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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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Deutsche Scenen aus dem vorigen Jahrhundert.
Nach italienischen Familienpapieren von F. Gustav Kühne.



5.
Die NosenKrcuzcr in Nürnberg; Einweihung des
Neophyten.

Ich eilte nach dem Hause des Senators, der mich feierlich "zur
Suppe" einladen ließ. Er ist vom hohen Rathe vielleicht der Einzige,
welchen die Gesellschaft zur Verbreitung der reinen Lehre zu ihren
Mitgliedern zählt. Ich fand eine große Anzahl fremder Prälaten ver¬
sammelt. Einige in der einfachen Tracht der protestantischen Land¬
pfarrer mit dem schlichten Zopf it in Aren-killer r>i-ii5si"in, Andere in
hohen wolkigen Perücken mit breiten Busenschleifen und feinen Man¬
schetten, süß duftend wie Clienten der Pompadour, alle Finger voller
Ringe, als wären sie jeden Augenblick in dem Falle, einer italienischen
Bravoursängerin oder einem schmeichelhaften Narren für seinen witzi¬
gen Einfall ein Zeichen ihrer Gunst verabfolgen zu lassen. Es waren
dies die lächelnden Inhaber der fetten Pfründen in Franken und der
Pfalz. Auch an weltlichen Herrn fehlte es nicht, noch an den Män¬
nern des Mars, die wohl danach aussahen, den kleinen Degen der
Etiquette, den sie an der Seite trugen, auch handhaben zu können.
Ihre schweigende Würde verrieth, daß sie hier auf Kommando die
Werkzeuge einer vielleicht ihnen selbst unbekannten Sache abgaben. Es
konnte mir nicht entgehen, daß auch Schüler Loyola's in der Ver¬
sammlung waren, hatten sie gleich in Tracht und Haltung alle Kenn¬
zeichen abgethan. An ihrer schleichenden Gewandtheit, ihrer seinen
leutseligen Fügsamkeit, an der versteckten Herrschlust, die hinter weit-


Deutsche Scenen aus dem vorigen Jahrhundert.
Nach italienischen Familienpapieren von F. Gustav Kühne.



5.
Die NosenKrcuzcr in Nürnberg; Einweihung des
Neophyten.

Ich eilte nach dem Hause des Senators, der mich feierlich „zur
Suppe" einladen ließ. Er ist vom hohen Rathe vielleicht der Einzige,
welchen die Gesellschaft zur Verbreitung der reinen Lehre zu ihren
Mitgliedern zählt. Ich fand eine große Anzahl fremder Prälaten ver¬
sammelt. Einige in der einfachen Tracht der protestantischen Land¬
pfarrer mit dem schlichten Zopf it in Aren-killer r>i-ii5si«in, Andere in
hohen wolkigen Perücken mit breiten Busenschleifen und feinen Man¬
schetten, süß duftend wie Clienten der Pompadour, alle Finger voller
Ringe, als wären sie jeden Augenblick in dem Falle, einer italienischen
Bravoursängerin oder einem schmeichelhaften Narren für seinen witzi¬
gen Einfall ein Zeichen ihrer Gunst verabfolgen zu lassen. Es waren
dies die lächelnden Inhaber der fetten Pfründen in Franken und der
Pfalz. Auch an weltlichen Herrn fehlte es nicht, noch an den Män¬
nern des Mars, die wohl danach aussahen, den kleinen Degen der
Etiquette, den sie an der Seite trugen, auch handhaben zu können.
Ihre schweigende Würde verrieth, daß sie hier auf Kommando die
Werkzeuge einer vielleicht ihnen selbst unbekannten Sache abgaben. Es
konnte mir nicht entgehen, daß auch Schüler Loyola's in der Ver¬
sammlung waren, hatten sie gleich in Tracht und Haltung alle Kenn¬
zeichen abgethan. An ihrer schleichenden Gewandtheit, ihrer seinen
leutseligen Fügsamkeit, an der versteckten Herrschlust, die hinter weit-


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[0360] Deutsche Scenen aus dem vorigen Jahrhundert. Nach italienischen Familienpapieren von F. Gustav Kühne. 5. Die NosenKrcuzcr in Nürnberg; Einweihung des Neophyten. Ich eilte nach dem Hause des Senators, der mich feierlich „zur Suppe" einladen ließ. Er ist vom hohen Rathe vielleicht der Einzige, welchen die Gesellschaft zur Verbreitung der reinen Lehre zu ihren Mitgliedern zählt. Ich fand eine große Anzahl fremder Prälaten ver¬ sammelt. Einige in der einfachen Tracht der protestantischen Land¬ pfarrer mit dem schlichten Zopf it in Aren-killer r>i-ii5si«in, Andere in hohen wolkigen Perücken mit breiten Busenschleifen und feinen Man¬ schetten, süß duftend wie Clienten der Pompadour, alle Finger voller Ringe, als wären sie jeden Augenblick in dem Falle, einer italienischen Bravoursängerin oder einem schmeichelhaften Narren für seinen witzi¬ gen Einfall ein Zeichen ihrer Gunst verabfolgen zu lassen. Es waren dies die lächelnden Inhaber der fetten Pfründen in Franken und der Pfalz. Auch an weltlichen Herrn fehlte es nicht, noch an den Män¬ nern des Mars, die wohl danach aussahen, den kleinen Degen der Etiquette, den sie an der Seite trugen, auch handhaben zu können. Ihre schweigende Würde verrieth, daß sie hier auf Kommando die Werkzeuge einer vielleicht ihnen selbst unbekannten Sache abgaben. Es konnte mir nicht entgehen, daß auch Schüler Loyola's in der Ver¬ sammlung waren, hatten sie gleich in Tracht und Haltung alle Kenn¬ zeichen abgethan. An ihrer schleichenden Gewandtheit, ihrer seinen leutseligen Fügsamkeit, an der versteckten Herrschlust, die hinter weit-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/360>, abgerufen am 06.05.2024.