, es gehört keine kleine Selbstverlaugnung dazu, aus
dem Schooße einer Kirche zu treten, wo man den Vollgenuß wenig¬
stens der bürgerlichen Rechte hat und sich den Reihen einer Nation
einzuverleiben, deren Antheil, nebst den tausend religiösen Beschwer¬
lichkeiten, die dem Gläubigen auferlegt sind, nur Unglück und Schmach
ist; und wenn vielleicht gerade diese letztem Beziehungen für den
Schwärmer den Reiz nur noch vergrößern, so behaupten Leute, die
mit dem Konvertiten genauer bekannt waren, daß er weit entfernt, ein
Schwärmer zu sein, in allen Lebensbeziehungen einen gesunden kräf¬
tigen Verstand offenbare. -- Den Ronge'sehen Brief brachte von bai-
rischen Blättern blos der Nürnberger Courier, der aber hier nicht ge¬
lesen wird. Doch ist der Brief hier in Aller Mund. -- Nachdem
auf unsrer Bühne Feldmanns "schöne Athenienserin" mit vielem Bei¬
fall über die Bretter gegangen, sahen wir vergangenen Donnerstag ein
neues Lustspiel von Ringier, "der Wind hat sich gedreht", dessen Er¬
folg etwas zweifelhafter war, da, trotz des vielfach verschlungenen
Knotens, die vorkommenden Witze ziemlich trivial sind und auch der
Dialog nicht sehr edel gehalten ist und an das Gebiet der Posse
streift. Die zunächst an die Reihe kommende Neuigkeit ist Laube's
Struensee. Es wurden bereits die Leseproben gehalten und das Ge¬
rücht, als ob ihm politische Hindernisse im Wege stünden, widerlegt
in... sich so von selbst.


IV.
Notizen.

In Skandinavien, von Eduard Boas. -- Libussa, Jahrbuch für 1845 - -
Walderode-

-- Der altgermanische Norden ist seit einiger Zeit Lieblingsstu¬
dium unserer fahrenden Schriftsteller. Fredrika Bremer und Flvgarv-
Carivn zogen die Lesewelt durch die Schilderung schwedischen Still¬
lebens an, während die Erinnerung an den Ursprung der freisinnigsten
modernen Staatsinstitutionen den Blick der Publicisten auf Norwegen
und seine einfach freie Verfassung lenkte. Mügge hat seine Reise
nach Schweden und Norwegen vorzugsweise vom publicistischen Stand-,
punkt beschrieben und in Norwegen Parallelstellen mit deutschen Sitten
und Gesetzen gesucht, wobei der zwischen den Zeilen stehende Vergleich
leider nicht schmeichelhaft für uns .ausfallen konnte. Laube's "D"l
Königsstädte (Stockholm, Christiania, Kopenhagen) werden, so viel wir
wissen, mehr historische Darstellungen enthalten, .-- wir verweisen auf
das zeitgemäße Capitel: Gustav Adolph -- und die Verhältnisse
äußerer Politik im Norden berücksichtigen. Wer diese Touristen nach


der Ideen zu verfolgen, welche den Mann zu diesem Schritte bewogen
haben. Wahrlich, es gehört keine kleine Selbstverlaugnung dazu, aus
dem Schooße einer Kirche zu treten, wo man den Vollgenuß wenig¬
stens der bürgerlichen Rechte hat und sich den Reihen einer Nation
einzuverleiben, deren Antheil, nebst den tausend religiösen Beschwer¬
lichkeiten, die dem Gläubigen auferlegt sind, nur Unglück und Schmach
ist; und wenn vielleicht gerade diese letztem Beziehungen für den
Schwärmer den Reiz nur noch vergrößern, so behaupten Leute, die
mit dem Konvertiten genauer bekannt waren, daß er weit entfernt, ein
Schwärmer zu sein, in allen Lebensbeziehungen einen gesunden kräf¬
tigen Verstand offenbare. — Den Ronge'sehen Brief brachte von bai-
rischen Blättern blos der Nürnberger Courier, der aber hier nicht ge¬
lesen wird. Doch ist der Brief hier in Aller Mund. — Nachdem
auf unsrer Bühne Feldmanns „schöne Athenienserin" mit vielem Bei¬
fall über die Bretter gegangen, sahen wir vergangenen Donnerstag ein
neues Lustspiel von Ringier, „der Wind hat sich gedreht", dessen Er¬
folg etwas zweifelhafter war, da, trotz des vielfach verschlungenen
Knotens, die vorkommenden Witze ziemlich trivial sind und auch der
Dialog nicht sehr edel gehalten ist und an das Gebiet der Posse
streift. Die zunächst an die Reihe kommende Neuigkeit ist Laube's
Struensee. Es wurden bereits die Leseproben gehalten und das Ge¬
rücht, als ob ihm politische Hindernisse im Wege stünden, widerlegt
in... sich so von selbst.


