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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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der Intelligenz geberden, Aeußerungen wahrnimmt, die unter dein
Niveau des gesunden Menschenverstandes liegen. Als vor un¬
gefähr zehn Jahren ein pensionirter Offizier aus den gemeinsten Mo¬
tiven seine verbrecherische Hand gegen den damaligen Kronprinzen er¬
hob und der Anschlag auf ahnliche Weise vereitelt wurde, da meldete
sich Niemand, der sich des Namens Reindl geschämt und darüber
gestritten hätte, ob der Verbrecher ein Deutscher, Italiener oder Slave
sei. Diese sublime Bornirtheit war dem Staate der Intelligenz auf¬
bewahrt, wo die Philosophie wild wächst, aber die Leute noch immer
von unten herauf gerädert werden. Noch jetzt dienen mehrere Namens¬
vettern des in den Kerkern von Munkacs gestorbenen Mörders in dem
kais. Heere, aber keinem von ihnen ist es in den Sinn gekommen zu
glauben, daß sechs gleichlautende Buchstaben ihn schänden könnten.
Und doch sind wir Oesterreicher anerkannt loyale Unterthanen, die
Alles begreifen, nur einen solchen romantischen Unsinn nicht, wie ihn
der preußische Nationalschwung zu Tage gefördert.


II.
Aus Berlin.

Huber's Guerillaskrieg. -- Zweifel an der Wirksamkeit des Localvereins. --
Hermes. -- Brüggemann. -- Nauwerk. -- Woenigcr. --

Seitdem Herr Huber glaubt, in seinem Janus das schwere Ge¬
schütz gegen den flachen Liberalismus und Radicalismus abgeschossen,
zu haben, hat er nun auch einen Guerillakrieg gegen einzelne Per¬
sönlichkeiten angefangen, die das liberale Prinzip vertreten wollen.
Und wer könnte die Natur des Guerillakrieges besser kennen, als Herr
Huber, der über spanische Zustände ein dickes Buch geschrieben hat,
welches freilich zu manchen feiner gegenwärtigen Ansichten eben so
wenig paßt, als Heinrich Leo's " Vorlesungen über die Geschichte des
Judenthums" zum gegenwärtigen Standpunkt dieses Hallischen Löwen.
Das große Berliner M. in der Augsburger Allgemeinen hat allen
Geifer und Groll des Herrn Huber auf sich gezogen und er geht in
seinem Furor so weit, daß er es wagt, seine frühere Beschützerin und
Ernährerin, die Augsburger Allgemeine Zeitung, mit jenen geputzten
Frauenzimmerchen zu vergleichen, welche in unserm Kroll'schen Locale
häufig die feine Welt zu spielen suchen. Nicht genug, daß er in der
Deutschen Allgemeinen gegen das Berliner M. und die Augsburger
Allgemeine zu Felde zieht, unverwüstlich, unermüdlich ist er, wie man
es in einem Guerillakrieg sein soll, und im edlen Rheinischen Beobachter
des ehrlichen Professor Berche beginnt der Feldzug gegen das M.
noch einmal auf's Neue. Das M. hatte sich einige Parteien in
Preußen construirt, bei dieser Gelegenheit allerlei liebenswürdige Zon-


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der Intelligenz geberden, Aeußerungen wahrnimmt, die unter dein
Niveau des gesunden Menschenverstandes liegen. Als vor un¬
gefähr zehn Jahren ein pensionirter Offizier aus den gemeinsten Mo¬
tiven seine verbrecherische Hand gegen den damaligen Kronprinzen er¬
hob und der Anschlag auf ahnliche Weise vereitelt wurde, da meldete
sich Niemand, der sich des Namens Reindl geschämt und darüber
gestritten hätte, ob der Verbrecher ein Deutscher, Italiener oder Slave
sei. Diese sublime Bornirtheit war dem Staate der Intelligenz auf¬
bewahrt, wo die Philosophie wild wächst, aber die Leute noch immer
von unten herauf gerädert werden. Noch jetzt dienen mehrere Namens¬
vettern des in den Kerkern von Munkacs gestorbenen Mörders in dem
kais. Heere, aber keinem von ihnen ist es in den Sinn gekommen zu
glauben, daß sechs gleichlautende Buchstaben ihn schänden könnten.
Und doch sind wir Oesterreicher anerkannt loyale Unterthanen, die
Alles begreifen, nur einen solchen romantischen Unsinn nicht, wie ihn
der preußische Nationalschwung zu Tage gefördert.


II.
Aus Berlin.

Huber's Guerillaskrieg. — Zweifel an der Wirksamkeit des Localvereins. —
Hermes. — Brüggemann. — Nauwerk. — Woenigcr. —

Seitdem Herr Huber glaubt, in seinem Janus das schwere Ge¬
schütz gegen den flachen Liberalismus und Radicalismus abgeschossen,
zu haben, hat er nun auch einen Guerillakrieg gegen einzelne Per¬
sönlichkeiten angefangen, die das liberale Prinzip vertreten wollen.
Und wer könnte die Natur des Guerillakrieges besser kennen, als Herr
Huber, der über spanische Zustände ein dickes Buch geschrieben hat,
welches freilich zu manchen feiner gegenwärtigen Ansichten eben so
wenig paßt, als Heinrich Leo's „ Vorlesungen über die Geschichte des
Judenthums" zum gegenwärtigen Standpunkt dieses Hallischen Löwen.
Das große Berliner M. in der Augsburger Allgemeinen hat allen
Geifer und Groll des Herrn Huber auf sich gezogen und er geht in
seinem Furor so weit, daß er es wagt, seine frühere Beschützerin und
Ernährerin, die Augsburger Allgemeine Zeitung, mit jenen geputzten
Frauenzimmerchen zu vergleichen, welche in unserm Kroll'schen Locale
häufig die feine Welt zu spielen suchen. Nicht genug, daß er in der
Deutschen Allgemeinen gegen das Berliner M. und die Augsburger
Allgemeine zu Felde zieht, unverwüstlich, unermüdlich ist er, wie man
es in einem Guerillakrieg sein soll, und im edlen Rheinischen Beobachter
des ehrlichen Professor Berche beginnt der Feldzug gegen das M.
noch einmal auf's Neue. Das M. hatte sich einige Parteien in
Preußen construirt, bei dieser Gelegenheit allerlei liebenswürdige Zon-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/285>, abgerufen am 05.05.2024.