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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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kratie befinden sich nur zu viele, denen allerdings ihr Besitz und des¬
sen Vermehrung Alles gilt, die aber eben darum von einer Reichs¬
vertretung Nichts wissen wollen und eine derartige Macht des Staates
von der Hand weisen. Daher unser Verfasser auch hier mit seinem
Wunsche mehr verletzen als versöhnen kann. -- Mit den hohen Die¬
nern des Thrones haben es bis jetzt noch alle Constitutionellen ver¬
dorben, und schwerlich wird Herr Ferd. Fischer denselben durch seinen
Wunsch angenehm oder willkommen fein. -- Was endlich den Bür¬
gerstand anbetrifft, so verletzt der Wunsch des Herrn Ferd. Fischer die
behagliche Unthätigkeit und Ichsucht der ungeheuern Majorität auf die
gründlichste Art und Weise; wie könnte man sich daher mit einem
solchen Gedanken versöhnen! -- Der Titel des Schriftchens würde
demnach weit passender "Fischer's Wunsch" gelautet haben, und als
Motto wäre vorzuschlagen gewesen: "Ich weiß, daß man mich als
Ruhestörer betrachten wird."

Das römische Volk rief einst: "pinea "t l^n-cases!"*), und
seit dem lieben heiligen römischen Reich ist das noch heut der Wunsch
der guten Deutschen. Da und dort rufen zwar Einzelne : "Volks¬
vertretung," "Constitution," "Reichsstände" und dergleichen; allein
aus der Menge wünscht ein Jeder wohl so wenig als möglich getre¬
ten zu fein, ohne jedoch vertreten zu wollen. Man verlangt für jede
Regung Gesetze, Verordnungen und Beamte, und will übrigens un¬
geschoren sein. Am Wohnorte des Herrn Ferd. Fischer hört man im
gemeinen Leben sehr oft sagen: "Wenn's nichts kostete und schmeckte
gut!" Damit sind wir Deutschen im Allgemeinen vortrefflich be¬
I. H. zeichnet.


VI.
Notizen.

Pelz, Bauer, Heinzen. -- Reduction der Militärdienstzeit in Oesterreich. --
Äiichelet und Ronge. -- Börnstein und der Rheinische Beobachter. --
Gegen einen Klatsch! -- Houwald, Steffens.

-- Da Preußen nächstens Reichsstände, Preßfreiheit und Geschwor¬
nengerichte bekommt, so wird man wohl am Vorabend dieser neuen
Epoche erst reine Luft machen und die verschiedenen amüsanten Ten¬
denzprozesse gegen Lustspieldichter und Journalisten niederschlagen. Hoch-
nothpeinliche Untersuchungen wegen eines Wortes, das Jemand ge¬
sprochen haben soll, oder wegen dessen, was Jemand in einer gedruck¬
ten Phrase gemeint haben kann, würden sich zu barock ausnehmen in
einem Staat, der so eben einen neuen Adam, derben Sonntagsrock der
Freiheit angezogen. Oder werden die Pelz-, Bauer-, Walesrode-,
Prutz- u. a. Prozesse die Randverzierungen der illustrirten preußischen



*) Zu Deutsch - Gute Gerichte nebst geistigen Getränken und Belustigun¬
I. H. gen passiver Art.

kratie befinden sich nur zu viele, denen allerdings ihr Besitz und des¬
sen Vermehrung Alles gilt, die aber eben darum von einer Reichs¬
vertretung Nichts wissen wollen und eine derartige Macht des Staates
von der Hand weisen. Daher unser Verfasser auch hier mit seinem
Wunsche mehr verletzen als versöhnen kann. — Mit den hohen Die¬
nern des Thrones haben es bis jetzt noch alle Constitutionellen ver¬
dorben, und schwerlich wird Herr Ferd. Fischer denselben durch seinen
Wunsch angenehm oder willkommen fein. — Was endlich den Bür¬
gerstand anbetrifft, so verletzt der Wunsch des Herrn Ferd. Fischer die
behagliche Unthätigkeit und Ichsucht der ungeheuern Majorität auf die
gründlichste Art und Weise; wie könnte man sich daher mit einem
solchen Gedanken versöhnen! — Der Titel des Schriftchens würde
demnach weit passender „Fischer's Wunsch" gelautet haben, und als
Motto wäre vorzuschlagen gewesen: „Ich weiß, daß man mich als
Ruhestörer betrachten wird."

Das römische Volk rief einst: „pinea «t l^n-cases!"*), und
seit dem lieben heiligen römischen Reich ist das noch heut der Wunsch
der guten Deutschen. Da und dort rufen zwar Einzelne : „Volks¬
vertretung," „Constitution," „Reichsstände" und dergleichen; allein
aus der Menge wünscht ein Jeder wohl so wenig als möglich getre¬
ten zu fein, ohne jedoch vertreten zu wollen. Man verlangt für jede
Regung Gesetze, Verordnungen und Beamte, und will übrigens un¬
geschoren sein. Am Wohnorte des Herrn Ferd. Fischer hört man im
gemeinen Leben sehr oft sagen: „Wenn's nichts kostete und schmeckte
gut!" Damit sind wir Deutschen im Allgemeinen vortrefflich be¬
I. H. zeichnet.


VI.
Notizen.

Pelz, Bauer, Heinzen. — Reduction der Militärdienstzeit in Oesterreich. —
Äiichelet und Ronge. — Börnstein und der Rheinische Beobachter. —
Gegen einen Klatsch! — Houwald, Steffens.

— Da Preußen nächstens Reichsstände, Preßfreiheit und Geschwor¬
nengerichte bekommt, so wird man wohl am Vorabend dieser neuen
Epoche erst reine Luft machen und die verschiedenen amüsanten Ten¬
denzprozesse gegen Lustspieldichter und Journalisten niederschlagen. Hoch-
nothpeinliche Untersuchungen wegen eines Wortes, das Jemand ge¬
sprochen haben soll, oder wegen dessen, was Jemand in einer gedruck¬
ten Phrase gemeint haben kann, würden sich zu barock ausnehmen in
einem Staat, der so eben einen neuen Adam, derben Sonntagsrock der
Freiheit angezogen. Oder werden die Pelz-, Bauer-, Walesrode-,
Prutz- u. a. Prozesse die Randverzierungen der illustrirten preußischen



*) Zu Deutsch - Gute Gerichte nebst geistigen Getränken und Belustigun¬
I. H. gen passiver Art.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/448>, abgerufen am 06.05.2024.