IV.
Notizen.

In Skandinavien, von Eduard Boas. — Libussa, Jahrbuch für 1845 - -
Walderode-

— Der altgermanische Norden ist seit einiger Zeit Lieblingsstu¬
dium unserer fahrenden Schriftsteller. Fredrika Bremer und Flvgarv-
Carivn zogen die Lesewelt durch die Schilderung schwedischen Still¬
lebens an, während die Erinnerung an den Ursprung der freisinnigsten
modernen Staatsinstitutionen den Blick der Publicisten auf Norwegen
und seine einfach freie Verfassung lenkte. Mügge hat seine Reise
nach Schweden und Norwegen vorzugsweise vom publicistischen Stand-,
punkt beschrieben und in Norwegen Parallelstellen mit deutschen Sitten
und Gesetzen gesucht, wobei der zwischen den Zeilen stehende Vergleich
leider nicht schmeichelhaft für uns .ausfallen konnte. Laube's „D«l
Königsstädte (Stockholm, Christiania, Kopenhagen) werden, so viel wir
wissen, mehr historische Darstellungen enthalten, .— wir verweisen auf
das zeitgemäße Capitel: Gustav Adolph — und die Verhältnisse
äußerer Politik im Norden berücksichtigen. Wer diese Touristen nach


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[0614] der Ideen zu verfolgen, welche den Mann zu diesem Schritte bewogen haben. Wahrlich, es gehört keine kleine Selbstverlaugnung dazu, aus dem Schooße einer Kirche zu treten, wo man den Vollgenuß wenig¬ stens der bürgerlichen Rechte hat und sich den Reihen einer Nation einzuverleiben, deren Antheil, nebst den tausend religiösen Beschwer¬ lichkeiten, die dem Gläubigen auferlegt sind, nur Unglück und Schmach ist; und wenn vielleicht gerade diese letztem Beziehungen für den Schwärmer den Reiz nur noch vergrößern, so behaupten Leute, die mit dem Konvertiten genauer bekannt waren, daß er weit entfernt, ein Schwärmer zu sein, in allen Lebensbeziehungen einen gesunden kräf¬ tigen Verstand offenbare. — Den Ronge'sehen Brief brachte von bai- rischen Blättern blos der Nürnberger Courier, der aber hier nicht ge¬ lesen wird. Doch ist der Brief hier in Aller Mund. — Nachdem auf unsrer Bühne Feldmanns „schöne Athenienserin" mit vielem Bei¬ fall über die Bretter gegangen, sahen wir vergangenen Donnerstag ein neues Lustspiel von Ringier, „der Wind hat sich gedreht", dessen Er¬ folg etwas zweifelhafter war, da, trotz des vielfach verschlungenen Knotens, die vorkommenden Witze ziemlich trivial sind und auch der Dialog nicht sehr edel gehalten ist und an das Gebiet der Posse streift. Die zunächst an die Reihe kommende Neuigkeit ist Laube's Struensee. Es wurden bereits die Leseproben gehalten und das Ge¬ rücht, als ob ihm politische Hindernisse im Wege stünden, widerlegt in... sich so von selbst. IV. Notizen. In Skandinavien, von Eduard Boas. — Libussa, Jahrbuch für 1845 - - Walderode- — Der altgermanische Norden ist seit einiger Zeit Lieblingsstu¬ dium unserer fahrenden Schriftsteller. Fredrika Bremer und Flvgarv- Carivn zogen die Lesewelt durch die Schilderung schwedischen Still¬ lebens an, während die Erinnerung an den Ursprung der freisinnigsten modernen Staatsinstitutionen den Blick der Publicisten auf Norwegen und seine einfach freie Verfassung lenkte. Mügge hat seine Reise nach Schweden und Norwegen vorzugsweise vom publicistischen Stand-, punkt beschrieben und in Norwegen Parallelstellen mit deutschen Sitten und Gesetzen gesucht, wobei der zwischen den Zeilen stehende Vergleich leider nicht schmeichelhaft für uns .ausfallen konnte. Laube's „D«l Königsstädte (Stockholm, Christiania, Kopenhagen) werden, so viel wir wissen, mehr historische Darstellungen enthalten, .— wir verweisen auf das zeitgemäße Capitel: Gustav Adolph — und die Verhältnisse äußerer Politik im Norden berücksichtigen. Wer diese Touristen nach

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/614>, abgerufen am 02.05.2024.